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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

im Sonntagsschmucke, auf dem Gürtel den gestickten Namen, eilen geschäftig hin und wieder.

„Walli, ein Seidel, aber frisch!“

„Eben angesteckt,“ lautet es erquicklich, und bald schäumt der goldene Trank im blanken Glase vor uns, dessen Deckel mit einer freundlichen Gebirgslandschaft geschmückt ist.

In den Gastzimmern der Post zu Reichenhall kann dem Besucher die Zeit nimmer lang werden. Auf der Papptafel an der einen Thüre kann er die Sehenswürdigkeiten der Salinenstadt und Umgegend hinreichend kennen lernen. Die schönsten Punkte, Fernsichten, Alpenpartieen, Klamm’s stehen da schwarz auf weiß. Auf einer anderen Tafel findet er die Preise, um vermittelst Fuhre, Maulthier oder Esel nach dieser oder jener Partie befördert zu werden. Eine große Karte von Baiern an der Wand zeigt an, wie weit man von der Heimath und wie hoch oben im Baierlande man drinnen sitzt. Selbst die Telegraphentaxen sind nicht vergessen. Auch an sonstiger Lectüre ist kein Mangel. Man findet die Augsburger Allgemeine, in Südbaiern das tägliche Brod, die Münchner Nachrichten, die fliegenden Blätter, den Münchner Punsch, sowie das im Zugschwerdtschen Verlage erscheinende gut redigirte Reichenhaller Localblatt, die Grenzboten.

Das Seidel ist geleert, die Augsburgerin höchst oberflächlich durchblättert, die harmlosen Witze des Punsches und der Fliegenden sind belacht. Que faire? Neue Bekanntschaften anknüpfen? Die Gelegenheit ist nicht ungünstig. Nein, wieder hinaus in den herrlichen Morgen; durch Waldesgrün längs der rauschenden Saalach nach den gastlichen Arkaden von Kirchberg, wo man umgrünt sitzt von duftenden Matten, umarmt wird von bewaldeten Bergen und umrauscht von Silberbächen. Und ist’s Kirchberg nicht, dann bei der Brücke links abgeschwenkt zum Molkenbauer im kühlen Felsenthale, wo gegenüber der Röthelbach sich brausend vom hohen Lattengebirge stürzt.

Aber die Sonne wird immer brennender. Darum zurück zum Städtlein. Man wandelt die unterschiedlichen Bräu’s vorüber. Auf der Straße bereits unerträgliche Hitze. Wie schaut da der Blick so erquicklich in die dunklen kühligen, oft mit grünen Maien geschmückten Hausfluren, wo Baierland sitzt beim frischen Trunke und die Thonkrüge aneinander klirren!

Man kommt zur Traube. Hier ist’s mit der Resignation alle. Man muß erfahren, ob der Doctor die Wahrheit gesprochen. Man tritt in die kühle Unterstube. Der Doctor hat Recht. Nichts geht über sin gutes Theisendorfer.

Während dieser höchst angenehmen Beschäftigung, der Wahrheit des Doctors auf die Spur zu kommen, ist es Mittag geworden. In den Straßen die fürchterlichste Hitze. Es ist, als ob die Felsen zu einem Riesenbackofen umgeschaffen worden. Jetzt entsteht die Frage: Zu welcher der unterschiedlichen Kripplein sich wenden? Table d’hôte im comfortablen Speisesaale von Achselmannstein, unter gewählter Gesellschaft? Aber Comfort und gewählte Gesellschaft kann man in Europa überall haben. Oder Diner auf der Post? Oder in einem der unterschiedlichen Bräu’s? Nichts da! In’s Freie, in’s Grüne! Wo kann die Erdbeerkaltschale und der Kaiserschmarren besser munden, als unter den schattigen Linden im Löwengarten? Gedacht, gethan. Auch ist der Weg dahin nicht zu weit. Andere Leute scheinen dieselbe vernünftige Ansicht gehabt zu haben. Unter dem grünen Laubdach blinken bereits auf sauber gedeckten Tischen lustig Flaschen und Gläser. Speisen und Getränke delicat und nicht übertheuer. Man lebt wahrhaftig wie der liebe Gott in Frankreich.

