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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

„Schon als Graf von Helfenstein“ – fährt nun Zimmermann fort – „mit seinen anderen Rittern von Stuttgart nach Weinsberg hinabritt, hatten sie alle Bauern, die ihnen unterwegs begegneten, aufgegriffen und erwürgt. Bei seiner Ankunft im Weinsbergerthale fand der Graf, daß bereits, mit Ausnahme von Eberstadt, alle Dörfer des Amtes dem hellen Haufen zugefallen waren. Als die Bauern von Lichtenstern auf Neckarsulm zogen, am Charfreitag, 14. April (1525), forderten sie Weinsberg und die Ritter darin auf, in ihre christliche Brüderschaft zu treten. Während der Graf mit den Bauern unterhandelte, um Zeit zu gewinnen, bis die erwartete Hülfe von Stuttgart käme, unterließ er es dennoch nicht, mit seinen Reitern „den ganzen Tag über ob den Bauern zu halten, und ihnen Abbruch zu thun, so viel ihm immer möglich war.“ Er that sich aus Weinsberg, fiel hinten in den Haufen in den Nachtrab, erstach und beschädigte ihnen Viele, wodurch der Haufen der versammelten Bauernschaft erzürnt und bewegt wurde.

„Zugleich kam Botschaft von der Donau, wie der Truchseß (Georg von Waldburg, oberster Hauptmann des schwäbischen Bundes) senge und brenne und gegen die gefangenen Bauern blutig verfahre, von der Hinrichtung des Bauernhauptmanns, Meister Jakob Wehe’s, zu Leipheim, von dem Blutbad, das er die Donau hinauf unter ihren Brüdern angerichtet habe, von dem übermüthigen Blutdurst, den er überall gegen die Bauern zeige. Nicht abschreckend, sondern zur Wuth reizend wirkte die Sage von den siebentausend bei Wurzach Ermordeten, welche die Herren mit absichtlicher Uebertreibung ausstreuten, als abschreckende Siegesbotschaft. Die Hauptleute der Bauern betrachteten ihre Sache als einen gerechten Krieg des Volkes gegen die Herren, sie wollten auf dem Kriegsfuß behandelt sein, nach Kriegsrecht und Art. Weder der Truchseß, noch der Graf von Helfenstein, der während der Unterhandlungen ihre Brüder niederstach, achteten das Kriegsrecht gegen sie, die Bauern. Es schien nöthig, die Herren dazu zu zwingen, zu zwingen durch Repressalien, die zugleich eine Blutrache für den frommen Wehe, für die hingerichteten Hauptleute ihrer Brüder zu Leipheim und Langenau, für die Hingeschlachteten zu Wurzach, für die so eben auf dem Zug durch’s Weinsbergerthal während des Unterhandelns Erstochenen wären.

„Es war Verhängniß, daß Graf Ludwig von Helfenstein und Dietrich von Weiler, der Obervogt von Bottwar, der mit ihm in Weinsberg befehligte, diese Blutrache selbst auf sich herbeiziehen sollten.“

Wir übergehen hier die Unterhandlungen zwischen den Führern der Bauernschaft und dem Obervogt und dem Bürgermeister von Weinsberg, welche letztere nur verächtliche Antworten ertheilten. Das Nähere hierüber lese man in Zimmermann’s Werke selbst nach, und nur das Eine mag hier noch bemerkt werden, daß auf Dietrich von Weiler’s Befehl auf die Abgesandten der Bauern, die vor dem Thorhause von Weinsberg wegen einer Unterhandlung erschienen waren, gefeuert und einer derselben schwer verwundet wurde.

„Die Bauern“ – fährt Zimmermann fort – „standen während dieser Verhandlung in drei Haufen ruhig, aber in Schlachtordnung. Voran Florian Geyer mit der schwarzen Schaar; hinter ihm ein zweiter Haufen; die große Zahl der Bauern hielt noch gegen Erlenbach und Biswangen hin. Die Schüsse von der Mauer und dem Thorhause, welche einen der Gesandten blutig niederwarfen, waren das Signal; Florian Geyer mit dem schwarzen Haufen bewegte sich vor die Burg; der Haufen hinter ihm eilte vor die Stadt hinab, und der ganze große Haufen, der noch gegen Erlenbach und Biswangen hin stand, eilte im Sturmschritt heran.

„Auf der Ebene von Erlenbach schon hatte ein „schwarzes Weib“ den Segen über das Bauernheer gesprochen.

„Als eine ganz eigenthümliche Gestalt im Bauernheere ragte die Böckingerin hervor, die man unter dem Namen der „schwarzen Hofmännin“ in der ganzen Gegend kannte. Der Volkskrieg dieser Zeit hatte auch seine Heldinnen; und klebt ihr auch Blut und Grausen an, und scheint sie der Menschlichkeit fast wie der Weiblichkeit entwachsen, den Ruhm der Heldin hat selbst die Parteileidenschaft durch treue Aufbewahrung der Acten der schwarzen Böckingerin eher gerettet, als geraubt.

