Seite:Die Gartenlaube (1860) 298.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Wenn wir über den Charakter des Hundes berichten: des Hundes, unseres treuesten, wahrsten, edelsten Freundes, des so oft verkannten, selbst unwissentlich oder unwillentlich geschmähten Thieres, so müssen wir nothwendig auch hervorheben, wie das Thier sich im innigen Umgange mit dem Menschen veredelt. Der Hund opfert sein ursprüngliches Wesen, seine Selbstständigkeit, kurz sich selbst dem Menschen auf und gibt im Umgange mit ihm Hunderte von Beweisen für seine Biederkeit, Klugheit und Gemüthlichkeit, während man bei den verwilderten Thieren derselben Art alle guten Eigenschaften des Hundes, etwa mit Ausnahme seiner Klugheit, kaum noch bemerkt. Im gezähmten Zustande ist der Hund das treue Abbild seines Herrn, im Guten wie im Bösen; und nur selten kommt es vor, daß ein Hund, welcher von edlen Menschen gut behandelt wird, einen schlechten Charakter besitzt. Ich kann aus eigener Erfahrung auch hierfür ein Beispiel erzählen. Mein seliger Vater besaß einst solch einen Hund; er war wachsam bei Tage und bei Nacht, zeigte sich aber im hohen Grade menschenfeindlich. Jeder Fremde wurde angemeldet und jeder Bettler mit solchem Zähnefletschen angebellt, daß man immer besorgt sein mußte, er werde den armen Menschen gefährliche Wunden beibringen. Wachsamkeit war die einzige Tugend dieses Hundes; im Uebrigen war er eins der häßlichsten Thiere, welche ich je gesehen habe. Sein grämliches Wesen hatte gar keine Grenzen. Wenn ihn ein Fremder ansah oder eines der Hausgenossen auf ihn zuging, knurrte er, und wenn ein Kind mit ihm spielen wollte, fuhr er nach ihm und biß es nicht selten so sehr, daß es laut aufschrie.

Das Merkwürdigste bei ihm war aber der Umstand, daß seine Folgsamkeit gegen seinen Herrn und seine Furcht vor ihm nur kurze Zeit nachhielt. Der Zorn überwältigte ihn zuweilen derart, daß er nach meinem Vater biß. Geschah dies, dann war es höchste Zeit, ihn abzustrafen. Er wurde mit einem Ringe seinen Halsbandes an einem an der Wand befindlichen Haken aufgehängt und tüchtig durchgeprügelt. Eine solche Züchtigung wirkte sehr wohlthätig auf ihn, die Furcht vor seinem Herrn kehrte wieder und machte ihn gehorsam: er schien wie umgewandelt. Allein dies dauerte nicht lange, nach vierzehn Tagen zeigte er schon wieder sein grämliches Wesen, und da dieses nicht zu bewältigen war, wurde er bald weggegeben.

Wie sehr steht das Betragen dieses Hundes der Gemüthlichkeit und Klugheit anderer entgegen? Ein naher Verwandter von mir hatte einen äußerst wachsamen Hund, welcher im ganzen Hause frei herum laufen konnte und bei Tage wie bei Nacht das geringste Geräusch durch Bellen anzeigte. Einstmals um Mitternacht kam dieser Hund laut bellend an das Schlafzimmer seines Herrn, kratzte an der Thüre, lief wieder fort und bellte unten. Bald darauf wiederholte er dasselbe Betragen; allein er wurde auch diesmal so wenig als das erste Mal verstanden. Er lief zum dritten Male fort, kam zum dritten Male wieder und kratzte lange Zeit laut bellend an die Thüre. Doch auch dieses Mal wurde nicht auf ihn gehört. Da lief er zum vierten Male fort und bellte unten wohl eine Viertelstunde lang.

Am andern Morgen zeigte es sich, wie klug der Hund gehandelt hatte. Am Fenster des Gewölbes war mit einem noch daneben stehenden Pfahl ein eiserner Stab umgebogen; und die Fußtritte unter dem Fenster zeigten deutlich, wie sehr sich die Diebe bemüht hatten, den Eingang zu eröffnen. Der Hund wollte dieses Verbrechen seinem Herrn anzeigen: deswegen bellte er vor der Thüre des Schlafzimmers, kratzte an derselben und lief fort, um zur Verfolgung der Diebe zu ermuntern, hatte jedoch durch sein Bellen Diese glücklich verscheucht. Sie waren eine Stunde weiter gegangen und hatten ein anderes Pfarrhaus, in welchem sich kein so wachsamer und kluger Hund befand, ausgestohlen.

Einen äußerst klugen Hund besaß mein verstorbener Freund, der Oberförster Heerwart in Wüstenwetzdorf bei Auma. Der Hund hieß Baskow, war ein ausgezeichneter Hühnerhund, stand sehr gut, suchte mit ebensoviel Geschick als Ausdauer und fing ein Reh, wenn es auch ganz leicht verwundet war oder wenn es, wie sich mein Freund ausdrückte, ein einziges Schrot hatte.