Nach Tische schlendert man in die nahgelegene Leihbibliothek zur guten Madame Zugschwerdt und sucht sich eine leichte Lectüre für die Siesta. Zu Hause angekommen im freundlichen Stüblein mit der herrlichen Aussicht, haben die sorgsamen Wirthsleute bereits in den Morgenstunden die Jalousien geschlossen, um das Zimmer angenehm kühl zu erhalten. Man macht sich’s so bequem, wie immer möglich, streckt die Erdenhülle behaglich auf’s Sopha und erhält in der That einen Begriff, wie es dem lieben Gott in Frankreich zu Muthe ist. Ottilie Wildermuth, die liebenswürdigste der jetzt lebenden Schriftstellerinnen, führt uns in ihr grünes Schwabenland, in ein lindenumblühtes Pfarrhaus mit scharmanten Pfarrtöchtern. Die Geschichte ist nicht lang, aber erquickt. Dabei rauscht der Röhrtrog im Hofe so monoton, daß sich endlich das Haupt unwillkürlich auf das Kissen neigt und das holdeste Mittagschläfchen uns in seine Arme nimmt, während draußen die Julisonne erstickend auf Berg und Thal ruht.

(Schluß folgt.)




Die zoologischen Gärten.
Von Professor H. E. Richter in Dresden.

Die bevorstehende Gründung eines zoologischen Gartens bei Dresden hat, zunächst in unserem Vaterländchen, die öffentliche Aufmerksamkeit und Discussion wieder diesem an sich nicht neuen Gegenstande zugewendet. Dieselbe wird aber nächstens eine allgemeine werden, indem sicherem Vernehmen nach auch in Hamburg und Cöln (vielleicht bald in den meisten größeren Städten) solche Thiergärten entstehen werden.

Sie fragen, werther Freund, „warum ich mich so für diesen Gegenstand interessire?“ Nun, weil ich auf meinen Reisen die meisten derselben gesehen und davon den Eindruck mitgebracht habe, daß solch ein zoologischer Garten eine Zier und Ehre für die Stadt ist, welche ihn besitzt, und daß er der Bevölkerung ein hochzuschätzendes Element der Unterhaltung und Belehrung, der rein menschlichen und der wissenschaftlichen Bildung darbietet! – Erlauben Sie mir, Ihnen Einiges von den berühmteren Thiergärten, welche ich gesehen, zu erzählen, dann auf den projectirten Dresdner zu kommen und schließlich die Frage nach Werth und Bedeutung solcher zoologischer Gärten zu erörtern.



1. In London.

Wie billig beginnen wir mit dem Londoner, dem reichsten, ausgedehntesten, zierlichsten von allen, – dessen Besuch, neben all dem Merkwürdigen und Imposanten, was man in London sieht, wohl den meisten Reisenden lebenslängliche freundliche Erinnerungen hinterläßt. – Er liegt in einem der schönsten und vornehmsten Parks von London, dem Regent-Park. Ein gut Stück von dessen Wiesen- und Waldgrund ist zu diesem Zwecke der zoologischen Gesellschaft abgetreten worden; doch so, daß die eine Hauptallee (die den Park durchschneidende aa) längs des nur niedrig umzäunten Thierparks hinführt, die andere (den ganzen Park umkreisende bb) hingegen quer durch denselben hindurchführt. Letztere theilt ihn also in eine nördliche schattigere, und südliche sonnigere Abtheilung, welche beide durch einen unterhalb der Fahrstraße hindurchführenden Tunnel (cc) mit einander verbunden sind, welcher anmuthig mit natürlichem Felswerk und Schlingpflanzen verziert ist. Wenn die schöne Welt ihre Spazierfahrt um den Park macht, blickt sie von oben herab in den Thiergarten hinein, der zugleich durch seine Blumenbeete und Parkanlagen einen der anmuthigsten Ziergärten darstellt. – Die südliche Hälfte zerfällt wieder in einen freieren südwestlichen Theil (dd) und einen schattigeren nordöstlichen (ee). Ersteren bilden ausgedehnte Wiesengründe, auf denen die verschiedenen Hirsche, Rehe, Rennthiere, Lama’s, Strauße u. a. frei herumwandeln; dazwischen größere und kleinere Teiche, in und an denen zahllose Wasservögel, hier Schwäne, Enten, Gänse, Taucher, Regenpfeifer u. dgl., dort Kraniche, Störche, Reiher, dort wieder Seevögel u. a. m., wie in ihrem wilden Zustande leben.

In der zweiten Abtheilung begrüßt uns zunächst bei f. ein kleiner Glaspalast, welcher immer von Besuchern gefüllt ist: das Aquavivarium, die Sammlungen lebender Wassergeschöpfe enthaltend. Letztere schwimmen theils in Zinn- oder Glasbecken herum (wie Fische aller Art), oder lagern an deren Rande (wie die Krokodile und Alligatoren, natürlich nur kleine Exemplare!); vor Allem aber bergen die zahlreichen Glaskästen der Süß- und Seewasser-Aquarien eine Unzahl jener zauberisch niedlichen und wunderbar organisirten Geschöpfe, welche am Grunde der Gewässer, an Klippen etc. lebend, dem gewöhnlichen Publicum bisher fast ganz

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