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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

und den Blätterzweigen wächst (lif), wird zu Badeschwämmen verfilzt oder zu Bindfaden, Stricken und Tüchern versponnen und verwoben. Der Stamm selbst gibt vortreffliches Bauwerk für den luftigen Styl der Araber und Beduinen, ein Bauholz, das sich, wie der starke, freie, von außen und oben belästigte Mann, nicht niederdrücken läßt unter Druck, sondern aufwärts beugt, wie schon Plutarch erzählt. So wird der ganze Baum von der Wurzel bis zum Gipfel der Bevölkerung ein immerwährender Segen und von der Krone aus just zur Wasser- und Erquickungsquelle, die unten fehlt. Die aufgeschnittene Krone der Dattelpalme liefert je drei bis vier Monate lang täglich etwa eine Gallone süßen milchigen Saftes, das Lieblingsgetränk der Araber. Am ersten Tage süß wird er von Allen getrunken, am zweiten Tage säuerlich und moussirend dient er den lockeren Gesellen zur Berauschung, zumal da er am dritten Tage zu Essig wird und deshalb kein Grund zum Schonen eintritt. Dieser „lagby“ ist Nahrungs- und Erquickungs-, respective Berauschungsquelle. Auch macht man von den Datteln selbst Most und Wein und später Spiritus, den der Koran nicht verbietet, wie den Traubensaft.

Von der Dattel macht die arabische Hausfrau ihrem Herrn und Gebieter je einen ganzen Monat lang täglich ein ganz neues, anderes Gericht, was bei uns mit der armseligen, in allen möglichen Maskirungen verwendeten Kartoffel kaum möglich ist. Und dabei bleibt die Kartoffel immer Kartoffel; die Dattel aber ist schon von Geburt eine der edelsten und hochgeborensten schönen, braunen Töchter des tropischen Pflanzenreichs.

In unsern kartoffelunseligen Regionen kennt man die Dattel nur aus Kisten in zerquetschter, schrumpflicher Backbirnform und nur als Luxusartikel, obwohl wir sie, wenn’s überall mit rechten Dingen zuginge, so wohlfeil wie Kartoffeln essen könnten. Wenn man auf Kartoffelfeldern mit besseren Producten Geld machte, würden wir unsere Kartoffelvermäckerung los und äßen und tränken dafür süße, nahrhafte Palmenbrode. In England kann man zuweilen schon ein Pfund Datteln für den Preis eines Pfundes Brod kaufen, in der Regel freilich durch zweite und dritte Hand nur für sieben bis zehn Silbergroschen. Aber die Palmengegenden sind so groß und culturfähig, daß alle Menschheit Datteln für Kartoffeln oder gar Brod essen könnte. Datteln sind verdaulicher und nahrhafter, als das dreifache Gewicht von Brod, sehr zuckerhaltig und angenehm belebend. Das ganze ungeheuere Nilthal und ein großes Oaseninselmeer durch die Wüste von Egypten bis Fezzan ist dattelpalmengünstig und könnte, wenn ordentlich bepflanzt, ganz Europa mit so viel Datteln versehen, daß es sich damit auf die nobelste Weise von dem Uebel der Kartoffelnahrung zu erlösen im Stande sein würde.

Ein angesehener Egypter, früher Director der Agriculturschule Mehemet Ali’s und Eigenthümer eines großen Grundstücks bei Cairo, widmet sich besonders der Ausbreitung der Dattelpalmen-Cultur aus Saamenkernen und hat schon jetzt die Erfahrung gemacht, daß in dortigen Gegenden nichts lohnender ist, als dieser Feldgartenbau. Die luftige Palme beeinträchtigt mit ihrem Schatten keinerlei Saat darunter. Auch die fast senkrecht tief in den Boden treibenden Wurzeln nehmen oben keine Nahrung weg, so daß die Araber mit Vortheil unter Palmenreihen säen. Im fünften Jahre fangen die Früchte an, vom funfzehnten an bis zum zweihundertsten liefert jeder gesunde Baum jährlich für fünf bis sechs Thaler Früchte (abgesehen von aller übrigen Verwerthbarkeit). Dabei thut der Baum der Getreide-, Baumwollen- und Zuckerernte nicht den geringsten Schaden. Bei Anlegung und Zucht von Palmenhainen kämpft man bis jetzt nur noch mit der Schwierigkeit, die rechte Zahl und Mischung von männlichen und weiblichen Bäumen, ohne welche keine Fruchtbarkeit möglich ist, zu erzielen. Man ist jetzt in Egypten eifrig damit beschäftigt, in den Saamenkernen den künftigen männlichen oder weiblichen Baum zu erkennen. Die Behauptung, daß die Art der Zahnung an dem Kernschlitze das Geschlecht des Baumes verrathe, bedarf noch der Bestätigung. Wissenschaftliche Botaniker Europa’s würden jedenfalls bald im Stande sein, genaue Symbole des männlichen und weiblichen Kerns zu entdecken und sich so um die Palmencultur, also mittelbar auch um unsere Nahrungsveredelung, verdient zu machen. Der Vorschlag eines Engländers, das Geschlecht der Palmenbäume durch wundärztliche Operationen zu forciren, wurde von dem Egypter verlacht und wie jeder andere Vorschlag verworfen, da er blos auf eigenem experimentalen Wege zu einem erwünschten Ziele zu kommen hofft. Es wäre aber gut, wenn das Mikroskop wissenschaftlicher Botaniker dieser egyptischen Cultur, also auch unsern Tischen und Nahrungsmitteln, zu Hülfe käme.

