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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

vorhanden, und die Jagd auf diese Thiere gehört gewiß ebenso wenig zu den uninteressanten, als zu den ergebnißlosen, um so weniger als die Bälge, besonders der Marder und Füchse, einen recht bedeutenden Werth im Handel haben.

Das wilde Geflügel ist im Bialowiczaer Walde in jeder Art zahlreich vertreten, und in besonders großer Menge findet sich das Auer- und Birkhuhn, sowie die Schnepfe vor. Auch Rackelhähne gibt es, diese sehr seltene Spielart zwischen Auer- und Birkhähnen, welche von den Eingebornen „Skrzekot“ genannt werden, mit welchem Namen sie zugleich den Klang seiner Stimme bezeichnen, der, danach zu urtheilen, nicht eben sehr melodisch ist. Von Raubvögeln zeigt sich häufig der Steinadler, seltener der Geier. Bemerkenswerth ist noch das Vorkommen einer großen Schildkröte, deren Fleisch indeß wenig schmackhaft sein soll.

Unstreitig ist es aber das Vorhandensein des wilden Ochsen, was uns den Wald von Bialowicza ganz besonders interessant macht. In Betreff dieses Thieres ist bereits viel gestritten worden, und es hat sich in Folge dessen, besonders aber durch die Unverzagtheit unkundiger Schriftsteller, eine große Verwirrung der Begriffe eingeschlichen. Wir werden es versuchen, Einiges zur Aufklärung der Sache beizutragen, gestützt auf eine Autorität, wie es der ehemalige russische Oberforstmeister, Baron v. d. Brincken, sicherlich ist.

Der wilde Ochse hieß bei den alten Deutschen Wysent, bei den Griechen und Römern Bison. Die Polen nennen ihn Zubr, und wir bezeichnen ihn gewöhnlich mit Auerochse. Sein Körper ist mit kurzen weichwolligen Haaren bedeckt; dagegen ist die Stirn in ihrer ganzen Breite, der Nacken, der Höcker und die Kehle bis unter den Bauch mit langen Haaren bewachsen, die, besonders bei höherem Alter der Thiere, äußerst struppig und borstenartig sind. Im Sommer ist der Bison – wir werden fortan diese Bezeichnung wählen – hellbraun, im Winter dunkelbraun. Das Haar hat einen starken Geruch nach Moschus an sich, der sich im Winter dermaßen vermehrt, daß eine gar nicht überfeine Nase die Nähe des Bisons schon aus mehrere hundert Schritt Entfernung spüren kann.

Der Kopf des Thieres ist unverhältnißmäßig groß. Die Hörner stehen weit auseinander, sind kurz, halbkreisförmig gebogen, und von schwärzlicher Farbe. Einmal abgeschnitten, wachsen sie nie wieder. Die Augen sind sehr eigenthümlich, da die Pupille senkrecht steht und die Hornhaut schwarz ist. Geräth der Bison in Wuth, so treten sie aus ihren Höhlen und das Weiße wird blutroth. Die Muskelkraft des Thieres ist enorm, und seine Haut noch einmal so dick als die unseres Rindviehes.

Sehr wichtig für die Charakteristik des Thieres ist die festgestellte Thatsache, daß der Bison zwei Rippen mehr hat, als der gewöhnliche Ochse. Er besitzt deren 14 Paar, 8 regelmäßige und 6 kurze. Während die Muskulatur bei ihm sehr ausgebildet ist, sind Magen und Eingeweide ungewöhnlich klein. Das Gehirn riecht auch nach Moschus. Die Bison-Kuh gleicht dem männlichen Thiere sehr, nur ist sie etwas kleiner und nicht ganz so stark behaart.

Was die Dimensionen des Thieres betrifft, so theilt uns Brincken mit, daß der von ihm selbst im Bialowiczaer Walde erlegte Bisonstier, welcher nur mittler Größe gewesen, von den Hörnern bis zur Schwanzwurzel 7 Fuß und 9 Zoll gemessen habe. Der Kopf bis zur Schnauze war 1 Fuß 9 Zoll lang. Die Höhe des Thieres betrug 5 Fuß 1 Zoll. Die Breite des Kopfes ist gewaltig, und standen die Augen bei dem gedachten Stiere 1 Fuß 2 Zoll weit von einander entfernt, die Hörner aber 1 Fuß 7 Zoll. Der ganze Bison wog 11 Centner und 43 Pfund.

Im Sommer und Herbst suchen sich diese Thiere feuchte Orte auf und halten sich in Dickungen versteckt. Im Winter findet man sie dagegen meist im hohen Holze, wo sie alsdann in größeren Heerden beisammen sind. Nur die alten Stiere bleiben für sich allein. Während der Büffel bekanntlich eine große Vorliebe für das Wasser hat, geht der Bison nur höchst ungern hinein. Eigenthümlich ist es, daß der Bison im Sommer sehr scheu, im Winter keinem Menschen aus dem Wege geht. Es ist schon vorgekommen, daß Bauern lange warten mußten, ehe es dem Bison gefiel, den Fußpfad zu verlassen, auf dem sie einander begegneten und den er gänzlich sperrte.