Einst bekam Heerwart ein lebendes junges Reh und zog es auf. Baskow erkannte sehr bald die Stellung, welche er gegen diesen kleinen Liebling seines Herrn einzunehmen hatte. Er verfolgte das Reh nicht nur nicht, sondern schonte es auf alle Weise, und ließ sich Alles von ihm gefallen. Das merkte sich der kleine Rehbock sehr gut. Sobald sein Gehörn zu wachsen anfing, band er mit dem gewaltigen Hunde an, ging auf ihn los und trieb ihn vor sich her. Seine grenzenlose Unverschämtheit veranlaßte ihn sogar, den Hund in seiner Hütte zu beunruhigen! Wenn unser Baskow ruhig darin lag, stellte sich der kleine Störenfried vor dieselbe und stieß mit seinen kleinen Spießen so lange auf ihn, bis jener seine Hütte verließ. Diese nahm dann der Rehbock ein und behauptete sie so lange, als er Lust hatte. Baskow fühlte sich dadurch sehr gekränkt, das zeigte sein ganzes Wesen; allein er bezwang seine Wuth, weil ihm seine Klugheit rieth, sich bei allen diesen Unbilden ruhig zu verhalten.

Dieser Baskow zeigte seinen Verstand auch auf andere Weise. Er bewachte z. B. das Eigenthum seines Herrn mit größter Sorgfalt. Wenn Heerwart in einen Gasthof der Umgegend kam, stellte er sein Doppelgewehr in einen Winkel und legte seine Jagdtasche daneben. Sogleich nahm der treue Hund auf dieser Platz und machte ein solches Gesicht, daß es Jedermann verging, sich ihm zu nähern. Einst zeigte er eine ganz besondere Klugheit. Sein Herr hatte seine Mütze weit von der Jagdtasche auf einen Tisch gelegt und das Zimmer verlassen. Der Hund sah fortwährend nach der Thüre, und als der Herr mit seiner Rückkehr verzog, lief er nach dem Tische, faßte die Mütze mit der Schnauze, trug sie in den Winkel und legte sie neben die Jagdtasche, offenbar in keiner anderes Absicht, als um sie in der Nähe zu haben und sie sicher bewachen zu können.

Der Schwiegersohn Heerwarts besitzt unter den drei von Letzterem geerbten Hunden einen Hühnerhund, welcher ebenfalls sehr klug ist. Er sucht, steht und apportirt nicht nur vortrefflich, sondern leistet auch im Innern des Hauses allerlei Dienste. Dafür sorgt er aber auch, daß er nicht Hunger leide, und thut dies auf sehr geschickte Weise. Wenn er nicht zur bestimmten Zeit sein Futter bekommt, nimmt er seinen Freßtrog, der in der Gesindestube steht, in den Rachen, trägt ihn, sobald die Thüre aufgeht, über die Hausflur, und sobald die Thüre vom Wohnzimmer des Herrn geöffnet wird, in dieses. Dort stellt er ihn vor seinen Herrn hin, und dieser läßt ihm dann auch sogleich seinen Futternapf füllen. Aber er sorgt nicht blos für sich allein, sondern zuweilen auch für seine Gefährten. Vor Kurzem, als sich sein Herr nicht im Erdgeschosse, sondern im ersten Stocke aufhielt, trug er alle drei Futternäpfe auf den obern Saal und stellte sie hin. Als sein Herr herauskam, sah er ihn mit einem bittenden Blicke an, um ihm zu sagen, daß noch keiner der andern Hunde sein Futter bekommen hätte.

Einen merkwürdigen Beweis von Gemüthlichkeit gab ein Hund, welchen der Pfarrer Oertel zu Trebnitz bei Roda besaß, vor einigen Jahren. Er lebte seit langer Zeit mit der Hauskatze in schönster Eintracht und widerlegte dadurch das Sprüchwort: „Sie leben wie Hund und Katze.“ In hohem Alter wurde die Katze ganz schwach und kränklich, und suchte die Wärme des Sonnenscheins zu genießen. Sobald sie den Glanz der Sonne bemerkte, verließ sie ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort, den Platz unter dem Ofen und ging, wenn sich die Thüre öffnete, hinaus auf den Hof, um sich im Sonnenschein zu wärmen. Allein ehe Jahr und Tag verging, wurde sie so elend, daß sie nicht mehr in den Hof kriechen konnte. Was that der Hund, ihr treuer Freund? Er lag nicht nur nach wie vor die längste Zeit ganz nahe neben der armen Katze, offenbar in der Absicht, sie mit seinem Körper zu wärmen, sondern er gab auch genau Achtung auf die Witterung. Sobald die Sonne schien, nahm der zärtliche Hund die Katze in die Schnauze, wartete, bis die Thüre aufging, und trug sie auf dieselben Stellen, welche sie früher aufgesucht hatte, um sie den Sonnenschein genießen zu lassen. Sobald jene Plätze in Schatten kamen, holte er sie wieder ab und trug sie an ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort, unter den Ofen. Sie ließ sich dieses liebevolle Betragen gern gefallen und bezeigte ihm ihre Dankbarkeit durch zärtliche, dankbare Blicke; und der Hund setzte diese Pflege der altersschwachen Katze bis zu ihrem Tode unermüdet und unausgesetzt fort.

Ein anderes Beispiel von der Freundschaft eines Hundes gegen eine Katze ist ebenso auffallend, vielleicht noch auffallender. Der verstorbene Rentamtmann Dreßler in Neustadt an der Orla besaß einen Hund und eine Katze, deren Eintracht oder vielmehr Zärtlichkeit allgemeine Bewunderung erregte. Einst befand sich der Medicinalrath Dr. Schellenberg aus Neustadt, welcher mir diese merkwürdige Geschichte erzählte, in dem Wohnzimmer des Rentamtmanns, wo Hund und Katze wie gewöhnlich unter dem Sopha lagen. Ein Fremder trat mit seinem Hunde in die Stube; der Hund

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_298.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)