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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

Welt, rund um die Erde herum zerstreut, haben sich nicht verloren, sind dem „Vaterlande“ nicht verloren, sondern haben alle, alle, wo nur einige Dutzende sich vereinigen konnten, in tausend Städten des weiten Amerika, in Sibirien, am Amur, in Moskau und Petersburg, in Smyrna, Athen und Constantinopel, in Rom und Turin, in Lissabon und Oporto, in London und Manchester und andern englischen Städten sich von ihrem größten Dichter zusammenrufen lassen und einen neuen Bund mit dem Vaterlande und seinen Einheitsbewegungen geschlossen.

Das Schillerfest im Krystall-Palaste in London war grandios und glänzend mit einer Schaar von etwa 14,000 Theilnehmenden. Wir erwarteten auch dauernde Wirkungen und Früchte davon. Die Krystall-Palast-Compagnie zahlte dem Comité ein Drittel der großen Einnahme. Damit ließ sich, wie allgemein gehofft ward, viel Gutes und Schönes begründen, wenigstens die „Schiller-Anstalt“ (deutsche Bibliothek, deutsche Vorträge, Concerte u. s. w.), die Dr. H. Beta schon beim Zusammentritt des ersten Comité’s am 11. October in ihren Grundrissen vorlegte. Aber die Vorbereitungen zum Feste und die Nachwehen, durch die Frechheit eines Vorsitzenden und nicht wieder loszuwerdenden Morgenländers in Mißstimmungen und Täuschungen auslaufend, unter Anderem in die, daß von der Einnahme nicht nur nichts übrig blieb, sondern auch noch nachgezahlt werden mußte, ohne daß jemals speciell Rechnung abgelegt ward, die Ängstlichkeit Anderer, die eine Schiller-Anstalt mit großem Namen und viel Capital haben wollten, verschleppten und tödteten die Anstalt. Nach vielen Wochen traten mehrere Deutsche wieder zur Bildung eines Schiller-Vereins zusammen und zwar ganz mit dem Zwecke und Plane der Schiller-Anstalt. Sie nannten gar keine Namen, geschweige große, forderten aber 300 Pfund, um anzufangen. Wie ich höre, sind zu diesem Zwecke von den 100,000 Deutschen in London fünf Pfund (von einem Einzigen) gezeichnet worden, außerdem etwa vierzig Pfund bedingungsweise von Comité-Mitgliedern. Beispielsweise führe ich an, daß Jemand fünf Pfund beizutragen versprach, wenn die 300 Pfund beisammen wären. In Manchester, mit nicht halb so viel Deutschen, fing man den Schillerverein beim Schillerfeste mit 600 Pfund an und erfreut sich seitdem der segensreichsten Wirkungen.

Die so zerstreuten und verstimmten Einheitsbedürfnisse der Deutschen in London suchen sich inzwischen nach andern Richtungen und in andern Formen geltend zu machen. Man arbeitet an der Begründung eines großen deutschen Central-Hotels, spricht von dem Baue einer deutschen Bierbrauerei (der Mangel an deutschem Bier hier hat große Schuld an deutscher Zerfahrenheit), und ein respectabler Verein „Erholung“ ruft deutsche Familien zu gemeinschaftlichen Abendessen und Bällen zusammen. Die mancherlei einzelnen deutschen Vereine haben durch das Schillerfest an Wärme, Zahl und Wirksamkeit zugenommen. Auch an einer politischen Vereinigung der Parteien zum Anschluß an die deutsche Einheitsbewegung wird jetzt gearbeitet. Manche Vertreter extremer politischer Richtungen haben bereits erklärt, daß sie dem großen Radical-Zwecke, der Einheit, alle sonstige Partei-Interessen freudig opfern würden, so daß wir Hoffnung haben, Republikaner und Royalisten, Demokraten und Constitutionelle in den einen großen deutschen Geist der Einheitbestrebungen verschmelzen zu sehen.

Auch das 38fach ertönende „deutsche Vaterland“ in einem der fashionabelsten Säle des Westendes war ein edler deutscher Einheitston vor einem gewählten englischen und deutschen Publicum, der Anfang eines „deutschen Concerts“, des ersten in London, veranstaltet von dem deutschen Ehrenmanne und Trombone-Virtuosen, Herrn Moritz Nabich, und durchweg gespielt und gelungen von deutschen Künstlern und Künstlerinnen ersten Ranges. Mit Herrn Nabich wirkten die Herren E. Pauer, Componist der Freiligrath’schen Schiller-Cantate, dem englische Anerkennung kurz darauf den Professortitel verlieh, Weiß, Pape, Svendsen und de Becker, die Damen Rudersdorff und Weiß, lauter Namen, die seit Jahren in London geehrt sind und auf englischen Concert-Programms glänzen. Wir wollen hier kein Concert-Referat liefern, sondern den Abend des 21. Februar in London nur als eine schöne, volle Blüthe deutscher Kunst und Cultur, deutschen Einheitsbedürfnisses, deutscher Anerkennung vor dem englischen Publicum verzeichnen und hinzusetzen, daß Herr Nabich und seine deutschen künstlerischen Freunde diesen Abend als den Anfang anderweitiger deutscher Kunstgenüsse betrachten, die demnächst dem Schillervereine zu Gute kommen sollen.

