Seite:Die Gartenlaube (1859) 340.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)


ruhig gehen, und es wird Ihnen selbst sein sehr lieb; bestehen Sie aber darauf, daß ich soll offen machen den Mantelsack, so wird es Ihnen gewiß sein sehr unlieb.“

Ohne auf den jammernden Juden zu achten, hob der Aufseher mit Hülfe eines Schützen den schweren Mantelsack auf die Erde und verlangte die Oeffnung desselben mit so dringenden Worten und Gebehrden, daß Feibes niederkniete und das kleine Vorlegeschlößchen wirklich öffnete, indem er für sich hinmurmelte: „Die Herren werden es bereuen, sie werden wünschen, daß sie Gehör gegeben hätten den Worten von Feibes Itzig.“

Mit eifriger Hast half der Aufseher dem Geschäft des Oeffnens nach, und die Uebrigen beugten sich alle über, um den Inhalt des Mantelsacks zu sehen. Aber wer malt die Verzerrung in den Zügen des Aufsehers, wer die verblüfften Gesichter des Obercontroleurs und des Officiers, wer den Zorn Winrich’s, wer die dumme Verwunderung der Schützen?

„Was ist es?“ hatte der Obercontroleur gefragt, indem er sich tief niederbückte, aber er fuhr zurück, wie von einer Schlange gebissen.

„Verdammter Jude,“ brach die Wuth des Aufsehers los, „was soll das sein?“

„Was soll es sein, Herr Grenzaufseher, als Pferdemist?“ „Also wirklich?“ stotterte der Obercontroleur, „es ist also wirklich“

„Pferdemist!“ rief der Aufseher, sich die Finger reinigend, die er voreilig etwas mit dem Inhalt des Mantelsacks beschmutzt hatte. Dann sprang er auf und faßte, außer sich vor Zorn, den Juden an der Brust mit den Worten: „Wie kannst Du Dich unterstehen, infamer Kerl, königliche Beamte so zum Besten zu haben?“ Feibes hatte keinen Augenblick den unterwürfigen Ausdruck seines Gesichtes verloren, aber indem er von unten herauf lauernde Blicke von Einem zum Andern gleiten ließ, brach unter dieser Maske eine so satanische Bosheit hervor, daß der Aufseher fast wahnsinnig wurde, während die übrigen Betheiligten sich sehr dumm unter einander anblickten. Der Jude machte sich ohne sichtliche Anwendung von Gewalt, aber mit weit größerer Kraft, als man ihn, zugetraut hätte, von den Händen des Aufsehers los und sagte mit seinem demüthig jammernden Tone:

„Gott’s Wunder, was wär’ mir das? Erst soll ich einführen Contrebande, und dann soll ich mir herausnehmen, die königlichen Herrn Beamten zum Besten zu haben? Herr Obercontroleur, Sie werden nicht leiden, daß mich der Herr Aufseher, von dessen Zorn ich doch nicht verstehe die Ursache, beschädigt, und Sie, Herr Officier, rufe ich an als einen Befehlshaber der bewaffneten Macht, daß Sie nicht einem unschuldigen Mann, der seine Steuern richtig bezahlt, zufügen lassen ein Leid. Ich rufe aber alle anwesenden Herren an als Zeugen, wenn ich mich vor Gericht beklagen muß wegen angethaner Gewalt, und noch dazu geschehen von Jemand, welcher handelt im königlichen Dienst.“

Der Aufseher war durch die letzten Worte hinreichend eingeschüchtert, um seinen Angriff nicht zu wiederholen, sein Vorgesetzter aber sagte: „Das kann ja ein Kind begreifen, Feibes Itzig, daß Sie uns einen boshaften Possen gespielt haben.“

„Was nenn’ ich einen boshaften Possen? Ist das ein boshafter Possen, daß ich hinübermache mit meinem Roß nach Quendelheim, um mir Pferdemist zu holen von da für meine raren Topfgewächse? Was kann ich dafür, daß in Eversburg nicht zu haben ist guter Pferdemist? Und meine Gewächse in den Töpfchen sind etwas Rares und etwas Schönes; wenn ich mache für sie den weiten Weg, um zu haben einen guten Dünger, so spiel’ ich höchstens einen Possen mir selbst und nicht andern Leuten, am wenigsten königlichen Beamten, vor denen ich habe den höchsten Respect, und mit denen ich noch zu machen denke manches hübsche Geschäftchen. Kann ich nun gehen meiner Wege, oder wollen die Herren noch mehr zu thun sich machen mit dem Pferdedünger?“

„Gehen Sie zum Teufel! Wir sprechen uns wohl ein ander Mal wieder.“

„Soll mir immer sein ein großes Pläsir und eine mächtige Ehre, Herr Obercontroleur.“

Mit verbissenem Lachen halfen zwei Schützen den Mantelsack wieder aufladen, der Jude setzte sich auf, grüßte demüthig mit seinem Hute und entfernte sich mit den Worten: „Ich empfehle mich den Herren sämmtlich und wünsche Ihnen eine gute Verrichtung, als Sie doch wahrscheinlich vorhaben ein wichtiges Geschäft und viel- leicht zu machen denken einen großen Fang!“

