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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Gegenwärtig tragen die Staaten des deutschen Bundes (mit Einschluß von ganz Preußen) in Friedenszeiten jährlich eine militärische Abgabenlast von wenigstens 90 Mill. Thlr., und haben dafür ein stehendes Heer von 700,000 Mann, etwa 11/2 Procent der Bevölkerung von 48 Mill. Dagegen würden sie auf schweizerischem Fuß jährlich 20 bis 24 Mill. Thlr. verwenden, und dafür über eine schlagfertige Wehrkraft von 3,600,000 Mann oder 71/2 Procent der Bevölkerung verfügen. Wollte man immerhin eine Uebergangsstufe, vielleicht mit halbjähriger Dienstzeit, gestatten, so würde die Ausgabe schon dadurch ungefähr auf den dritten Theil ermäßigt werden. Sehr bald würde man auf drei Monate herabgehen und sich schließlich überzeugen, daß man im Frieden gar kein stehendes Heer braucht. Mit solcher Durchführung der allgemeinen Wehrhaft!gkeit würde Deutschland zugleich die andern großen Militärstaaten zur Nachfolge nöthigen und sich das unsterbliche Verdienst erwerben, durch Beseitigung der Militärherrschaft dem Frieden und allen seinen Segnungen eine feste Wohnstätte in Europa zu bereiten.

Geböte Deutschland über eine Heeresmacht von mehr als viertehalb Millionen Mann, so könnten wir ruhig erwarten, daß die Hölle mit allen ihren Teufeln auf uns losgelassen würde, Laßt uns also mit ganzem Ernst dahin wirken, daß das gebundestagte und schwache Deutschland seine rechte Einheit und volle Kraft gewinne, um allen Begehrlichkeiten eines feindseligen Auslandes die Stirn bieten zu können!

Die militärische Centralisation Deutschlands ist eine so einleuchtende Nothwendigkeit, daß jedes andere Centralorgan, als der mit Unfruchtbarkeit geschlagene Bundestag, sie längst durchgeführt hätte. Die beiden großen Militärdespotien des Westens und Ostens, zwischen denen wir uns eingeklemmt finden, werden durch die straffste Centralisation zusammengehalten. Ihre Heere, vornehmlich das französische, können eine furchtbare Stoßkraft entwickeln und sind im Besitz einer ausgezeichneten Kriegserfahrung. Und solchen Mächten gegenüber läßt der deutsche Bund nach wie vor seine drei Dutzend ungleichartigen Bundescontingente abgesondert bestehen! Den einheitlich geballten feindlichen Massen glaubt er mit einem Sortiment von fachwidrig zerfahrenen kleinen Friedensheeren widerstehen zu können! Billiger und verständiger Weise müßte Deutschland längst ein einziges gleichgebildetes und gleichbewaffnetes Heer besitzen und die Nummern seiner Regimenter vom ersten bis zum letzten durch alle Gauen hindurchzählen.

Außer der Einheit und Gleichförmigkeit bedarf aber unsere Wehrkraft noch der Ausdehnung bis zu jener Vollständigkeit, welche jedem Eroberer von vornherein die Lust benimmt, auf unsere Kosten ungerechte Begierden zu stillen. Alle Wehrfähigen müssen auch wirklich wehrfähig gemacht werden. Nach kurzer Einübung müssen Alle, die in den vorhandenen Militärrahmen nicht gebraucht werden, in die Heimath entlassen werden. Zugleich muß das Vaterland allen seinen waffentragenden Söhnen die volle und gerechte Vergütung ihrer Opfer gewähren und endlich einmal auch die Rohheit beseitigen, daß dem Soldaten die Officierwürde verschlossen bleibt. Bei den klügeren Franzosen trägt seit 70 Jahren jeder Soldat den Marschallstab im Tornister; warum fehlt bei uns noch immer dies mächtige Element des Sieges?

Unter den angeführten Bedingungen würden wir jedem Feinde gewachsen sein. Tritt die Gefahr ein, ist ein Angriff abzuweisen, so steht dann in Wahrheit das bewehrte Volk in Masse auf und geht in’s Feld mit der Sicherheit, in kurzem Kriege das Vaterland zu schützen, zu retten.