„Der Glaube ihrer Zeit und ihrer Umgebungen schrieb ihr geheime Kräfte zu: Zauberkünste, Segens- und Bannsprüche, einen Wahrsagergeist. Sie war des Bauernführers Jakob Rohrbach’s Freundin, Rathgeberin, Helferin, sein Sporn und sein mahnender Geist; oft stärkte sie ihn, wenn er wankend werden wollte: „er solle seines Vernehmens nicht nachlassen, Gott wolle es!“

„Den Adel haßte sie furchtbar. Was diesen Haß, diesen Durst nach Rache in der Brust dieser gewaltigen, leidenschaftlichen Bäuerin veranlaßte, ist unbekannt; sie ruhte nicht, bis sie das Landvolk unter den Waffen sah. Auch die Städter haßte sie, und besonders die stolzen Städterinnen von Heilbronn. Man hörte sie sagen, sie wolle noch den gnädigen Frauen die Kleider vom Leibe abschneiden, daß sie gehen wie die berupften Gänse. Sie trug es schwer, daß die Heilbronner den schönen Wasen zwischen Böckingen und der Stadt sich zugeeignet hatten, der lange gemeinschaftlich gewesen war. Sie klagte laut, „die von Heilbronn haben ihr und einer armen Gemeinde zu Böckingen das Ihrige gewaltsam genommen; das müssen und wollen sie jetzt denselben wieder abnehmen.“

Die Eroberung von Weinsberg ist bekannt. Wenn wir die Einnahme durch die Bauernhaufen und die von ihnen daselbst verübten Blutthaten bei unsern Lesern voraussetzen müssen, wenn wir unser Auge mit Abscheu von den schrecklichen Scenen abwenden, welche die von bitterem Grimm erfüllten Bauern nach errungenem Siege aufführten, zu dem zunächst Florian Geyer mit seinem schwarzen Haufen durch Eroberung des Schlosses das Meiste beigetragen, wenn wir der Ermordung des Grafen von Helfenstein, der mit dreizehn seiner adligen Genossen von den Bauern durch die Spieße gejagt wurde, nicht ausführlicher gedenken und unsere Leser abermals auf Zimmermann’s treffliches Werk hinsichtlich der Einzelheiten verweisen: so geschieht es nur, weil diese Episode zunächst nur dem Wirken Florian Geyer’s im großen Bauernkriege gilt.

„Nach Eroberung der Stadt“ – erzählt Zimmermann weiter – „verbrachte der Haufen mit Plündern, mit Trinken und Essen die Vormittagsstunden, und dabei ging das alte Welfenschloß in Flammen auf. Die Obersten aber saßen zusammen und hielten Kriegsrath. Darin stellte Florian Geyer den Grundsatz auf, man solle alle festen Häuser ausbrennen, und ein Edelmann nicht mehr denn eine Thüre haben, wie ein Bauer. Die Andern hatten kurz zuvor den Satz angenommen, daß alle Klöster abgethan werden, die Mönche backen und reuten müssen, wie die Bauern. Jetzt wollen sie zuerst auf Heilbronn ziehen und die Stadt in ihre Verbrüderung bringen, damit der Haufe vom Neckarthal von dieser Seite gesichert wäre; dann wollten sie durch das Mainzische auf Würzburg losgehen und, sei dieses gewonnen, alle Domherren, Pfaffen und den geistlichen Fürsten hinausjagen. Florian Geyer sah darin der Sache noch kein Genüge. Er glaubte, wenn das Volk frei werden sollte, müsse der Adel wie die Pfaffen den Bauern gleich gemacht werden, daß nur ein Stand würde auf deutschem Boden, der Stand der Gemeinfreien. Er erkannte es als eine Halbheit, nur die geistlichen Herren beseitigen zu wollen. Zwei Bäume waren es in seinen Augen, vor denen die junge Pflanze der Volksfreiheit nicht aufkommen konnte; er wollte beide zugleich umgehauen wissen, und nicht blos umgehauen, sondern entwurzelt, daß keiner ein Schoß mehr triebe. Darum drang er auf Zerstörung aller Herrensitze, der weltlichen wie der geistlichen. Florian Geyer war einer von den Wenigen, die im Bauernheere wußten, was sie wollten; und als er den Rittermantel ablegte und sein Schwert in die Schale des Volkes warf, wußte er, daß es ein Trauerspiel sein müsse, worin er jetzt mitzuspielen sich entschlossen hatte; aber er wollte nicht nur einen Act, sondern das ganze Trauerspiel, den Sturz nicht nur einer Seite der Herrschaft, sondern des, ganzen Herrenthums. Nur für die Freiheit des Ganzen war er, das Glied eines freien Standes, von diesem, der Ritter von der Ritterschaft, abgefallen. – –

„Nach der Blutthat von Weinsberg wird Florian Geyer’s Name nicht mehr im Bauernrathe genannt, und er trennt sich mit seiner schwarzen Schaar von dem hellen Haufen, an dessen Spitze einer der Schreckensmänner im Bauernheere, Jäcklein Rohrbach, stand.

„Florian Geyer hatte bisher, er hatte zuletzt bei der Erstürmung des Weinsberger Schlosses seine Tüchtigkeit bewährt, er war die eigentliche militairische Intelligenz im Haufen; in seiner schwarzen Schaar verlor der helle Haufen seine besten Kriegsleute, in Florian Geyer selbst nicht blos das einzige kriegsverständige Haupt, sondern den tüchtigsten, treuesten und redlichsten Führer, wie sie nie mehr einen bekommen konnten. Mit seinem Abgang war der Riß eröffnet, der sich von nun an zwischen den Unternehmungen des hellen Haufens und des großen fränkischen Heeres zum unberechenbaren Nachtheile der Volkssache zeigt.“

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