Seite:Die Gartenlaube (1857) 456.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Ludwig van Beethoven, als ein Zeichen tiefster Hochachtung und innigster Verehrung zu überreichen. Die Uebergabe geschah mit Feierlichkeit und warf auf die trüben Tage des gewaltigen Tondichters – er lag schon krank auf dem Schmerzenslager – den verklärenden Lichtstrahl der Freude. Dieses wahrhaft „königliche Geschenk“, wie Beethoven in seinem Dankbriefe es nennt, machte in Wien Aufsehen, so daß die Zeitungen davon sprachen. Einer Notiz in Stumpff’s Papieren, die mir bei der Ausarbeitung dieser Skizze zur Hand waren, zu Folge hat ihm dieses seltene Notenwerk mit Einband und Transport bis Wien, 62 Pfund Sterling gekostet. In Betracht, daß Stumpff nicht reich war, daß er erst kurze Zeit vorher durch den Fall seines Banquiers 500 Pfund verloren hatte, für ihn ein harter Schlag, wie er offen bekennt, daß seine unbegrenzte Wohlthätigkeit immer offene Hand hielt: setzt dieses dem deutschen Genius dargebrachte Huldigungsgeschenk in das größte Erstaunen. Welcher Fürst, welcher reiche Privatmann in Deutschland würde wohl dem armen kranken Beethoven ein Geschenk für vierhundert Thaler gemacht haben? Stumpff arbeitete und entbehrte, um dem Koryphäen der deutschen Kunst frohe Stunden zu bereiten. Mit seiner fleißigen Hand hat er erworben, was er mit der zartesten Aufmerksamkeit und der rührendsten Bescheidenheit auf den Altar des Vaterlandes als Opferspende niederlegte. Es war eine reine Gabe. Aber Stumpff ließ es dabei nicht bewenden; er that noch mehr für Beethoven, wie wir bald hören werden.

Wir dürfen nicht vom Jahre 1826 scheiden, ohne der trostreichen Liebesthat zu gedenken, womit Stumpff einem andern bedeutenden deutschen Tondichter die letzten Lebenslage schmückte. Eine mir darüber gemachte Mittheilung lautet:

„Ich hatte des genialen Karl Maria von Weber Bekanntschaft in Dresden gemacht, wo ich ihn 1824 aufgesucht, um ihm meine Ehrfurcht zu bezeigen. Als nun um diese Zeit der Schöpfer des „Freischütz“ von den Direktoren des Coventgardentheaters in London den Auftrag erhalten hatte, eine Oper zu componiren, wozu ihm das englische Textbuch eingesandt wurde, kam er im Februar 1826 mit seiner fast fertigen Oper „Oberon“ nach London, und suchte mich auf. Ja, er nahm seine Wohnung in Great Portlandstreet, dem Hause, welches ich bewohnte, gerade gegenüber, um, wie er sich gütig ausdrückte, mich desto öfter zu sehen und sich mit mir zu unterhalten. Er zeigte mir eine Freundschaft, die mich tief rührte, und mich nur noch mehr anspornte, ihm in aller Weise zu dienen und zu helfen, und in der That sind wir in diesen vier Monaten bis zu seinem Tode viel zusammen gewesen, und ich lernte Webern als Menschen eben so hoch verehren, wie ich ihn bereits als Künstler schätzte. Auf seine Anfrage, wie mir sein Freischütz gefallen, versprach ich schriftliche Antwort.

Wie nun meine tiefsten und schönsten Gefühle, wenn ich sie in Gedankenform von mir geben will, fast immer zu Gedichten werden, mögen diese nun so unbeholfen sein, wie sie wollen, so strömte ich auch jetzt die von Weber’s herrlicher romantischer Tondichtung empfangene Inspiration in gebundener Rede aus.“

Wiederum mit der zartesten Aufmerksamkeit legt Stumpff dem Gedichte und dem freundlichen aufmunternden Briefe ein werthvolles Geschenk bei, was sehr zur rechten Zeit kam, da sich Weber damals in Geldverlegenheit befand. Er verstand es, gebend zu erheben, wie wenig Menschen. Unter Stumpff’s Papieren fand ich Weber’s Antwort.

