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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Kloster liegt, wird derselbe wohl, um Raum für den Herrn Oberstwachtmeister zu schaffen, sich hinaus trollen müssen und bivouakiren?“

„Ich bitte sehr,“ antwortete Frohn mit der größten Ruhe und voller Ernsthaftigkeit, „daß der Herr Camerad sich um meinetwillen nicht geniren. Ich hoffe, daß Platz für uns Alle da ist; nöthigenfalls können meine Leute auf Stroh in den Corridoren liegen!“

Der Oberst blickte mit Verwunderung auf den Mann, der ihm mit solcher Unbefangenheit die Stirn bot, und ebenso sahen die anderen Officiere staunend auf Frohn.

„Dem Herrn Pater Kellner,“ fuhr dieser zu dem angsterfüllten Benedictiner gewendet fort, „empfehle ich meine Leute zu guter Verköstigung; ich werde dem Kloster ein gutes Douceur dafür hinterlassen. Meine Leute sind strenge danach instruirt, daß sie sich aufs Bescheidenste betragen. Wenn dem Herrn Pater weiter etwas in den Weg gelegt werden sollte, so wende er sich nur an mich, ich stehe jeden Augenblick bereit, ihn nachdrücklich in Schutz zu nehmen und dem geistlichen Gewand, das der Herr trägt, Respect zu verschaffen.“

„Tod und Teufel!“ rief der Oberst von der Trenck hier auffahrend aus, „wer commandirt denn hier, der Trenck oder …“

„Der Herr Oberst von der Trenck commandiren hier Ihr Panduren-Freicorps,“ versetzte Frohn gemessen, „und der Oberstwachtmeister von Frohn vom Regiment König Joseph-Husaren commandirt sein Detachement. Das nöthige Quartier gibt der Unterthan her, und wenn Ihre Majestät die Kaiserin militärische Dispositionen treffen, wonach sich Dero verschiedene Truppen auf einem Platze begegnen, so müssen sich dieselben in den Raum theilen und zusammen schicken, so gut es eben angeht. Das ist, dünkt mich, so klar und einfach und so über allen Zweifel hinaus, daß der Herr Oberst gewiß kein Wort mehr darüber verlieren wollen, damit wir nicht länger um unser angenehmes Spiel kommen!“

Der Oberst von der Trenck warf sich in seine ruhende Lage zurück. Er murmelte einige zornige Flüche zwischen den Lippen, während er wieder nach den Karten griff. Dann lachte er plötzlich laut auf.

„Der Herr Camerad hat beim Teufel Recht!“ rief er dabei aus, „packt Euch, Ihr da an der Thüre, die Husaren können bleiben, und daß ich von keinem Streit und von keinen Raufereien höre, oder das Wetter fährt Euch auf den Schädel!“

Der Pater Kellner und der Seressaner verschwanden sofort; Trenck schlug die Karten ab, wie zuvor, aber die anderen Officiere beobachteten mit eigenthümlichen Blicken den Oberstwachtmeister von Frohn. Vielleicht war es Bewunderung seiner ruhigen Kühnheit, was in ihren Blicken lag, vielleicht dachten sie nicht viel anders als: wenn unser Geizhals von Oberst nicht vorzöge, Dich hier zu halten, um erst Deine volle Geldbörse zu plündern, so würdest Du einen ganz andern Mann an ihm gefunden haben!“


4.

Das Spiel hatte etwa eine Stunde gedauert; Frohn hatte den Inhalt seiner Börse sich um ein Bedeutendes vermindern sehen, denn es war, als ob der Pandurenoberst eine magnetische Anziehungskraft für die blanken Kremnitzer Ducaten besitze; endlich hatte er sich erhoben, um zu revidiren, wie sein kleines Kommando sich unter Dach und Fach gebracht, und um sich im Kloster-Refectorium einen Imbiß auftragen zu lassen, da er seit dem Frühstück nichts genossen hatte. Er fand seine Leute im Refektorium versammelt; da sie die Sprache der Panduren nicht verstanden und vielleicht eine Art aristokratische Abneigung fühlten sich mit diesen Burschen einzulassen, hatten sie sich im Kloster zusammengehalten, und zu ihnen hatten ein paar von den Klosterherren sich gesetzt, die aus der Anwesenheit so disciplinirter und wohlgeschulter Kriegsknechte eine Art Trost und Beruhigung schöpften. Franzl, der Wachtmeister, saß hinter einem Bierkruge neben dem Pater Kellner, welcher ihm die haarsträubendsten Dinge von den Streichen dieser Panduren erzählte, die nach seinen Berichten eine Art eingefleischter Teufel sein mußten.

Frohn setzte sich zu ihnen, und während für ihn die Speisen bereitet wurden, hörte er diesen Berichten zu. Der Imbiß wurde aufgetragen; nachdem Frohn gegessen, winkte er Franzl in den Hintergrund des langen und dunklen Raumes, wo er ihm leise flüsternd mehrere Befehle gab. Franzl verschwand danach aus dem Kloster, um sich sogleich nach dem Marktflecken hinab zu begeben. Frohn aber ließ sich in die Zelle führen, die für ihn bereitet war und wohin Franzl bereits seinen Mantelsack hatte bringen lassen – dort warf er sich auf das Bett nieder, um ein paar Stunden zu ruhen.