Sicherlich ist es die größte Schande, von einem geknechteten Volke geknechtet zu werden. Will Deutschland diesem entehrenden Schicksal entgehen, so muß es bereit und gerüstet sein, gegen den abgefeimten, gewissenlosen, räuberischen Cäsarismus und Prätorianismus im Vordertreffen zu stehen und außer seiner eigenen Unabhängigkeit auch diejenige der kleinen benachbarten Vorländer mit ganzer Kraft zu vertheidigen. „Noth bricht Eisen, und Eisen bricht die Noth.“ Zu diesem Zwecke muß Deutschland das rechte Mittel ergreifen, nämlich im Staate die allgemeine Wehrhaftigkeit durchsetzen und privatim mittelst Wehrvereinen und freiwilliger Schützencompagnien die Volksbewaffnung zur Wahrheit machen. Aber nur das Land, welches von einem freien, selbstbewußten Volke bewohnt wird, schreckt fremde Eroberer zurück. Bändigt Deutschland nicht seine einheimischen Feinde, so wird es eine Beute der auswärtigen. Innere Unfreiheit führt zu äußerer, so gut wie jede Ursache ihre Wirkung hat. Freiheit allein ist Stärke. Hören wir auf Forster’s Wort: „Gegen die Löwenkräfte des freien Menschen, der seine Freiheit über Alles liebt, sind alle Höllenkünste der Tyrannei unwirksam.“ Dem gerechten Volkskriege, der zur Vertheidigung gegen frechen Einbruch mit Begeisterung geführt wird, wird der Siegeslorbeer nimmer entgehen.

Darum arbeite Jeder in seinem Kreise, daß Deutschland frei, einig und stark werde. Das ist die einzige Bürgschaft des glücklichen Widerstandes gegen westliche oder gar vereinigte westöstliche Eroberungsanfälle, alsdann aber auch der schließlichen Wiedererwerbung unserer alten „natürlichen Grenzen.“ Lassen wir dagegen die Dinge gehen, wie sie wollen, d. h. wie unsere Feinde wollen, dann stehen uns wermuthreiche Tage bevor. Zwar auch im schlimmsten Falle würde die Auferstehung des lebenskräftigen deutschen Volkes nicht ausbleiben, und auf neuen Grundlagen im Innern und nach außen würde Neudeutschland als die schiedsrichterliche Centralgroßmacht Europa’s sich erheben. Allein wenn wir uns durch rechtzeitige Thätigkeit dies Fegefeuer ersparen, so ist es unendlich ehrenhafter für uns, und wir erringen mit weit mäßigern Opfern das lang ersehnte und erstrebte einige, freie, große Vaterland.




Jagddaguerreotypen.[1]

Von Ludwig Beckmann.
II.
Das Schwarzwild und seine Jagd in alter und neuester Zeit.

Die Vervollkommnung des Feuergewehres und die Einführung der französischen Parforcejagd gaben dem deutschen Jagdwesen eine gegen früher ganz veränderte Richtung, die spätern Zeitereignisse und vor Allem die zunehmende Umwandlung des Waldbodens in Ackerland vollendeten das Uebrige, sodaß heutzutage die Jagd in den stärker bevölkerten Districten Deutschlands nur noch als „Schießvergnügen“ zu betrachten ist. Am meisten erinnern noch die „Saujagden“ an die alte gute Zeit der deutschen Waidmannslust. Da das Abschießen des Schwarzwildes auf dem Anstand an den Wechseln und Suhlen, auf dem Treibjagen, beim Einkreisen nach frischem Spürschnee (bei guter „Neue“) und beim Pürschgange, von dem bei andern Wildarten üblichen Verfahren so wenig abweicht, daß ein näheres Eingehen überflüssig sein dürfte, so beschränken wir uns auf die Streifhatze, die Parforcejagd, das eingestellte Jagen und das Einfangen.



1. Die Streifhatze.

 „Auf dem Schnee und auf dem Eber
 Wird mir mein Sach wäger!“
 (Alter Waidspruch.)

Dieses ist unstreitig eine der ältesten und interessantesten Jagdarten und besteht wesentlich darin, daß man einen Walddistrict mit mehreren Hatzen umlegt [2], welche die durch Treiber oder Hunde aufgejagten Sauen behetzen und fangen, sobald sie auf der Blöße angelangt sind.

In der Blüthezeit des Jagdwesens wurde auch diese Jagdart praktisch und ceremoniell vervollkommnet. – Sobald die Jäger, welche die schweren Fanghunde führten, ihre Plätze hinter den aus Tannenzweigen hergestellten „Hatzschirmen“ eingenommen hatten, zog der „Rüdemann“ mit mehreren guten „Findern“ [3] auch

  1. Siehe Nr. 23 und 24.
  2. d. h. am Rande des Waldes in gewissen Entfernungen Jäger oder „Hatzleute“ mit mehreren großen Fanghunden postiren.
  3. Finder oder Saubeller: kleine, rauhhaarige Hunde, welche nur an Sauen suchen, jagen und „verbellen“.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_586.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)