Seite:Die Gartenlaube (1860) 598.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

schönes Vaterland fortan mit nationalen Banden umschließen soll: ein deutsches Schützenfest, wie ein solches alljährlich in unserem Schwesterlande, der Schweiz, in Freud’ und Ehren begangen wird. Die Schützengesellschaft in der Metropole am Rhein hat jetzt diesen schönen Gedanken verwirklicht und, wie bekannt, die Schützen aller stammverwandten Länder Deutschlands, also außer Deutschland, Belgien, Holland, England, die Schweiz (Frankreich ist selbstverständlich ausgeschlossen) zu einem germanischen National-Schützenfest nach Cöln geladen, wo unter glänzendem Schaugepränge am 26. August dieses Jahres ein großes Preisschießen begonnen hat.

Wir überlassen es den politischen Zeitungen, die Details dieses seltenen Festes, wie die Geschichte vieler Jahrhunderte ein solches in Deutschland nicht aufzuweisen vermag, ausführlicher zu beschreiben, und bemerken nur im Allgemeinen, daß die Cölner Schützengesellschaft sechs Ehrenscheiben aufgestellt hat, nach denen zunächst „ohne irgend eine Einlage oder Erfüllung einer materiellen Bedingung“ um gewisse Ehrenpreise geschossen wird. Die Namen der Ehrenscheiben deuten an, für welche Schützen sie bestimmt sind; sie nennen sich: Deutschland für die deutschen Schützen, England für die englischen, Belgien für die belgischen, Holland für die holländischen, Schweiz für die Schweizer, und endlich Cöln für sämmtliche Schützen. Der Preis für den besten Schuß besteht bei jeder Scheibe in einem prachtvollen silbernen Pokal, einem Ehrenorden und einem Gedenkzeichen; als Ehrengeschenk der Stadt Cöln hat die nach ihr benannte Scheibe einen silbernen vergoldeten Pokal mit erhabenem Deckel für den besten Schützen zum Gewinn.

Das Hauptschießen an der Ehrenscheibe „Prinz-Regent“ hat am 27. August Nachmittags zwei Uhr begonnen, und wird nach dem Maßstabe der Betheiligung der Schützen bis Schluß des Monats September fortgesetzt. Hier gilt es einen Preis zu erringen, wie ein ähnlicher noch niemals in Deutschland ausgesetzt worden ist. Das über Ehrenbreitstein sich erhebende Schloß Schützenburg, von welchem wir dem Leser eine gelungene Abbildung vorlegen, ein Schloß mit einem umgebenden Areal von 18 Morgen der besten Weinberge, Gärten und dergl. nebst einer Gerechtsame von circa 8000 Morgen Feld- und Waldjagd, in einem Werthe von 36,000 Thalern, ist der seltene Preis, der dem besten Schützen aus germanischem Stamme zu Theil wird. Das herrliche Schloß, auf einer mäßigen Anhöhe Coblenz gegenüber an einem der schönsten Punkte des Rheins gelegen, bietet eine prachtvolle Aussicht auf Coblenz, Rhein, Mosel, Stolzenfels und die Gebirgsketten des Rhein- und Moselthals. Die Gebäulichkeiten sind ganz neu, im Geschmack des Mittelalters rein und äußerst solide gebaut, mit vielen Thürmen, Brücken, Cisternen, Springbrunnen, Veranden, Grotten und dergl. geziert; in der That ein hoher Preis, der es werth ist, um ihn mit festem Auge und sicherem Arm zu werben. Außerdem sind noch 184 Nebenpreise von 1000, 500, 300, 200 Thlr. etc. für die nächstfolgenden besten Schützen ausgesetzt, während für die Schießkarte nur 3 Thlr. zu erlegen sind.

Möge denn dieses National-Schützenfest, wie es großartig angelegt, so auch glücklich, froh und frei in deutscher Weise beendigt werden. Einer der Festredner am ersten Tage, Schütz Wilke aus Cöln, schilderte die Bedeutsamkeit des Festes mit Worten, die, wie sie an jenem Tage hundertfachen Anklang fanden, so auch sicher in ganz Deutschland, ja in der ganzen germanischen Welt nachhallen werden und mit denen es uns gestattet sei, diesen flüchtigen Bericht zu schließen:

„Wir wollen,“ so sprach er, „vereint sein zum Schutze unsres deutschen Vaterlandes, für den Fall der Gefahr! Das, meine Herren, soll der erste Preis unseres Festes sein, daß wir nach den Schießtagen von einander scheiden mit dem Gefühle im Busen: wir sind stammverwandte Brüder; wir sind dafür begeistert, daß wir für das engere, sowie für das weitere Vaterland einstehen wollen mit Wort und That! Und siehe da! Sie haben begriffen, was wir damit gewollt: aus den entferntesten Orten Deutschlands, Belgiens, Hollands, Englands und der Schweiz sehen wir zahlreiche Vertreter bei unserem Feste erscheinen und sich die Hand drücken in dem freudigen Bewußtsein: „„Wir stehen wie ein Mann für die deutsche, für die stammverwandte Erde!““