Die Zurückbleibenden waren so kleinlaut, daß sie, mit Ausnahme einiger Flüche und Verwünschungen, sich für jetzt über den Vorfall nicht weiter aussprachen, sondern die Postenkette einzogen und den Rückweg antraten. Schellenberg namentlich war über alle Begriffe ärgerlich, er sprach darum kein Wort, nahm von den Steuerbeamten einen nur flüchtigen Abschied und sagte erst beim Wolfsgrund, als Winrich sich von ihm trennte, mit verbissenem Zorn: „Sie haben uns eine schöne Suppe eingebrockt, denn Sie sind Veranlassung geworden, daß unser ganzes Detachement sich lächerlich gemacht hat; ich gebe von nun an für seine Wirksamkeit keinen Schuß Pulver mehr. Wenn die Unannehmlichkeit auch zunächst und vorzugsweise nur mich trifft, so sind doch Ihre eigenen Pläne und Aussichten nun auch gründlich verhagelt.“

Winrich erwiderte mit einer Mischung von Traurigkeit und Zorn: „Es ist uns allerdings ein bitterböser Streich gespielt worden, aber ich bitte Sie, Herr Lieutenant, seien Sie nicht zu unwillig gegen mich; ich mache denen, die uns so arg hinter’s Licht geführt haben, meine Gegenrechnung, oder ich will diesen Rock nicht länger tragen.“



V.

Die Stimmung Schellenberg’s und der Steuerbeamten wurde nicht gebessert durch die Nachricht, welche sich mit glaubwürdiger Sicherheit verbreitete, daß genau zu derselben Zeit, als die ganze Mannschaft die Gegend um den Kniebrech besetzte, eine Meile weiter ein großer Transport von Waaren durch eine zahlreiche Schaar von Schmugglern über die Grenze geschafft worden sei. Der Dienst wurde von den Aufsehern und Schützen verdrossen fortgeführt; wenn auch diejenigen Pascher, die sich in den nächsten Tagen etwa hätten betreten lassen, gewiß keine Schonung zu erwarten hatten, so lähmte doch ein allgemeiner Unmuth die Energie der Maßregeln, und namentlich Schellenberg mußte sich sagen, daß er trotz des besten Willens den übernommenen Auftrag keineswegs in anerkennenswerther Weise ausführe. Da verlangte ihn Winrich, der in diesen Tagen fast tiefsinnig den Kopf hatte hängen lassen, allein zu sprechen, und mit mehr Zuversicht und Selbstvertrauen, als er seither gezeigt, begann er: „Ich glaube, Herr Lieutenant, ich habe eine Spur!“ „Hat Ihnen Henriette wieder eine Mittheilung gemacht?“

Eine kleine Empfindlichkeit unterdrückend, erwiderte Winrich: „Allerdings ist die Henriette mit im Spiele. Sie war außer sich vor Verdruß, daß sie Veranlassung gewesen ist, uns in die Dinte zu bringen, mir meine hübschen Pläne zu verderben und Ihnen, Herr Lieutenant, Unannehmlichkeit zu bereiten. Ihr erster Gedanke ging darauf hinaus, daß der Schurke von Müller mit Absicht ihr die Geschichte vom Juden Feibes mitgetheilt hat, weil er ihr Einverständniß mit mir merkte und darauf rechnete, daß sie’s mir wiedersagen würde. Das Ganze war also ein wohlangelegter Plan, um an einer andern Stelle Waaren sicher über die Grenze bringen zu können, und sie haben den Plan auch pfiffig genug ausgeführt. Offenbar handelte der Müller nicht aus sich selbst, sondern in fremdem Auftrag. Nun hat die Henriette nicht eher geruht, sie hat so lange auf jeden Schritt und Tritt des Müllers gelauert, bis sie herausgebracht hat, daß er in heimlichem Verkehr mit dem Juden Feibes Itzig steht, daß Botschaften zwischen ihnen hin und her gehen, daß der Jude sogar zu Zeiten in der Nähe des Waldhofes herumschleicht, um geheime Zusammenkünfte zu halten.“ „Das ist Alles ganz richtig, Winrich, und ungefähr so habe ich mir auch die Sache zusammengereimt, aber ich sehe nur nicht ein, wie uns das im Geringsten dazu helfen kann, die Scharte auszuwetzen, die wir durch dieses Complot erlitten haben.“ „Hören Sie nur weiter, Herr Lieutenant. An den geheimen Zusammenkünften nimmt auch Jemand Theil, von dem Sie es gewiß nicht erwartet hätten.“

„Nun, wer denn?“

„Ihr Hauswirth Marx.“

„Marx?“ rief Schellenberg überrascht, und ein unwillkürliches Erschrecken durchlief ihn.


(Fortsetzung folgt.)

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_340.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)