Es gibt wenigstens 150 verschiedene Arten der Dattelpalme, jede klimatisch beschränkt und eigen. Früchte tragen sie blos zwischen dem achtzehnten und dreißigsten Grade nördlicher Breite, am liebsten in offenen, warmen und heißen Ebenen mit einer Thonschicht unterhalb des Sandes, ungern in der Nähe des Meeres und unter den heftigen tropischen Regengüssen. Das eigentliche Palmenklima erstreckt sich von den südlichen Theilen Persiens und Indiens über Nordafrika hin bis zu den kanarischen Inseln, wo zum Theil kein menschliches Leben ohne Palmen möglich wäre. Die Süßigkeit, Größe und Schönheit der Dattel hängt vielfach von menschlicher Kunst und Arbeit ab. Die künstlichen Datteln von Beled-el-dscherid (Biledulgerid), Siva, Medina und Yemen sind süße Früchte sauern Schweißes und sorgfältiger Schulung. Die Bäume werden dort künstlich bewässert, gedüngt und gezogen. Dort liefert eine vollständig ausgebildete Palme jährlich zwischen drei- und sechshundert Pfund Früchte, die der Eigenthümer für fünfzehn bis dreißig Thaler verkauft und der Europäer im Detail mit fünfzig bis hundert Thalern bezahlt – also zugleich ein mächtiger, profitabler Handelsartikel. Die größesten und berühmtesten aller Datteln sind die von Ibrim am Nil oben in Nubien, wo einige Bäume je funfzehn kolossale Trauben, jede bis sechzig Pfund schwer, mit drei Zoll langen Früchten trägt. Süß sind diese Lasten und ein wahrhaft erhebender Anblick, wenn sie aus den schlanken, säuselnden, graziösen Bäumen herausquellen und sich allmählich mit heiterm Gelb am blauen Himmel und zuletzt mit der schönsten, strahlenden Goldbronze überhauchen und den magern, sehnigen Schnitter einladen, die federleicht in der Luft hängende Last zu ernten und als schweren Schatz des Himmels und der Erde hinabzusenken.

Das ist die Dattelpalme, „ein Baum, gepflanzt an den Ufern der Wasser, zeitig seine Früchte bietend mit Blättern, die nicht vergilben und verwittern und mit Allem, was der Baum thut, erfolgreich und voll Segen.“

Der Pulsschlag und die Nerventelegraphie aller Cultur besteht wesentlich in der sich ausgleichenden Spannung zwischen den verschiedenen Gütern dieser Erde. Je mehr wir z. B. Datteln lieben und vor Liebe aufessen, desto kartoffelfreier und cultivirter werden wir zugleich durch Beförderung der Cultur unter den größtentheils räuberischen oder diebischen Palmenvölkern. Warum sind diese Räuber? Weil wir nicht genug Datteln essen und ihnen für unsern Ueberfluß abkaufen. Die Politik hält lieber Kriegsschiffe gegen sie und sucht sie zu erobern, statt sie durch ehrliches Handeln zu Menschen zu machen und statt ihren Culturtrieb, d. h. den Trieb, auch etwas Anderes neben den Datteln zu genießen, durch Angebot unseres Ueberflusses gegen Dattelaustausch zu befriedigen. Mit einigen afrikanischen Stämmen haben’s die Engländer versucht. Sie kaufen ihnen Palmenöl ab und machen die Neger zu braven Menschen und sich Lichter davon; in allen übrigen Beziehungen halten sie immer noch Raub, Plünderung, Mord und Todtschlag für die einzig ehrenvolle, auswärtige Politik und lassen deshalb In- und Ausland verwildern.




Eine Erinnerung an Schillers Familie.[1]

Einer der besten Schüler des berühmten Forstmanns Cotta, Georg König, zu der Zeit, wo Cotta Eisenach verließ, eisenachischer Förster in Ruhla, begann noch in demselben Jahre dort eine kleine Lehranstalt, die nach wenigen Jahren wegen des Zuströmens zahlreicher junger Forstpraktikanten erweitert werden mußte. Sie ist ungefähr vierzehn Jahre später nach Eisenach verlegt worden,

  1. „Medaillon“ aus Storch’s ungedruckten Denkwürdigkeiten.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 553. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_553.jpg&oldid=- (Version vom 18.10.2022)