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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

wieder einmal schießen zu lassen. Zwar hatte der General durch einen mit einer Depesche vom General Stadion in Siena an den General Paumgarten in Perugia aufgefangenen Postillion, den er mit dem Rathe frei ließ, sich nicht wieder erwischen zu lassen, erfahren, daß Ersterer nur 4 schwache Bataillone, Letzterer etwas mehr commandire und man Garibaldi’s Corps an Macht bedeutend überschätze; demohngeachtet hatte er jetzt nur noch den Plan der Rettung und sagte deshalb (was zu gleicher Zeit sein Herz charakterisirt): „Recht schön, meine Herren, aber was machen wir mit den Blessirten? Mitnehmen können wir sie nicht, und fallen sie den Oesterreichern in die Hände, so werden sie füsilirt!“

Fast ringsum von Feinden umgeben, kaum noch 2000 Mann stark, gelang es dem Talente des Generals, ein von den Oesterreichern besetztes Defilé zu umgehen, den Monte Luna zu erklimmen und die waldigen Schluchten des Metauro (in welchen einst Hasdrubal und sein Heer durch die Consuln Nero und Titus Livius Salinator vernichtet wurden, wodurch das Schicksal Hannibals in Italien entschieden wurde) zu passiren. Bei San Angelo in Bado zeigte sich endlich auch der Feind von vorne, aber außer kleinen Scharmützeln und einem Ueberfalle der Reiterei verfuhren die Oesterreicher doch sehr behutsam. Am 31. Juli des Morgens erreichte endlich die Colonne, kaum noch 1800 Mann stark, das Gebiet der Republik von San Marino. Hier beschloß Garibaldi seine Legion aufzulösen und erließ folgenden Tagesbefehl:

„Wir haben den Boden erreicht, welcher uns eine Zufluchtsstätte gewährt und sind den großmüthigen Gastfreunden die beste Aufführung schuldig. So werden wir die Achtung verdienen, die man dem verfolgten Unglück zollt. – Von diesem Augenblicke an entbinde ich meine Gefährten von jeglicher Verpflichtung und gestatte ihnen die Rückkehr in’s Privatleben, aber ich mahne sie daran, daß Italien nicht in der Schmach verharren darf und daß es besser ist, zu sterben, denn als Sclave der Fremden zu leben.

G. Garibaldi.“

Es ist bekannt, daß er für sich die vom Senate von San Marino mit den Oesterreichern für die Legion abgeschlossene Capitulation nicht annahm, etwa 200 Leute und seine compromittirten Freunde um sich versammelte und Genua erreichte, nachdem er seine von ihm zärtlich geliebte Gattin auf der gefahrvollen Flucht, in Folge zu früher Niederkunft derselben, durch den Tod verloren hatte.

Garibaldi hat einige Eigenthümlichkeiten an sich, die seine Leute gut kennen; deshalb sind bei wichtigen Momenten die Augen aller seiner Untergebenen blos auf ihn gerichtet. Im Jahre 1848 stand er mit unverrücktem Calabreser im Feuer; 1859 trug er stets nur eine einfache Mütze. Aus seinem Benehmen ersehen seine Leute schon, wie es steht. Kommt er in die Nähe des Feindes, so hat er die Mütze so vorgezogen, daß seine Umgebung kaum die Augen von ihm sieht. Beim Beginne des Gefechts rückt er die Mütze etwas höher; je weiter der Kampf sich entwickelt, um so mehr schiebt er die Mütze auf den Kopf zurück, und wenn die Entscheidung sich nähert, setzt er sie dann in den Nacken, sodaß die ganze Stirne frei wird. Dieses Zeichen kennen seine Leute und stürzen sich mit Hurrah auf den Feind, der, dem bedeutenden Anpralle nicht widerstehend, Reißaus nimmt.

Vergleichen wir den oben mitgetheilten, in der Geschichte fast beispiellosen Zug mit seinem kühnen Zuge von Varese nach Como 1859, seine Operationen gegen die Oesterreicher, seine Handlungsweise gegen seine Untergebenen, so finden wir in ihm denselben energischen, thatkräftigen, für sein Vaterland Alles wagenden und aufopfernden Mann unverändert wieder.




Die Louisenburg bei Wunsiedel.
Erinnerung an die Königin Louise von Preußen.
Von Ludw. Storch.
Diese Gruppen zusammen tragen gegenwärtig den Namen Louisenburg, um anzudeuten, daß eine angebetete Königin, kurz vor großen Unfällen, einige frohe und ruhige Tage hier verlebt habe.
Goethe.

