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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

Nicht selten ließen sie sich hoch oben an der Wand hören, wohin kein Arm reichen konnte, oder in einer offenen Thür, oder vier bis fünf Füß von einem Menschen entfernt. Auch sind sie manchen Personen auf Schritt und Tritt gefolgt und haben sich sogar hören lassen, wenn das Medium im Wasser saß oder wenn dessen Füße zusammengebunden waren, wohl auch auf einem Federkissen ruhten oder durch eine Glasplatte vom Fußboden isolirt waren. Aber manchmal habe ich auch herausgebracht, daß das Medium die Töne fabricirte.

„Also Bauchrednerei konnte möglicherweise immer noch im Spiele sein; wir wollten dahinter kommen und stellten deshalb Gefäße mit Quecksilber hin, an welchem auch die leiseste Schwingung beobachtet werden konnte. Nachdem ich dann manche Woche lang alle möglichen Prüfungen versucht hatte, kamen die Klopfer zu mir, als ich im Bette lag und kein anderer Mensch im Zimmer sich befand. Zuerst hörte ich, wie sie am Fußboden pochten, als ich eben im Liegen ein Buch las. Das wird wohl eine Maus sein, dachte ich, aber sogleich ging das Geräusch auf eine andere Stelle über, und zwar so rasch, wie eine Maus sich nimmermehr bewegen kann. Dann kamen sie mir deutlich, gewiß und wahrhaftig an meinen Leib, namentlich auf den Schenkel. Ich dachte: das kann ein Nervenzucken sein. Ich setzte mich also im Bette aufrecht und entblößte das Bein völlig; in der einen Hand hielt ich die brennende Lampe ganz in die Nähe des Beines, paßte genau auf, stellte allerlei Versuche an, legte z. B. meine linke Hand platt auf die Stelle, wo ich den Klopfer verspürte, und dann war er auf der Hand und nicht mehr auf dem Schenkel. Als ich die Hand seitwärts auf das Bein hielt, ging die Kraft, oder wie ich sonst die Sache benennen soll, durch meine Hand wieder auf den Schenkel über und machte sich dabei in jedem Finger bemerklich. Als ich die Hand etwa drei Zoll vom Beine entfernt hielt, hörte plötzlich die Berührung auf, begann aber sogleich wieder, sobald ich die Hand ganz wegzog. Nun meinte ich, daß etwa der Magnetismus meiner Hand alle diese Erscheinungen hervorrufe. Aber als dieser Gedanke eben in mir aufstieg, begann ein arger Rumor auf allen meinen Gliedern, und das so deutlich und mit einer solchen Schnelligkeit, daß es in der That höchst wunderbar erschien; es lief mir vom Schenkel bis in die Zehenspitzen auf und ab, und einige Mal so stark, als ob ich gestoßen worden wäre.

„So ging das Ganze wohl eine halbe Stunde lang fort; ich kam aber während dieser Zeit zu der Ueberzeugung, daß die Klopfer intelligent seien und bei ihren Bewegungen die Einwürfe entkräften wollten, die ich in meinen Gedanken ihnen machte; denn ich äußerte während aller dieser Vorgänge auch nicht ein Wort. Endlich löschte ich meine Lampe aus und legte mich zum Schlafen nieder. Da verließen sie meine Beine, gingen auf andere Körpertheile über und klopften ganz zart meine linke Seite, während ich einschlummerte. Nun erhob sich aber noch die Frage, ob es sich bei alle dem nicht etwa um eine unbekannte Macht handele, die einer eigenthümlichen sterblichen Organisation angehören und deren Einwirkung unterworfen sein konnte. Aber die „Kraft“ kam oftmals, wenn sie vom Medium gar nicht verlangt wurde, und blieb aus, wenn man auch noch so dringend nach ihr verlangte. Sie erschien, wenn es ihr gefiel, und nicht, wenn Andere es wünschten. Nach etwa zwei Jahren machte ich meiner Gesundheit halber eine Reise nach Central-Amerika, wo ich drei Monate, fern von der Aufregung der Cirkel (der Kreise, in welchen man sich mit den Klopfgeistern befaßte) verweilt und in völliger Ruhe Alles noch einmal geprüft habe. Und ich fand, daß es sich um ein großes System handelte, um einen intelligenten Vorsatz, und der Glaube daran drängte sich unwiderstehlich auf, mir selbst zum Trotz. Seitdem steht unwandelbar in mir die Ueberzeugung fest, daß die Geister der Abgeschiedenen mit uns in Verbindung stehen.“

Das sind die Geständnisse des Richters Edmonds, und wir dürfen nicht den mindesten Zweifel hegen, daß dieser Mann ehrlich und fest von dem durchdrungen ist, was er sagt. Es hat etwas Rührendes, wenn er weiter äußert, daß er seiner Ueberzeugung wegen vielerlei Ungemach erfahren habe. Früher sei er in den Kreisen, in welchen er verkehrt, mit Auszeichnung behandelt worden, dann aber habe man ihn nicht nur gemieden, sondern verabscheut, und auch jene, welche ihm am liebsten gewesen, hätten sich mitleidig oder widerwillig von ihm abgewandt, so daß er höchstens noch geduldet werde. „Aber trotz alle dem bin ich auch nicht ein einziges Mal in meiner Ueberzeugung wankend geworden, und jetzt stehe ich vor meinen Nebenmenschen, um als Zeuge Kunde von Erscheinungen und Offenbarungen zu geben, die von jenseit des Grabes kommen. Darum hört! Die Stimme kommt aus dem Jenseits und bringt frohe, entzückende Kunde.“