Musik, die schöne, flüssige Kunst, Stimmungen hervorzurufen, zu erwärmen, zu veredeln und zu beleben und diese im Leben zu fixiren, auszubauen (weshalb Jean Paul die Baukunst „gefrorne Musik“ nennt), hat in der Posaune des Herrn Nabich gewiß einen gewaltigen Baumeister gefunden, dem bereits vor Jahren die höchsten Autoritäten musikalischer Kritik, Spohr in Deutschland, Berlioz in Paris, Balfe in London etc. erste Preise ihrer Anerkennung zusprachen. Freilich das große Publicum, obgleich auch an jenem Abende ungemein enthusiastisch, muß erst lernen, verwöhnt wie es ist durch Virtuosen-Künste, diese Kunst des reinen, weichen, gesungenen Tones, der jeder Kraft und Stimmung, vom leisesten Hauche bis zum Todte erweckenden Mozart’schen „dies irae“-Donner, fähig ist, verurtheilsfrei und mit Verständniß zu würdigen. Nur solche Musik kann zur Baukunst gefrieren. Wir hoffen, daß die Nabich’sche Posaune Material zur „deutschen Vereinshalle“ in London liefere.




Ein nützliches Buch. Die Hunderte kleiner und großer Bedürfnisse des häuslichen Lebens erfordern nicht nur mancherlei Wissen, sondern auch ein vielseitiges Können, wenn wir nicht alle Augenblicke abhängig sein wollen von dem berufsmäßigen Beistande Anderer. Wer auf dem Gebiete des Könnens erfahren ist, steht in seinem Hauswesen weit selbstständiger und gesicherter da, als Andere, die sich in den tausend kleinen Verlegenheiten des Lebens „nicht zu helfen wissen.“ Ein überaus brauchbarer Rathgeber zur Erlangung dieser Unabhängigkeit ist das jetzt lieferungsweise in dritter Auflage erscheinende „Hauslexikon, herausgegeben unter Mitwirkung namhafter Gelehrter und Techniker von Dr. Heinrich Hirzel“ (Leipzig, bei Breitkopf und Härtel). Erfreute sich schon die erste und zweite Auflage des großen Beifalls, auf welchen der Name des Herausgebers Professor Dr. Fechner im Voraus die gerechtesten Ansprüche begründete, so erfreut sich die dritte Auflage erheblicher Vorzüge, welche neben der Vortrefflichkeit der Artikel das große Verdienst des Herausgebers sind, der die Redaction und den Plan des Ganzen mit musterhafter Umsicht leitet und für die chemischen und viele damit verwandten Artikel auch der befähigtste Verfasser ist. Nicht leicht können wir daher unseren Lesern und namentlich auch den Hausfrauen unter unseren Leserinnen ein nützlicheres Buch empfehlen, als das „Hauslexikon“, welches in keiner Hauswirthschaft fehlen sollte. Von den achtzehn Lieferungen (zu 20 Sgr.) sind bisher sieben erschienen. Neuerdings hat die Buchhandlung von F. A. Brockhaus in Leipzig durch ein „illustrirtes Haus- und Familien-Lexikon“ eine Mitbewerbung begonnen, welche jedoch trotz der Illustrationen dem Hirzel’schen Buche weit nachsteht und namentlich an Ungleichmäßigkeit und Planlosigkeit leidet, wenn wir auch den einzelnen Artikeln ihren Werth nicht absprechen wollen. In dem erschienenen ersten Hefte des zweiten Hauslexikons sind auf Seite 1–80 (Aachener Bäder – Accent) nur 33 Artikel, während derselbe Buchstabenumfang (Aal–Acceptation) auf 30 Seiten 63 Artikel im Hirzel’sehen Hauslexikon darbietet. Beim Aufschlagen des Brockhaus’schen Lexikons möchte man glauben, es sei auf ein naturwissenschaftliches Lexikon abgesehen, denn billig wundert man sich in einem „Handbuche für das praktische Leben“, wie es sich im Prospectus nennt, einen 8 Seiten langen Artikel über „Aasgeier“ mit 4 Holzschnitten zu finden, die, nebenbei gesagt, sehr uncorrekt und schlecht gedruckt sind. Eben so wenig erwartet man hier Abbildungen chirurgischer Instrumente, wie im Artikel „Abbinden.“




Kluge Gänse. In einem früheren kleinen Beitrage für die Gartenlaube bat ich die Leser dieses vortrefflichen Blattes, mir allerlei kleine Geschichten und Anekdoten aus dem Thierleben zusenden zu wollen, um mich dadurch in den Stand zu setzen, dieselben einem großen Leserkreise mittheilen zu können. Nachstehende verbürgte Thatsachen darf ich als Ergebniß dieser Bitte betrachten. Ich verdanke ihre Mittheilung einem Manne, welcher längst bekannt geworden ist im Vaterlande, wenn auch nicht als fleißiger, aufmerksamer Beobachter der Natur, wie ich ihn kenne. Möchten doch noch Andere bald seinem Beispiele folgen und derartige Züge aus dem Thierleben, welche auf die geistige Wirksamkeit der Thiere ein so helles Licht werfen, sammeln und veröffentlichen oder mir zur Veröffentlichung übergeben! – Diesmal mögen Beobachtungen hier Platz finden, welche der Redensart „dumme Gans“ ihren so oft mißbrauchten Stachel einigermaßen abstumpfen werden.