Meine Herren! von hoher Stelle ward uns ein Beispiel gezeigt, wie man Rechtlichkeit üben soll, und mit Freude sahen wir ausgeführt das hohe Gebot der Religion: „„Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Haus, noch Alles, was sein ist.““ Wir Deutsche wollen nicht begehren unsres Nachbars Haus, doch wollen wir uns wehren, wenn eine frevelnde Hand es versuchen sollte, auch nur anzutasten eine Scholle deutscher Erde! Und zu diesem Zwecke haben wir Schützen uns zunächst die Hand zu reichen: wir wollen einstehen mit Gut und Blut und würdig sein dem Vorbilde der deutschen Krieger, welche 1813, 14 und 15 mit ihrem Blute für die Freiheit Deutschlands Boden gedüngt.“




Deutsche Bilder.
Nr. 5. Ulrich von Hutten.
(Schluß.)

Gern wäre Hutten in der Nähe des ritterlichen Herrn geblieben, aber die Pflicht der Dankbarkeit führte ihn an den Hof des Erzbischofs von Mainz zurück, wo er auch die versprochene Anstellung erhielt. Im Gefolge dieses Kirchenfürsten besuchte er auch den Reichstag zu Augsburg, den der Kaiser ausgeschrieben hatte, um gegen die dem Reiche von den Türken drohende Gefahr Hülfe zu verlangen. Hutten behandelte die Angelegenheit in einer ausführlichen Schrift, worin er die deutschen Fürsten und Ritter zur Einigkeit gegen den damaligen Erbfeind aufforderte, indem er über das alte Uebel seiner Landsleute, ihre Zerrissenheit, Eifersucht und Zwietracht klagte. „So bleibt,“ schrieb er damals, „unsere Tapferkeit stets eitel, unsere Kraft nutzlos, und unsere Nachbarn lassen uns wohl für gute Kämpfer, aber nicht für tüchtige Krieger gelten. Und das ist nicht der Soldaten, sondern vorzugsweise der Führer Schuld. Es lebt in Deutschland eine starke Jugend, große, nach wahrem Ruhm begierige Herzen: aber der Leiter, der Führer fehlt. So erstirbt die Kraft, die Tapferkeit spannt sich ab, und der glühende Thatendurst verkommt im Dunkeln.“

Noch kein Jahr verweilte Hutten am Hofe des Kurfürsten von Mainz, als er bereits das Hofleben so satt bekam, daß es ihm Gelegenheit zu einer Satire gab, die er seinem berühmten Freunde Wilibald Pirkheimer nach Nürnberg mit einem Briefe schickte, worin er seine Sehnsucht nach einer andern und bessern Thätigkeit aussprach. Er konnte nur einer Herrin dienen, der Freiheit, von der er in seiner „Zuschrift an alle freien und echten Deutschen“ folgendermaßen spricht: „In der That, wenn es Einen gibt, welcher die deutsche Freiheit so vernichtet wünscht, daß wir gegen kein Unrecht, keine Schmach mehr Einrede thun dürfen, der möge zusehn, daß nicht jene so geknebelte und fast erwürgte Freiheit einmal, zu der Unterdrücker größtem Schaden, plötzlich ausbreche und sich wiederherstelle. Wie weit klüger wäre es, verständig angesehen, wie viel gerathener vom Standpunkte unserer Unterdrücker aus, ihr immer noch etwas Athem zu lassen und sie nicht gar zu arg zusammenzupressen, als es dahin zu treiben, daß sie im Gefühl der drohenden Erstickung sich gewaltsam durch einen zerstörenden Ausbruch Luft machen muß! Denn einfangen und binden läßt sie sich wohl, zumal wenn es Einer schlau und geschickt anzugreifen weiß; umbringen und abschlachten aber läßt sie sich nicht, und sie ganz zu vernichten, ist unmöglich. Also Muth! und ihr, denen des Vaterlandes Freiheit am Herzen liegt, die ihr Deutschlands Ehre erkennt und noch nicht ganz dem Aberglauben verfallen seid, leset, waget Aehnliches und lebet wohl.“

Vor allen Dingen war es Hutten damals daran gelegen, die nöthige Muße zu einigen größeren literarischen Arbeiten zu gewinnen. Großmüthig entband ihn der Kurfürst von Mainz seiner Verpflichtungen, indem er ihm doch seinen ganzen Gehalt beließ. Zum Dank widmete er seinem Gönner die von ihm veranstaltete neue Ausgabe des Livius und eine Schrift über das Guaiak, ein medicinisches Mittel, dem er selbst seine Heilung von jener ansteckenden

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 598. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_598.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)