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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Momenten ohnehin der lebende wie angewurzelt erscheint. Man glaubt in dem wunderbar gelungenen künstlichen Auge die Gier und Lust zu lesen, mit welcher der Hund den Wind in die schnüffelnde Nase bekommt, und es bedarf eben keiner lebhaften Einbildungskraft, um die Ruthenspitze des jagdgewohnten Thieres sich leise regen zu sehen. Alle Momente sind dabei aufgefaßt; den einen reißt es ordentlich herum, als bekäme er eben den Wind von seitwärts; dort geht Nimrod oder Castor, oder wie er sonst im Leben geheißen haben mag, höchst vorsichtig vor, wie den Befehl seines Herrn zum Einspringen erwartend. Und wie duckt sich Huhn oder Fasan vor dem vierbeinigen Jäger, wenn es nicht eben im Begriff ist, aufzustehen und herauszustieben!

Doch gehen wir weiter und betrachten die am meisten in die Augen springende Partie, nämlich die mit den Gemsen. Sie stehen zerstreut, etwas zu zerstreut, ohne recht eine Gruppe zu bilden, auf einem etwa 20–30 Fuß hohen, aus Gebirgsblöcken künstlich aufgethürmten Felsen, auf dem sich noch anderes Alpengethier, wie Schnee- und Haselhühner, Alpenhasen, Adler etc. befinden. Wie schon angedeutet, ist diese umfangreichste Zusammenstellung vom künstlerischen Standpunkte aus die am wenigsten gelungene; auch in der Charakteristik der Gemsen ist Manches verfehlt, z. B. daß sie zu dünn- und langhälsig, wie überhaupt zu langgestreckt erscheinen. Unten, am Fuße des Felsens, finden wir die Fischotter, den Fuchs mit Raub, der überhaupt immer vortrefflich charakterisirt vertreten ist. Ebenso charakteristisch ist auch die Welt der Vögel, namentlich das Volk der Raubvögel im Streite um den Fraß dargestellt. Den Preis aber verdient, was künstlerische Anordnung und Lebendigkeit anbetrifft, entschieden die den Mittelpunkt des Cabinets bildende Gruppe: ein Keiler, der von Wölfen angefallen worden ist und von dem einen gedeckt[1] wird, während der andere geschlagen[2] unter ihm liegt, aber nichtsdestoweniger von hinten den borstigen Recken in die Hessen[3] packt. Das Schwein ist ein kostbares Exemplar und in seiner Situation meisterhaft zur Geltung gebracht.

Mit weitgeöffnetem Gebreche und zornfunkelndem Blicke ist es von seinen heißhungrigen Gegnern zum Stehen gebracht, denen es jedenfalls noch unterliegen wird; dennoch liegt noch der Ausdruck all des todesmuthigen Trotzes in dieser urkräftigen Thiergestalt. Ein echter Streiter, der sich selbst im letzten Augenblicke nicht ergibt! Wilder Grimm und befriedigte Beutegier spricht sich in den vortrefflich gehaltenen Köpfen der Wölfe aus, sodaß sich das volle Leben des harten Kampfes vergegenwärtigt. Ob es thatsächlich ist, daß der Wolf, wie hier, gleich einem gut dressirten Hatzhunde das Schwein gekreuzt am Gehöre packt, und nicht, wie fast alle Raubthiere, das Opfer beim Genicke zu fassen sucht, um es möglichst schnell für sich unschädlich zu machen, muß ich dahingestellt sein lassen, da ich nie Gelegenheit hatte, Wölfe in dieser Action zu beobachten.

Schließlich wenden wir uns zu einem Cyklus humoristisch dargestellter Gruppen. Hier sind die Thiere vermenschlicht aufgefaßt und in solcher Art mit Kleidungsstücken angethan, sodaß eigentlich nur die Köpfe in ihrer ursprünglichen Gestalt zu sehen sind. Diese zeichnen sich durch komische Physiognomie und drollige Charakteristik aus, sodaß sie nicht verfehlen, das Publicum höchlichst zu unterhalten. So sieht man z. B. den Heuchler Fuchs dem ehrbaren, aber bornirten Hühnervolke gegenüber, oder die giftige, falsche Katze als kartenschlagende Zigeunerin einem Paar backfischiger, junger Häschenmädchen Unglück prophezeiend, in derselben Weise Kakadu, Affe, Hase, Hund und andere Thiere auf das Ergötzlichste zu komischen Gestalten und Situationen benutzt. Aus dem Gesagten geht hervor, daß die Ausstellung nicht eine rein wissenschaftlich angeordnete Reihenfolge bestimmter Thiergattungen bietet, sondern daß ihr Hauptzweck ist, das Leben und Treiben eines Theils der Thierwelt mit lebendiger Anschaulichkeit vor das Auge zu führen. Menagerien und zoologische Gärten gewähren zwar oft willkommene Gelegenheit, alle diese Thiere – und noch mehr – lebend zu sehen, dennoch hat diese Sammlung lebloser, aber künstlerisch belebter Gebilde den großen Vortheil vor jenen voraus, daß sie die geheimsten, sowie die leidenschaftlichsten Scenen aus der organischen Natur kennen zu lernen gestattet, während das wirklich lebende Thier sich im gefangenen Zustande selten in seiner ganzen Eigenthümlichkeit zeigt.