Dumme Gans! Ja wohl! wenn man die Gans auf dem festen Lande watscheln sieht und sie dann und wann den Kopf schief hält, gewährt sie den Anblick einer in sich vollendeten Dummheit. – Daß aber Schlauheit sich recht gut mit Dummheit verbinden kann, dafür dient folgendes Geschichtchen zum Beleg. In unserm Dorfe, in K., sitzt im Thorweg des obern Gasthofs seit undenklichen Zeiten immer eine Obsthökerin. Eine Gans sah eines Tags die schönen Aepfel im Korb und wurde lüstern danach. Sie faßte Muth, trat keck an den Korb, wollte einen Apfel stehlen, wurde aber erwischt und bekam einen Schlag auf den Kopf. Sie schlich betrübt von dannen. Aber – sie kehrte bald zurück, drückte sich an die Wand des Gasthofs und schlich langsam dem Thorweg näher. An der Ecke stand sie still. Plötzlich fuhr sie mit ihrem langen Hals herum, blitzschnell in den Korb hinein, packte einen Apfel und eilte mit ausgebreiteten Flügeln von dannen. Aus einem Hause, das dem Gasthofe gegenüberliegt, und das einen Seitenflügel des fürstlichen Schlosses bildet, hatte mein Vater die „schlaue Gans“ beobachtet, und wer die Gans „dumm“ schalt, der mußte sich von ihm die Geschichte der schlauen Gans erzählen lassen, er mochte sie anhören wollen oder nicht.

Herr Baron von M. auf St. ritt einst durch ein Dorf. Zufällig bemerkt er, wie eine Gans nach einem Riemen in die Höhe springt, der an einer Thüre hängt. Sie packt den Riemen, die Thür geht auf und die Gans wackelt in das Haus hinein. Der Beobachter reitet auf das Haus zu, fragt der klugen Gans nach und erfährt, daß dieselbe wahrscheinlich durch einen Zufall entdeckt hat, daß die Thür aufgeht, wenn an dem Riemen gezogen wird; seitdem pflegte die Gans ihr Kunststück täglich zu üben.

Ich kann diesen Geschichtchen noch eine unserer Beobachtungen beifügen, welche ebensosehr für die Klugheit der Gänse spricht. Sie betrifft einen Gansert, welcher außerordentlich gern naschte und namentlich in den Getreidefeldern seine Lüsternheit zu befriedigen suchte. Natürlich wurde er und die übrigen Gänse regelmäßig bald vertrieben, gewöhnlich vermittelst eines Hundes, welcher seine Pflicht vortrefflich erfüllte. Die Gänse lernten das ihnen feindselige Thier sehr bald kennen und fürchten, und es kam bald so weit, daß sie sich augenblicklich auf die Flucht begaben, wenn dem Hunde gerufen und er aufgefordert wurde, die Näscher zu verjagen, während sie sonst doch bei anderem Lärm ganz ruhig fortweideten. Beweist nun dieses schon die Schlauheit der Thiere, so beweist sie das Betragen des einen Ganserts noch viel mehr. Derselbe entfloh nämlich keineswegs mit seinen Genossen, sondern duckte sich so tief zwischen die Halmen des Getreides, daß er den Blicken vollkommen entschwand, blieb hier ruhig liegen und fraß weiter. Ja, zuletzt trieb er sein Versteckenspielen so weit, daß er auch die ihm geltenden Lockungen verachtete und selbst die Dorfgänseheerde an sich vorübertreiben ließ, ohne sich zu rühren. Erst wenn er gänzlich sicher zu sein glaubte, zeigte er sich wieder. – Nun spreche mir noch Einer von dummen Gänsen!

Dr. Brehm.


Für „Vater Arndt“

gingen bis heute bei Unterzeichnetem aus Leipzig ein: 5 Thlr. von Prof. Bock – 1 Thlr. L. Hofmann – 3 Thlr. Adolf Gumprecht – 1 Thlr. Dr. Steger – 1 Thlr. A. Bernsdorf – 3 Thlr. Adv. Gelbke – 1 Thlr. A. Abel – 10 Thlr. E. Keil – 1 Thlr. B. Senff – 15 Ngr. Alfred Keil – 1 Thlr. eine deutsche Frau – 4 Thlr. Alex. Wiede.

E. Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_176.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)