Seine Nahrung besteht aus Baumrinde, Blättern, Knospen und Gräsern. Ein ganz besonderer Leckerbissen ist ihm die Rinde der Esche, welche er, zum großen Nachtheil dieser edlen Holzart, abschält, so weit er nur irgend reichen kann. Jüngere, biegsame Bäume reitet er, wie der Elenhirsch, nieder und vernichtet sie so gänzlich. Im Winter verzehrt er die Knospen der Laubhölzer, während er die der Nadelhölzer und des wilden Rosmarin – die Hauptnahrung des Elens – völlig unangefochten läßt. Im Herbst ist der Bison außerordentlich feist. Seine Brunstzeit fällt in den September und währt drei Wochen. Die alten Stiere finden sich dann bei den Heerden ein und kämpfen oft auf Tod und Leben mit einander. Die Kuh trägt neun Monate und setzt im Mai in tiefen Dickungen nur ein Kalb. In dieser Zeit ist sie ungemein böse, und geht jedem sich ihrem Lager Nahenden mit größter Wuth zu Leibe. Das Kälbchen kann sich zwei bis drei Tage lang nicht vom Boden erheben, nach Verlauf einer Woche aber ist es schon recht flink auf den Beinen, und begleitet die Alte auf ihren Wanderungen. Bis zum Herbste, wo dem Kalbe die Hörner wachsen, ist seine Farbe eine röthlich-braune, und erst nach sechs bis sieben Jahren ist es völlig ausgewachsen. Die Kuh soll 30–40 Jahre alt werden, der Stier aber bis 50 Jahre. Die Mehrzahl stirbt Alters, nachdem sie die Zähne verloren haben. Mit den reißenden Thieren besteht der Bison oft harte Kämpfe, aus denen er indeß gewöhnlich als Sieger hervorgeht, um seine Gegner dann mit den Hufen zu zerstampfen.

Eine Vermischung mit dem Rindvieh dortiger Gegend kommt nie vor. Der Bison scheint vielmehr eine große Antipathie gegen dasselbe zu hegen. Der Schriftsteller Gilibert erzählt in seiner Naturgeschichte des Bison, daß zwei eingefangene, etwa sieben Wochen alte Kälber das Euter einer gewöhnlichen Kuh, welche ihnen als Amme dienen sollte, durchaus nicht annehmen wollten, nicht einmal, als sie schon lange ohne Nahrung geblieben waren. Man versuchte es nun, sie an eine milchende Ziege zu legen, was sie sich ruhig gefallen ließen. Wenn sie aber gesättigt waren, stießen sie die Ziege, gleichsam verächtlich, bei Seite. Gegen das Haus-Rindvieh waren und blieben sie stets gleich wüthend, und als sich ihnen einige Jahre darauf ein Bulle zu sehr näherte, stießen sie ihn so gewaltig mit ihren Hörnern, daß derselbe nur mit knapper Noth sein Leben rettete.

Von den ihnen bekannten Menschen dagegen ließen sie sich außerordentlich viel gefallen, nahmen ihrem Wärter sogar das Heu aus der Hand und leckten sie zärtlichst. Fremde Menschen dagegen durften sich ihnen nicht nahen, und der Anblick rother Stoffe machte sie stets wüthend.

Flemming in seinem „vollkommener deutscher Jäger“ beschreibt das Fleisch des Bison als unverdaulich und schädlich. Brincken hingegen, der es mehrfach gegessen, rühmt es als saftig und wohlschmeckend, und meint, es habe große Aehnlichkeit mit dem Fleische unseres Rindviehes und dem Wildpret des Rothwildes, jedoch sei das Fleisch poröser. Die von demselben bereitete Bouillon riecht und schmeckt ein wenig nach Moschus.

Die Haut des Bison ist sehr werthvoll und wird vom Riemer und Schuhmacher gern verwendet. Es existirt in jenen Gegenden der Aberglaube, daß ein Gürtel von Bisonleder, von Frauen getragen, deren Entbindung erleichtern solle.

Die Anzahl der noch jetzt im Bialowiczaer Walde befindlichen Bisons wird sich auf 700 Stück belaufen. Diesen Wald verlassen sie niemals. Als die Herrschaft Bialystock noch preußisch war, gaben sich Forstleute daselbst die erdenklichste Mühe, die Bisons auch in ihren Waldungen einzubürgern, aber gänzlich ohne Erfolg.

(Schluß folgt.)




Muthübungen sind wichtige Erziehungsmittel.
Von Dr. Moritz Schreber in Leipzig.

Zum Leben gehört Muth. Er ist die Bedingung für glückliche Durchführung des praktischen Lebens, wie auch für sittliche Veredelung. Ist der Muth da, so ist auch schon die erste Hälfte der That geschaffen. Mit edler oder mindestens unschuldiger Gesinnung verbunden führt er in allen Beziehungen aufwärts, von einer Stufe des Gelingens zur andern. Fehlt aber der Muth, so

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