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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)

No. 2. 1860.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Aus dem Gedenkbuche der Gartenlaube.
Aus einem Briefe vom 12. December dieses Jahres.
Das (Schillerfest) war doch gottlob einmal eine Weltvolksfeier über Berge und Meere hinaus, ein schönes Einheitszeichen.
Wir müssen ja in Hoffnung auch der Zeiten warten, wo der deutsche Held kommen, der mit Scepter und Schwert unsere Jämmerlichkeit – ich meine unsern politischen Jammer – zusammenschlagen und die politische Zerrissenheit des Vaterlandes heilen kann.
Bonn, 12. December 1859.  In deutscher Treue Ihr
E. M. Arndt.


Isolde.
Novelle von Karl Frenzel.


1.

In dem weitläufigen Park war dies der stillste und lieblichste Platz – schattige Buchen umschlossen ihn ganz, und zwischen ihren Stämmen wuchs üppig wuchernd, jetzt leise im Wind bewegt, das Gebüsch empor; dahinter lagen die Hecken, das schirmende Gitter; hart an der Grenze zwischen Garten und Feld ragte ein mächtiger, vom Blitz gespaltener Baum in drei kahlen, blatt- und zweiglosen Stämmen mit weißgrauschimmerndem Holz auf, weit sichtbar über die ganze breite Fläche hin, die sich bis zu dem Graben und den Pappelreihen der höher gelegenen Landstraße ausdehnte.

Auf der steinernen halbrunden Bank inmitten dieses verschwiegenen Raumes, zu dem die Sonnenstrahlen in der späten Nachmittagsstunde sich nur einzeln stahlen, wie lang gezogene goldene Fäden auf grünem Grunde spielend, ließ sich gut träumen und mit sich allein sein – das Wohlgefühl einer süßen, ungestörten Einsamkeit, diese Hingabe an die leisesten Wallungen der Seele mochte auch die sonst so strenge und abgemessene Haltung Isoldens gelöst, ihrer Hand das Buch entzogen haben; sie lag halb zurückgeworfen, den Kopf auf den Arm gestützt, die langen Wimpern über die Augen gesenkt, wachend und träumend zugleich …

So verklangen ihr fast die Schritte, die jetzt den Laubgang herauftönten, in das Säuseln und Rauschen der Blätter, bis endlich in Reisekleidern, ein wenig bestäubt, am Ausgang des Pfads ihr gerade gegenüber ein junger Mann erschien und sie, das Auge aufschlagend und ihn mit einem Blick erkennend, wild aufschreiend, ihm die Hand entgegenstrecken wollte und doch nicht konnte und wie vor einer wunderbaren Erscheinung erstarrt in ihrer Stellung blieb. Auch er kam erst nach geraumer Weile ihr einen Schritt näher, trotz seines Grußes Verlegenheit und Enttäuschung im Gesicht.

„Diese Störung, meine Gnädigste –“ und in seiner Stimme bebte der Unmuth über dies Zusammentreffen nach – aber nun hatte sie sich schon gefaßt und während sie mit der Hand nach ihrem Buche griff, dankte sie ihm mit leichter Verneigung, sodaß es ihm schien, als wolle sie ihm damit zugleich die Umkehr nicht anbefohlen, doch angedeutet haben. Das verletzte und reizte ihn. Wer war diese hochmüthige, wie er jetzt erkannte, nicht einmal hervorragend schöne Dame, die ihn hier, auf diesem Boden, wie einen Fremden behandelte?

„Sie werden mein Eindringen entschuldigen,“ sagte er darum, „wenn ich Ihnen gestehe, meine Gnädige, daß ich an diesem Platze Niemand oder, wenn Einen, nur Clemens Arnheim erwartete.“

Sie sah hoch auf, aber ihr Gesicht ward nur kälter und strenger – „Hier? Herr Clemens von Arnheim?“

„Ja, und da ich ihn hier nicht treffe, werde ich ihn im Schloß aufsuchen müssen. Noch einmal, Vergebung.“ Damit wandte er sich, allein sie war schon aufgestanden.

„Er ist nicht im Schloß.“

„Nicht im Schloß? Aber ist heute nicht der erste Tag des September?“

„Gewiß.“

„Und doch nicht hier? O Freundschaften, Jugendschwüre! Leicht wie Liebeseide trägt Euch die Welle des Daseins dahin?“

Ein zornig bitterer Zug flog über seine sonst offenen und sanften Züge, er zerknitterte seinen braunen Hut in den Händen und schien minutenlang in seinem Schmerz die Dame an seiner Seite vergessen zu haben. Sie betrachtete ihn mit Neugierde, voll Theilnahme, und als er zuletzt ausbrach: „Sie sehen, welch’ kindische Komödie ich aufführe, weil ich an Jugendfreundschaften geglaubt,“ meinte sie sanft: „Nicht doch! Der erste September ist noch nicht zu Ende, und Herr von Arnheim kann noch in dieser Stunde eintreffen. Er verweilt seit einigen Wochen in der Hauptstadt, seine Geschäfte mögen ihn aufgehalten und er darüber die bestimmte Stunde versäumt haben. Ich bitte Sie wenigstens bis Mitternacht im Schloß zu verweilen und es einmal mit seiner Langenweile und Einsamkeit zu wagen, um so herrlicher strahlt dann nachher Ihre Treue.“ Und zum ersten Male, seit sie mit ihm sprach, spielte ein Lächeln um ihre Lippen.

Der Zauber, der sie jetzt umfloß, berührte auch ihn. „O wenn Sie wüßten, wie Jahre lang, fünf lange Jahre hindurch, diese Stätte hoch und heilig in meiner Erinnerung gestanden! Nie

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_017.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)