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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Beredsamkeit eine nachdrücklichere Mahnung durch einen Silberrubel verleiht. Ob diese Bestechlichkeit bei dem oft großartigen Umfange und Betriebe des Schmugglerwesens nicht noch weiter heraufreichen, ob sie nicht gerade in den untern Sphären oft an falscher Stelle angebracht sein und deshalb zu einem unglücklichen Ausgange des Unternehmenn beitragen mag, hierfür spricht eine von den laufenden Anekdoten, die über das russische Bestechungswesen im Beamtenthume existiren.

Im Winter des Jahres 1846–47, der noch bei uns in schrecklichem Andenken stehenden Hungerzeit, schickte die preußische Regierung einen Commissarius nach Rußland, um dort Korneinkäufe zu ermöglichen. In irgend einem kleinen russischen Neste, das an Polizei- und Sicherheitsbehörden keinerlei Mangel litt, sah dieser sich Geschäfte halber veranlaßt, einige Stunden zu verweilen und schickte zum Visiren seiner Pässe dieselben auf das dortige Polizeiamt. Die Zeit seiner Abfahrt war längst herangenaht, doch befand sich der preußische Rath noch immer nicht im Besitze seiner Legitimationpapiere, die ihm von Seiten des unteren Polizeipersonals unter allerlei vorgeschobenen Gründen vorenthalten wurden. Auch er bequemte sich, einige Rubel in die Hand der russischen Bureaubeamten gleiten zu lassen, doch wurde darum die Sache nicht besser und der Herr Regierungs-Commissarius fand sich genöthigt, wie es dem reisenden Privatmanne in Rußland so oft passirt, die Fortsetzung seiner Reise aus diesem Grunde aufzuschieben und die Nacht in dem russischen Marktflecken zuzubringen. Am folgenden Morgen wollte er seinen Forderungen ein nachdrücklicheres Gehör verschaffen, und in der Uniform eines preußischen Landwehr-Officiers stattete er, im gerechten Bewußtsein seiner offiziellen Würde, dem russischen Polizeimeister einen Besuch ab und begehrte in eindringlicher Weise seine Pässe. Der russische Polizeichef nahm die Erörterungen des preußischen Raths und Landwehr-Lieutenants höchst zuvorkommend entgegen; bedauerte, daß ohne sein Vorwissen diese Verzögerung herbeigeführt worden sei, und versprach, in kürzester Zeit die Papiere zu visiren. Beim Hinausbegleiten seines Besuches konnte er jedoch nicht umhin, diesem in gebrochenem Deutsch zuzuflüstern:

„Sie haben meinen Schreibern gestern für ihre Mühewaltung einige Rubel gegeben, hätten Sie mir dieselben zukommen lassen, würden Sie sofort Ihre Papiere erhalten und schon gestern haben abreisen können.“

Die stürmischen Herbst- und Winterabende, während der Regen oder Schnee die Fenster peitscht, sind ganz besonders für die Schmuggler zu ihren gefährlichen Unternehmungen geeignet. In Trupps von zehn bis zwanzig, ja auch dreißig Mann, je nachdem die Größe des Waarentransportes, sieht man sie auf heimlichen Schleichwegen die preußische Grenze überschreiten. Rußland hat, um dem Schmuggelhandel durch Terrainschwierigkeiten auch Hindernisse in den Weg zu legen, seine an der preußischen Grenze belegenen kolossalen Forsten soviel als möglich abholzen lassen, und so gewähren denn die mit Steinen bepflanzten Flächen, die unbebaut daliegen, einen tristen Anblick. Mit schwerem Gepäck den Rücken beladen, wenn sie es nicht im Laufe des Geschäfts dazu gebracht haben, aus seinem Erlöse sich ein kräftiges litthauisches Bauernpferd als Packträger für ihre Waaren anzuschaffen, ziehen die Pascher ihrem gefährlichen Vorhaben, ohne durch seinen etwaigen unglücklichen Ausgang sich abschrecken zu lassen, kalten Blutes entgegen. Jeder von ihnen trägt ein scharf geladenes, noch mit einem Feuerschloß versehenes Gewehr, wenn nicht eben der eine oder der andere bei einem der häufigen Kämpfe, die sie zu bestehen haben, sich ein russisches Militairgewehr erbeutet hat. Die Ladung ihrer Flinten besteht meist aus Stücken grob gehackten Blei’s und ich selbst habe früher manchmal die Tragweite und Zielfähigkeit einer solchen alten Muskete, die einem erfahrenen litthauischen Schleichhändler angehörte, der in unserem Dorfe wohnte, an den Saatkrähen auf unseren Feldern ausprobirt. Wie manchem russischen Grenzsoldaten mochte das Gewehr schon das Lebenslicht ausgelöscht haben, das ein steter Begleiter seines Besitzers auf dessen nächtlichen Streiszügen war. Johann B––, dies war der Name des litthauischen Schmuggelbauern, erzählte, so oft ich ihn auch zu Mittheilungen über seine Erlebnisse drängte, nicht gern von seinem Gewerbe und beschränkte sich meist nur auf Allgemeines, das, was meine Feder eben hier erzählt. So erfuhr ich denn von ihm, daß der Verdienst per Mann während einer Nacht zwei bis drei Silberrubel und darüber noch betrage. Erwägt man, daß die Schmuggler meistens mit ihren Waarentransporten sich erst an jüdische Unterhändler in Rußland wenden müssen, um sie feil zu schlagen, so bietet das Geschäft an und für sich immer einen höchst lucrativen Gewinn, lohnend genug jedoch noch immer nicht, wenn man bedenkt, mit welchen Gefahren und Verlusten es verknüpft ist.