Die beiden brandenburgisch-fränkischen Fürstenthümer, durch das Aussterben der Baireuther Markgrafendynastie unter dem Markgrafen Alexander von Anspach vereinigt und von diesem 1792 an das stammverwandte preußische Königshaus abgetreten, hatten bis zum Jahre 1805 noch kein Glied der neuen Herrscherfamilie begrüßt, als sich im Frühling des zuletzt genannten Jahres in diesen Länderbezirken die frohe Kunde verbreitete, König Friedrich Wilhelm III. und die von allen Deutschen hochverehrte Königin Louise würden die Brunnencur im romantischen Alexandersbad bei Wunsiedel gebrauchen. Im ganzen preußischen Frankenlande gab sich eine freudige Aufregung kund, am meisten unter den schlichten, gemüthlichen Bewohnern des Fichtelgebirgs. Zweckmäßige Anstalten, zum würdigen Empfang der hohen Gäste und zu ihrer Bewirthung getroffen, hatten im Bade Verschönerung und Vermehrung der Gebäude und neue Anlagen zur Folge. Das Königspaar, im Mai auf einer Revue bei Magdeburg, dann auf einer Lustreise nach dem Brocken, ging von da nach Alexandersbad, wo der festliche Empfang am 9. Juni stattfand.

Königin Louise, 29 Jahre alt, seit elf Jahren Gattin und Mutter von acht Kindern,[1] stand in der höchsten Blüthe ihrer majestätischen, milden Schönheit, deren Zauber kein Herz in ihrer Nähe sich entziehen konnte. Es ist Thatsache, daß selbst alte Leute aus dem Volke bei ihrem Anblick vor Entzücken weinten, und Jedermann ihr eine fast abgöttische Verehrung zollte, die durchaus nichts Gemachtes, vielmehr der moralisch nothwendige Herzenstribut und Folge des Eindrucks ihrer mit sanfter Würde verbundenen hohen Schönheit war. Das Königspaar verweilte drei Wochen in Alexandersbad, Tage hohen Genusses für die Königin, vielleicht die glücklichsten ihres Lebens, der Silberblick desselben, hinter welchem die Nacht düster aufstieg und die ihr vom dämonischen Beherrscher der Zeit bereitete Pein, die als Alp sich schwer und schwerer auf ihre Brust wälzte, bis sie fünf Jahre später der Riesenlast erlag.

Das Alexandersbad, reizend hingegossen in eine liebliche waldumkränzte Thalmulde mit frischem Wiesenteppich zwischen felsengeschmückten, dem Fichtelgebirge zugehörigen Bergen, bietet in seiner Umgebung eine überraschend pittoreske und groteske Wald- und Bergnatur. Die Nymphe des Quells hat sich ein ausgesucht reizendes Boudoir erwählt, und die Nähe der freundlichen Bergstadt Wunsiedel erhöht die Annehmlichkeiten desselben. Die Perle der ganzen Gegend ist aber der angrenzende Berghain mit seinen unvergleichlichen Felsengebilden, den Jean Paul Friedrich Richter, das berühmte Stadtkind Wunsiedels, den „Bergthron“ und „Thronhimmel“ des Städtchens nennt.

Die Heilquelle, ein kohlensaurer Eisenbrunnen, 1734 entdeckt, aber erst 1783 durch den Markgrafen Alexander mit Baulichkeiten und Anlagen versehen, erhielt von ihm Namen und Ruhm. Jährlich stärker besucht, selbst aus weiter Ferne, bot das reizende Waldbad allsommerlich das schmucke Bild eines ungemein regen Lebens. Wer nicht des Wassers wegen kam, den lockte die köstliche Berggegend mit frischer Luft, oder die zahlreiche Gesellschaft, das starkbetriebene Farospiel und das glänzende Vogelschießen in Wunsiedel. Aber die Glanzperiode des Bads bildet die einundzwanzigtägige Anwesenheit des von einer bedeutenden Anzahl fürstlicher und hochadliger Personen umgebenen Königspaars, unter welchen der Kurfürst Friedrich August von Sachsen, der Kurfürst Wilhelm von Hessen und dessen Sohn, der Kurprinz, Schwager des Königs, der Herzog von Coburg und dessen Tochter, die Großfürstin Constantin von Rußland, die beiden Schwestern der Königin, die Herzogin von Cumberland und die Prinzessin von Solms-Braunfels, und der Gemahl der Letztern die Blicke vorzüglich auf sich zogen.

Auch noch ein hoher Fürst kam, eingeladen von der holden Königin, und brachte ihr seine Huldigung dar; und trat er auch nur im schlichten Rocke in den Zauberkreis der königlichen Anmuth und Liebenswürdigkeit, und war er auch nur der Sohn eines armen Pfarrers, dennoch überstrahlte der Glanz seines Namens fast den der Hochgebornen; es war Jean Paul Richter, jener brillante Fürst des

  1. Sie ist überhaupt zehn Mal Mutter geworden.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_442.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2017)