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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

darin längere Zeit aufbewahrt und zum Trinken, zur Bereitung von Speisen und dergleichen verwendet werden soll. Diese Unlöslichkeit des Blei’s in den meisten Quellwässern und seine Löslichkeit in reinem Wasser läßt sich in folgender Weise erklären: das Schnee- oder Regenwasser enthält neben mechanisch verdichtetem Sauerstoff auch Kohlensäure; durch ersteren wird die Bildung von Bleioxyd bedingt, das sich mit der Kohlensäure verbindet; diese entstandene Verbindung ist zwar in reinem Wasser unlöslich, aber nicht in solchem, das Kohlensäure enthält; ist diese auch aus dem Wasser gänzlich von dem Bleioxyd angezogen worden, so ist sie doch stets in der mit dem Wasser in Berührung stehenden atmosphärischen Luft enthalten, woraus sie fortwährend von jenem angezogen wird und so die Lösung des kohlensauren Bleioxydes veranlaßt. Da nun aber mit der Lösung des kohlensauren Bleioxydes immer neue Oberflächen des metallischen Blei’s bloßgelegt werden, so können auch fortwährend Sauerstoff und Kohlensäure, – die stetig von dem Wasser aus der atmosphärischen Luft angezogen werden – darauf einwirken und neue Lösung verursachen. Der bekannte Toxikolog Orfila erzählt einen Fall, wo aus sechs Trachten Wasser, die zwei Monate lang (an der atmosphärischen Luft) in einer Bleiwanne standen, vier Loth kohlensaures Bleioxyd erhalten wurden.

Die gewöhnlichen Quellwasser enthalten hingegen meist Schwefelsäure mit Basen (mit Kalk zu Gyps) verbunden; sie veranlassen zwar auch wegen ihres mechanisch verdichteten Sauerstoffes an dem mit ihnen in Berührung stehenden Blei die Bildung von Bleioxyd; dieser zieht aber sogleich die Schwefelsäure zu einer in Wasser unlöslichen Verbindung an, welche das Blei so dicht überzieht, daß keine weitere Einwirkung des in dem Wasser oder in der atmosphärischen Luft enthaltenen Sauerstoffes auf das Metall stattfinden kann.

Bei der Zubereitung unserer Nahrungsmittel kommen fast stets Kochsalz, in vielen Fällen Säuren, wie namentlich im Essig und in den verschiedenen säuerlichen oder sauer werdenden Pflanzensäften, und nur mitunter basische Körper, nämlich das Ammoniak bei der Käsebereitung oder bei der Zurichtung des im ersten Stadium der Fäulniß übergehenden Fleisches, in’s Spiel. Wir dürfen dabei in keinem Falle Gefäße von Blei (oder solche, die mit einer bleihaltigen Glasur überzogen sind) in Anwendung bringen, denn bei der größten Sorgfalt und Reinlichkeit kann es nicht vermieden werden, daß Blei gelöst und das Nahrungsmittel in ein schneller oder langsamer wirkendes Gift verwandelt wird. Ist aber schon die Zubereitung der Nahrungsmittel in Bleigefäßen sehr gefahrdrohend, so ist es noch mehr die längere Aufbewahrung derselben in solchen Gefäßen und es bietet oft dem Chemiker nur geringe Schwierigkeiten, aus nicht großen Quantitäten solcher zubereiteten oder aufbewahrten Nahrungsmittel durch geeignete Mittel und Wege das aufgenommene Blei selbst in metallischer Beschaffenheit auszuscheiden. Ja selbst beim Aufbewahren trockener oder halb trockener organischer Substanzen in Blei, wie z. B. des Thee’s oder Schnupftabacks in Bleifolie, wird das Metall nach und nach angegriffen und zwischen jene übergeführt. Besonders aber wirken noch die fettigen Körper, nämlich die Oel-, Fett- und Talgarten auf das Blei ein und lösen dasselbe schon bei gewöhnlicher, noch mehr aber bei erhöhter Temperatur in bedeutender Menge, indem jene unter dem Einflusse des atmosphärischen Sauerstoffes in besondere Säuren übergehen, die die Lösung des Blei’s ungemein begünstigen. Benutzen wir auch mitunter das Blei, um fette Oele zu bleichen, so dürfen wir doch die zum Verspeisen dienenden Oele niemals in bleiernen Gefäßen aufbewahren, noch weniger aber in solchen erhitzen, denn die entstehenden Verbindungen zwischen den Fettsäuren und dem Bleioxyd sind in dem noch vorhandenen unveränderten Oel oder Fett ungemein leicht löslich und machen dieses zu einem wahren Gift.

Ist es auch bei gewerblichen Beschäftigungen mitunter nicht zweckdienlich, Gefäße von Blei durch solche aus anderen Materialien zu ersetzen, so müssen doch in den Haushaltungen alle Koch-, Speise- und Trankgeschirre, so wie überhaupt alle Geschirre, wie Gemäße, Trichter, Hähne u. s. w., aus Blei verfertigt, gänzlich verbannt sein. Ja selbst solche Gegenstände von Blei, die nur oft durch die Hände gehen, können bei nicht gehöriger Reinlichkeit nachtheilige Einwirkungen auf den menschlichen Organismus ausüben, indem durch den an den Händen haftenden Bleiüberzug andere Gegenstände und selbst Speisen leicht verunreinigt werden. Wir müssen in dieser Beziehung insbesondere vor den aus Blei oder bleireichen Legirungen verfertigten Spielwerkzeugen für Kinder warnen, indem diese beim öfteren Antasten die Finger mit einem dünnen Bleiüberzug verunreinigen, wodurch diese beim Einbringen in den Mund, was bei den Kindern doch sehr häufig der Fall ist, den Bleiüberzug an die Zunge abgeben und theils durch die Aufsaugung, theils durch die Lösung und das Eindringen in den Magen nachtheilige Folgen verursachen müssen. Die Soldatenspielzeuge von Blei und die kleinen bleiernen Küchengeräthschaften für Kinderküchen mögen nicht selten die Ursache von dem oft ganz unerklärlichen Hinsiechen der Kinder sein.