Nach einem so enormen Verdienste sollte man annehmen, daß unter den Schmuggelbauern Litthauens eine gewisse Wohlhabenheit und Comfort in ihrem ganzen Leben und Einrichtungen herrschen dürfte. Dem ist aber nicht so. Die Mehrzahl der Schleichhändler wird aus einem Gesindel gebildet, das arbeitsscheu, träge und mit andern Lastern begabt, seinen Unterhalt eben nur in dieser Erwerbsquelle sucht und vom Verdienste eines Streifzuges sich und der Seimgen Dasein wohl eine bis zwei Wochen lang fristet. In ihren Wohnungen herrscht nur Armseligkeit und Schmutz; die Schnapsflasche ist der einzige sie an Leib und Seele entnervende Luxus, der sie umgibt. Meist sind die Pascher Besitzer kleiner Landschollen, sogenannte Eigenkäthner; oft aber auch blos Einwohner bei den mit Land angesessenen Bauern. Büßen die Schmuggler bei ihrem Gewerbe Leben oder Freiheit ein, dann bleiben die Familien unter den elendesten Umständen zurück und fallen wohl gar dem Ortsverbande zur Last.

Gegenstände ihres Schmuggelhandels sind: Cigarren, feiner Rum, Liqueure, Zucker u. s. w., dann aber auch kostbare Seidenzeuge, seltener Galanteriegegenstände, doch besitze ich als Andenken von dem oben erwähnten Schmuggelbauer ein ausgezeichnet dauerhaft und fein gearbeitetes Taschenmesser mit goldener Einfassung und Perlmutterschale. Eine oft glückende List, zu der die Schmuggler bei ihren Streifereien ihre Zuflucht nehmen, ist die, daß sie an einer Stelle, wo sie annehmen, daß ein Grenzposten Wache hält, den Uebergang scheinbar versuchen, diesen veranlassen, durch ein Nothsignal – einen Pfiff oder einen Schuß – Allarm zu schlagen und so die übrigen Wachen auf den simulirten Kampfplatz dadurch herbeilocken. Indessen unternimmt der Haupttrupp der Schmuggler mit den Waaren ungehindert, da er die Passage frei findet, seinen Uebergang und eilt dem nächsten Marktflecken oder einem Rendez-vous-Platze zu, wo schon der jüdische Unterhändler bereit steht, die Waaren in Empfang zu nehmen. Auf dem Allarmflecke werden inzwischen von den feindlichen Parteien gegenseitig einige vergebliche Schüsse gewechselt und die wenigen Schmuggler, die hier den Lärm verursacht haben, ziehen sich, ohne die Neckereien weiter fortzusetzen, bald auf preußischen Boden zurück. Der Rückweg des Haupttrupps geht in den meisten Fällen ungleich weniger gefährlich von Statten und böchst selten werden die Schleichhändler auf ihm von den Wachtposten belästigt.

Kommt es jedoch zu blutigem Handgemenge, dann kämpfen die Schmuggler mit einer Kühnheit und Ausdauer, die da bezeugt, daß vom Ausgange des Gefechtes ihr Leben und ihre Existenz abhängt. In tiefen Hohlwegen fallen da oft Scharmützel vor, die Zeugniß ablegen selbst von der militairischen Taktik, die den Schleichhändlern beiwohnt. Oft muß wohl die Hälfte und darüber noch der Schmuggler in’s Gras beißen und wer nicht sein Heil in der Flucht versuchen kann, geräth in russische Gefangenschaft, die wohl nicht viel besser sein mag, als der Tod, denn glimpflich geht Rußland gewiß nicht mit diesen eingefangenen Schmugglern um, die, einmal aus Preußen verschollen, von dessen Regierung auch nicht mehr reclamirt werden. Zum mindesten müssen sie die russische Soldatenjacke anziehen, wenn ihrer nicht vielleicht in den sibirischen Bergwerken ein noch härteres Loos wartet. Eins von diesem Allem war auch das Schicksal des mir bekannten Schmugglers J. B. Nachdem er einst in einer der November-Nächte wieder mit seinen Cameraden einen Streifzug unternommen, sah ich ihn vom folgenden Tage an nie wieder mehr. Ob er noch lebt, wo und unter welchen russisch-knutischen Verhältnissen, weiß ich nicht.