Unsere heutigen Geisterseher haben, gleich jenen in früheren Zeiten, einen starken und sehr verzeihlichen Hang, sich mit den großen Männern der Vergangenheit in Verbindung zu setzen, und in Berlin, wo man gern fromme Seelen und biblische Charaktere heraufbeschwört, lebt ein solcher Spiritualist, der mit dem alten Moses gleichsam auf Du und Du steht, ihn häufig in Rath nimmt und sich mit ihm nicht in altegyptischer oder hebräischer Sprache, sondern im besten Müller-Schulze-Deutsch höchst gemüthlich über alle häuslichen Angelegenheiten unterhält, auch guten Rath entgegennimmt; in Nordamerika spricht dagegen Moses ein Yankee-Englisch und in Paris hat er sich völlig die Sprache der vornehmen Salons angeeignet. Wenn aber Moses drei neuere Sprachen versteht und redet, so leidet es wohl kaum einen Zweifel, daß er auch die übrigen Hunderte von Sprachen redet, welche auf Erden vorkommen; denn im Geisterreiche wird doch kaum ein Zunftprivilegium für die New-Yorker, Berliner und Pariser anzunehmen sein.

Die Amerikaner machen sich, wie begreiflich, sehr viel mit ihren hervorragenden Landsleuten zu schaffen, und Richter Edmonds erzählt uns sehr ausführliche Sachen über William Penn, der ihm einst offenbarte: „Seitdem Sie als Knabe aus Muthwillen eine junge Katze todtgeschlagen haben, bin ich Ihr Schutzgeist gewesen.“ Die Schutzgeister spielen überhaupt eine große Rolle bei den Spiritualisten. Jener berlinische Freund des alten Moses besitzt einen solchen, welcher sich ihm als Fritz zu erkennen gegeben hat und auf diesen Ruf allemal erscheint, etwa wie ein Pudel auf den Ruf Karo. Dieser Fritz führte denn oft Klage darüber, daß der Italiener Mazzini ihm überall in die Quere komme und seine besten Absichten durchkreuze. Penn scheint einen so maliciösen Gegner nicht zu haben, denn er offenbarte dem Richter in sehr sanftem Tone, daß er seit jenem Katzenmorde ihn stets umschwebt, von manchem Fehltritte abgehalten und in seinem Widerwillen gegen die Negersclaverei bestärkt habe. Es ist überhaupt merkwürdig, wie sehr die amerikanischen Geister mit den politischen Streitfragen der verschiedenen Parteien verflochten sind. Bei einem Sclavenhalter im Süden würde Penn dergleichen nicht äußern dürfen. Es scheint, als ob die Geister sich sehr hüten, es mit irgend einer Partei zu verderben. Daß sie gern Rede und Antwort stehen, wissen wir schon. Sehr häufig wird der große Naturforscher Isaak Newton vorgefordert, und dem Richter Edmonds hat er ein ganz capitales Orakel ertheilt, dessen Deutung wir freilich den Physikern überlassen müssen. Er sagte nämlich: „In der Geisterwelt bin ich davon überzeugt worden, wie sehr ich im Irrthum war, als ich die Anziehungskraft der Gravitation für ein verschiedenes und substantives Princip hielt; denn in Wahrheit ist dieselbe doch nur die Wirkung einer Bewegungscombination; die Bewegung ist ein Princip, welches alle geschaffenen Dinge durchdringt, und eine ihrer Wirkungen ist die Gravitation.“ Vortrefflich gesagt und gewiß ungemein klar – für Geister!

Nicht weniger bezeichnend ist die Erläuterung, durch welche wir erfahren, wie Edmonds dazu gelangte, mit den Geistern zwanglos umzugehen. „Mir war die Versicherung gegeben worden, daß im Verkehr mit ihnen gar nichts Uebernatürliches liege, denn es sei weiter gar nichts, als ein Ergebniß des Fortschreitens der Menschheit. Nun, ein solches müßte doch wohl einem allgemeinen Gesetz unterthan sein, und darauf wurde mir entgegnet, daß dem allerdings so sei. Nun fragte ich: Können wir denn den Verkehr mit Geistern nicht eben so leicht begreifen, wie die Elektricität oder den Magnetismus? und das wurde mir (von einem Geiste) bejaht. Ich forschte dann viel nach, weil ich die Sache erlernen wollte, kam aber bald dahinter, wie schwierig das sei, denn ich verstand nichts von den Naturgesetzen; ich fragte indessen nach, ob kein Buch vorhanden sei, durch welches ich zu einem Verständniß derselben gelangen könne.“ Und ein Geist war so gütig, den wißbegierigen Richter auf die Werke hinzuweisen, welche unser Baron von Reichenbach über Od und Magnetismus geschrieben hat.

Natürlich ließ Edmonds auch seine ihm theuren Verstorbenen heraufkommen, er sah sie, wie er sagt, mit seinem geistigen Auge so deutlich, wie mit seinem leiblichen; er ist ein „Medium“ und zwar ein hochbegabtes. Sie erschienen, inmitten anderer, ihm nicht bekannter Geister, in strahlenden Gewändern und mit heiteren Mienen;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_330.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)