Wie in allen anderen Fällen, so wird auch beim Blei seine Empfänglichkeit für den Sauerstoff und die Löslichkeit in gewissen Flüssigkeiten durch die Vermehrung seiner Oberfläche, d. h. durch seine geringere oder größere Zertheilung erhöht. Eine lothschwere Bleikugel hat nicht so viel Oberfläche, als ein Loth Bleischrot und dieses nicht so viel, wie eine gleiche Gewichtsmasse Bleipulver, weshalb dieses weit leichter von dem Sauerstoff angegriffen wird, als das Bleischrot und dieses wiederum leichter, als die Bleikugel. Sind die lösenden Flüssigkeiten in hinreichender Menge vorhanden, so verschwindet das Bleipulver ziemlich rasch, das Bleischrot weit später und die Bleikugel erst nach sehr langer Zeit. Dieses müssen wir bei einigen häuslichen Beschäftigungen noch ganz insbesondere beachten. So findet sich in vielen Haushaltungen, Wirthschaften und Weinhandlungen der Gebrauch, das Bleischrot beim Reinigen der Flaschen als reibendes Hülfsmittel zu verwenden. Dieser Gebrauch ist nur dann ohne Gefahr, wenn die Innenfläche der Flaschen ganz eben ist und keine Stellen hat, wo sich Schrotkörner entweder wegen Verengerung absetzen oder wegen Glasblasen abreiben können. Gewöhnlich haben aber die Glasflaschen, namentlich die sogenannten Weinflaschen, am Boden eine durch das Eindrücken desselben veranlaßte Verengerung, in welche sich beim Schütteln derselben mit Wasser und Bleischrot letzteres oft so fest einsetzt, daß es beim Umstürzen der Flaschen nicht herausfällt. Wird den so behandelten Flaschen nicht die gehörige Aufmerksamkeit gewidmet und irgend eine säuerliche Flüssigkeit, wie Wein, Bier, kohlensäurehaltiges künstliches oder natürliches Mineralwasser, Essig u. s. w. darauf gefüllt, so wird jedes sitzengebliebene Bleischrot davon nach und nach angegriffen und selbst gänzlich aufgelöst, dadurch aber die darin befindliche Flüssigkeit zu einem schwächeren oder stärkeren Gifte gemacht. Wir haben selbst Gelegenheit gehabt, einen aus dem Handel auf Flaschen bezogenen Wein schon durch den Geschmack so bleihaltig zu finden, daß er Widerwillen erregte, erhielten bei der chemischen Untersuchung die Gewißheit von gelöstem Blei und fanden bei der Beaugenscheinigung der Flasche eine Partie Schrotblei so fest am Boden derselben eingezwängt, daß sie nur beim Zerbrechen herausgenommen werden konnte und sich allseitig angefressen zeigte. Wir glauben auch, daß der von vornherein angedeutete Fall des Sterbens mehrerer Personen nach dem Genuß von Wein nicht durch eine absichtliche Behandlung desselben mit Blei – wie leider früherhin häufig der Fall war – sondern durch eine solche Reinigung der zu seiner Aufbewahrung dienenden Flaschen veranlaßt worden ist, und können diese Ansicht um so mehr hegen, als nicht sämmtliche Genossen des betreffenden Gastmahles durch Weinvergiftung zu leiden hatten.

Ist aber schon die Reinigung der Glasflaschen durch Bleischrot sehr gefahrdrohend, so ist es noch vielmehr die der irdenen Flaschen, da hier selbst die größte Aufmerksamkeit in Betreff der Beseitigung des Bleischrotes nutzlos ist. Die irdenen Flaschen haben nämlich eine so rauhe Innenfläche, daß sich das darin mit Wasser in Bewegung gesetzte Bleischrot abreiben muß und eine so behandelte irdene Flasche zeigt beim Zerbrechen die Innenfläche der Bruchstücke wie mit Graphit (Ofenschwärze) überzogen. Das so abgeriebene Blei bietet nun den auf solche Flaschen zu füllenden Flüssigkeiten eine sehr große Oberfläche dar und wird deshalb um so rascher gelöst; schon nach kurzer Zeit weiß dann der Chemiker in den Flüssigkeiten, wenn sie nicht bereits den eigenthümlichen Geschmack der gelösten Bleiverbindungen in auffallendem Maße besitzen, das Blei bestimmt nachzuweisen und das Innere der Flaschen erscheint bald frei von dem Bleiüberzug. Bei Flaschen aus Glas, die blasige Stellen besitzen, findet beim Reinigen mit Bleischrot eine ähnliche Erscheinung, wenn auch nicht so verbreitet, statt; die blasigen Stellen werden nämlich durch die Gewalt des in Bewegung gesetzten Bleischrotes nach innen hin zerdrückt und es treten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_081.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)