Knüpfen wir hieran den Wunsch, daß möglichst alle zoologischen Museen in dieser Art reformirt werden möchten, wenn es sich vorläufig auch nur auf das Neuhinzukommende erstrecken sollte. Dann erst würden die Museen als wirkliche Bildungsanstalten zu betrachten sein, die nicht nur das systematisch Wissenschaftliche zu fördern, sondern in’s volle Leben eingreifend zugleich den Schönheitssinn zu erwecken im Stande wären. Wie oft hat man früher Löwen und Tiger ausgestopft gesehen, die eher langgestreckten Sophas mit einer Art von Gesicht vorn und einem Schwanz hinten glichen, als edeln Thierkörpern; oder Bäre, die man befugt war, für Fußsäcke zu nehmen! Habe ich doch selbst einmal von dem Conservator eines Museums, als er gerade einen Hirsch ausstopfte, dessen Haut er zu einer nudelartigen Länge ausgedehnt hatte, die Versicherung erhalten, daß er von dem Princip ausgehe, in ein Fell so viel, als es zu fassen vermöge, hineinzustopfen, was bei einer präparirten, angefeuchteten und deshalb dehnbaren Haut allerdings etwas sagen will.

Mögen mir meine geneigten Leser diesen Excurs in das scheinbar Lebendige zu Gute halten. Später treffen wir schon wieder unter dem wirklich Lebenden am Waldsee zusammen.

Guido Hammer.




Die deutschen Demagogen-Untersuchungen.
I.

Der deutsche Bundestag hat nie den Vorwurf gehört, nach außen hin irgend welche Kraft gezeigt zu haben. Er hat die holländischen Beeinträchtigungen der Rheinschifffahrt mit demselben philosophischen Gleichmuth ertragen, den er später den dänischen Eingriffen in die urkundlichen Rechte deutscher Herzogthümer Jahre lang entgegen gesetzt hat. Dem deutschen Handel und den deutschen Kaufleuten im Auslande Schutz zu gewähren, ist ihm nie in den Sinn gekommen. Ebenso wenig läßt sich behaupten, daß diese angeblich nationale Behörde den nationalen Bedürfnissen der inneren Politik einige Aufmerksamkeit geschenkt habe. Alle die Fortschritte der neuesten Zeit, zu denen der Bundestag hätte die Anregung geben sollen, der Zollverein wie der Post- und Telegraphen-Verein, die immer noch nicht ganz erreichte Einheit der Münzen und des Gewichts wie die deutsche Wechselordnung, sind ohne den Bundestag, im Wege der freien Vereinbarung zu Stande gekommen. Mit dieser Thatenlosigkeit bei großen und nützlichen Dingen steht die rege Thätigkeit, die man in Frankfurt auf dem polizeilichen Gebiet entwickelt hat, im schlagendsten Gegensatze. So oft es sich um wahre deutsche Interessen handelte, ein abgelebter Greis mit völlig abgestumpften Sinnen, hat sich der Bundestag, sowie ihm die Interessen der Reaction an’s Herz gelegt wurden, jedes Mal in einen feurigen Jüngling verwandelt, der im Thatendrange über das Ziel hinausschießt. Würde eine Geschichte der höchsten deutschen Behörde in der Eschenheimer Gasse zu Frankfurt geschrieben, so müßte sie ihre Seiten fast ganz mit Maßregeln der Reaction füllen, und einen ganz besonders breiten Raum hätte sie den Einschreitungen gegen die Hochschulen und ihre sogenannten Demagogen zu widmen.

Daß gleich die erste politische Thätigkeit des deutschen Bundes in Verfolgungen berechtigter Aeußerungen des Volksgeistes bestand, und daß die Anregung, um nicht zu sagen Nöthigung, dazu von außen, von Rußland kam, ist nach zwei Seiten hin sehr bezeichnend. War es würdig, daß der einzige noch übrige Mittelpunkt der Nation sich von vorn herein zum Polizeiinstitute machte, und war es deutsch, daß er Winke des Auslandes dienstbeflissen befolgte? Wie man weiß, gab eine Denkschrift, die ein russischer Diplomat, der Moldauer Stourdza, an seinen Herrn richtete, das Zeichen zu jenem Hagelwetter von Gesetzen des Bundes und der einzelnen Regierungen, von Verordnungen und Maßregeln jeder Art, das aus heiterm Himmel auf die Hochschulen niederschmetterte.

  1. Gedeckt: so gehalten, daß das Schwein zum Stehen gebracht wird.
  2. Geschlagen: verwundet.
  3. Hessen: Fersensehnen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_317.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)