Wünschen wir daher den Reformen Alexanders einen gedeihlichen Fortgang und, wie die ganze denkende Welt, richten auch wir gegenwärtig unsere Blicke mit Spannung[WS 1] auf ihr Endresultat. Weg mit dem verhaßten Sperrsystem, das die viva vox in ganz Europa verdammt. Ein freier Handel mit dem Nachbarlande verleiht beiden Theilen wachsenden Nationalreichthum, befördert die Zufriedenheit der Unterthanen, führt eine Abnahme der Verbrechen und endlich auch das Ende des Schmuggelhandels herbei. –

Th. L.




Alte Dresdner Geschichten. Nr. 2. Die zwei Grenadiere. Der Mond schien hell, es war um die Mitternachtsstunde, als zwei Grenadiere Schildwacht hielten vor dem Palast des Grafen Rutowsky. Da nahete sich ihnen ein Mann in einem Mantel. Er fing mit den Soldaten ein Gespräch an und klagte, daß er, da es bereits so spät sei, in seinem Hause keinen Einlaß erhalte. Nach einer Weile brachte dieser Mann eine Flasche Branntwein hervor, und nöthigte die zwei Grenadiere, ihm darin Bescheid zu thun. Er brauchte nicht zum zweiten Mal zu bitten, die Flasche ging von Mund zu Mund, und die drei Männer in einsamer Nacht wurden gesprächig. Einer der Soldaten fragte, welches Geschäft der Fremde betreibe, und dieser antwortete, daß es die geheimnißvolle Kunst besitze, die Metalle zu verwandeln. „Eben in dieser Nacht,“ setzte der Gast hinzu, „habe ich einen merkwürdigen Stein gefunden, von einer Beschaffenheit, wie ich sie gerade zu meinen Experimenten nöthig habe; er liegt dort mitten in der Straße, ein paar Dutzend Schritte links von uns.“ Die Soldaten schauten hin und gewahrten nichts. „Es ist ein gewöhnlicher Pflasterstein,“ erwiderte der Fremde, „ihr seht’s ihm nicht an; doch wollt ihr mir helfen, ihn mit euren Bajonneten aus der Erde zu heben, so soll dieses Goldstück euch gehören.“ Damit brachte er einen Doppellouisd’or aus der Tasche. Die Grenadiere bedachten sich nicht lange, die Straße war einsam, das Werk konnte nicht lange dauern, das Geld war leicht verdient. Sie gingen die wenigen Schritte mit dem Fremden, und machten sich an das Geschäft, den bezeichneten Stein aufzulockern, und als dies geschehen war, nahm ihn der Fremde, und ließ dafür das Goldstück den Soldaten zurück. In seinen Mantel gehüllt, ging er mit dem Steine eilig fort. Die Grenadiere unterhielten sich während der Dauer ihrer Wachtzeit über die herrliche Kunst, die jener Fremde verstehe, und bezeigten einander ihre Verwunderung, wie ein gewöhnlicher Stein so großen Werth haben könne für den Wundermann.

Als sie abgelöst wurden und das Geld wechseln wollten, um es unter sich zu theilen, entstand die Frage, woher sie das Geld hatten. Leugnen half nicht, sie mußten gestehen, und die sonderbare Begebenheit wurde sofort von dem wachthabenden Officier weiter gemeldet. In jenen Zeiten, wo diese Geschichte spielt, nämlich unter August III., war es nichts Ungewöhnliches, daß seltsame Praktikanten aller Art im Lande umherzogen, und für ihre alchymistische Küche allerlei Utensilien einsammelten. Indessen ließ man nach dem Manne forschen; die Soldaten mußten genau angeben, wie er ausgesehen und ob er sich in seiner Sprache und seinen Manieren als ein Ausländer kund gethan. Das letztere glaubten jene als gewiß annehmen zu können. Man brachte jedoch nichts heraus. Die Geschichte gerieth in Vergessenheit.

Nach vielen Jahren wurde dieses Räthsel durch einen Zufall erklärt. Ein Diener des Grafen Rutowsky befand sich mit seinem Herrn in Wien und wurde von seinen Cameraden zu einem Abendschmause geladen. Als sich Alle versammelt halten, wurde von den Liebesabenteuern ihrer Herrn gesprochen, und Balthasar, ein besonders verschmitzter Bursche, nahm das Wort. Als ich noch bei dem französischen Gesandten in Dienst war, hub er an, geschah es, daß sich mein Herr in eine wunderschöne junge Wittwe verliebte, die aber einen sehr harten Oheim hatte,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Spannnung
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_707.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2022)