Es mochte neun Uhr sein, als Franzl ihn weckte. Der Oberst ließ den Herrn Cameraden ersuchen, das Nachtmahl mit ihm einzunehmen.

Frohn erhob sich.

„Was hast Du ausgerichtet, Franzl?“ fragte er.

„Alles in Ordnung; der Schiffer war ganz willig und ist ein Mann wie wir ihn brauchen!“

„Gut … und was ich Dir anvertraut habe?“

Franzl schlug mit dem Säbel lächelnd an den Schaft seines Halbstiefels.

„Hier steckt’s, Herr Oberstwachtmeister – seien Sie ganz ruhig; es nimmt mir’s Niemand!“

„So gib mir den Dolman.“

Frohn warf den Dolman über die Schultern und ging den Corridor hinab zum Zimmer Trenck’s.

Als Frohn bei diesem eintrat, fand er Trenck allein. Er schritt, die Hände auf dem Rücken, langsam auf und nieder. Ein Diener hielt sich aufrecht neben dem Sessel des Obersten, der an einen mit Speisen besetzten Tisch geschoben war.

„Nehmen der Herr Camerad mit mir vorlieb,“ empfing Trenck den Eintretenden. Dieser verbeugte sich.

„Nachher,“ fuhr jener fort, „können wir zu den Aufträgen übergehen, die der Herr von Frohn an mich zu haben behauptet.“

„Ich stehe dem Herrn Oberst ganz zu Befehl!“

Man setzte sich. Trenck aß rasch, und da Frohn ihm gleichen Schritt zu halten suchte, konnte die Tafel bald abgeräumt werden: die Flaschen und Gläser blieben.

„Laß Er uns jetzt allein,“ sagte der Oberst zu dem Diener, und als dieser gegangen war, fuhr er zu Frohn gewendet fort:

„Wenn’s also beliebt, können wir zur Sache übergehen, mein Herr Diplomat … packe der Camerad aus mit seiner Angelegenheit, und ein wenig kurz, damit wir zur Ruhe kommen.“

Frohn füllte sein Glas mit rothem Ungar; dann zog er ein geschliffenes Krystallfläschlein aus der Brusttasche seiner Uniform hervor und goß einige Tropfen daraus in seinen Wein.

„Was tröpfelt der Oberstwachtmeister denn da in sein Getränk?“ fragte der Oberst, der ihm aufmerksam zusah.

„Ein Lebenselixir, das von besonderer Kraft ist. Ich habe es von einem alten türkischen Arzt bekommen, dem ich beisprang, als ihn ein Haufe Slavonier in die Donau werfen wollte. Es hat eine ganz merkwürdige Kraft und wer es braucht, den schützt es vor allen inneren Krankheiten; es curirt vom Fieber und merkwürdig ist, wie ruhig und fest man danach schläft.“

Frohn leerte sein Glas zur Hälfte mit großem Behagen, dann goß er noch einige Tropfen zu.

„Das könnt’ ich brauchen,“ sagte Trenck, „ich liege manche Stunde schlaflos in der Nacht und wälze mich, fluchend über die Langeweile, hin und her.“

„Will der Herr Camerad versuchen?“ versetzte Frohn. „Das Recept steht ihm zu Diensten.“

Trenck hielt Frohn sein Glas hin, und dieser ließ eine ziemlich starke Dosis seines Elixirs in den rothen Wein tröpfeln.

Der Oberst trank davon.

„Man schmeckt nichts!“ sagte er, mit den Lippen schnalzend.

„Aber die Wirkung wird sich schon verspüren lassen,“ entgegnen Frohn, sein Glas leerend.

„Und nun die Aufträge?“

„Sie bestehen zunächst darin, daß ich dem Herrn Oberst ein Gespräch mittheilen soll, welches in den letzten Tagen zwischen der Kaiserin und dem König Joseph über den Herrn Oberst stattgefunden hat. Die Kaiserin hat da ein wenig ungnädig sich über den Herrn Obersten ausgesprochen und von allerlei Klagen geredet, die gegen denselben bei ihr angebracht seien; er sei ein Ketzer, ein Gottesleugner, er hätte keinen Respect vor Gott noch dem Teufel, und es sei ihm nichts auf der Welt und im Himmel heilig. Wogegen denn seine Majestät der römische König den Herrn Obersten vertheidigt haben; und endlich haben die junge Majestät mich rufen lassen und haben mir befohlen: Frohn, setze Er sich zu Pferde und reite Er zum Trenck; sage Er dem Obersten, ich hätte mein Wort verpfändet, daß ihm wenigstens das heilig sei, was jedem guten Soldaten heilig ist, sein Ehrenwort. Nehme Er dem Obersten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 723. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_723.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)