„Welch großes Vergnügen haben Sie mir gemacht, mein werther Herr und Freund, durch Ihre geist- und gemüthvollen Verse und Ihr freundliches Geschenk! Empfangen Sie meinen besten und herzlichsten Dank dafür!

Gewiß ist es der schönste Lohn des Künstlers, sich von rein empfindenden Menschen erkannt und verstanden zu wissen. Mögen Ihre guten Wünsche in Erfüllung gehen, und ich bald wieder die Meinigen umarmen! Gedenken Sie auch in der Ferne freundlichst Ihres herzlichst dankbaren und Ihnen ergebenen Freundes

Carl Maria von Weber.

London, 11. Mai 1826.

„Ach, nur vierundzwanzig Tage später,“ fährt Stumpff fort, „wurde Weber früh todt in seinem Bette gefunden. Die Trauerbotschaft wurde mir schnell hinterbracht, und ich eilte sogleich über die Straße in den Raum, wo ein deutscher Genius erloschen war. Mit Wehmuth betrachtete ich lange die edlen, gelassenen Züge, die immer noch die Spuren des Geistes trugen, der doch nicht mehr in ihnen wohnte. Im Namen Deutschlands sagte ich dem Geschiedenen ein „Fahrwohl!““

Stumpff’s Pietät gegen die schöpferischen Genien seines deutschen Vaterlandes sollte im folgenden Jahre einen noch weit schmerzlichern Verlust erleiden. Zu Anfang desselben erhielt er von Beethoven folgenden Brief:

„Sehr werther Freund!

Welches große Vergnügen mir die Uebersendung der Werke von Händel, die Sie mir zum Geschenk machten – für mich ein königliches Geschenk! – verursacht hat, dieses vermag meine Feder nicht zu beschreiben. Man hat es sogar in die Zeitungen gebracht, welches ich Ihnen hier mittheile. Leider liege ich schon seit dem 3. December an der Wassersucht darnieder. Sie können denken, in welche Lage mich dieses bringt. Ich lebe gewöhnlich nur von dem Ertrage meiner Geisteswerke, und muß für mich und meinen Karl[1] Alles davon beschaffen.

Leider seit drittehalb Monaten war ich nicht im Stande, eine Note zu schreiben. Mein Gehalt beträgt nur so viel, daß ich davon den halbjährigen Zins bestreiten kann. Dann bleiben einige hundert Gulden Wiener Währung übrig.[2] Bedenken Sie noch, daß sich das Ende meiner Krankheit noch gar nicht bestimmen läßt, und wann es endlich möglich sein wird, gleich wieder mit vollen Segeln auf dem Pegasus durch die Lüfte zu segeln! Arzt und Chirurgus, Alles muß bezahlt werden!!

Ich erinnere mich recht wohl, daß die philharmonische Gesellschaft in London vor mehreren Jahren ein Concert zu meinem Besten geben wollte. Es wäre für mich ein Glück, wenn sie diesen Vorsatz von Neuem fassen wollte; ich würde vielleicht aus aller meiner bevorstehenden Noth doch noch gerettet werden können. Ich schreibe daher an Herrn Smart[3], und können Sie, werther Freund, etwas zu diesem Zwecke beitragen, so bitte ich Sie nur, sich mit Herrn Smart zu vereinigen. Auch an Moscheles[4] wird deshalb geschrieben, und in Vereinigung aller meiner Freunde glaube ich doch, daß sich in dieser Sache etwas für mich wird thun lassen.

Rücksichtlich der Händel’schen Werke für Se. kaiserl. Hoheit Erzherzog Rudolf kann ich bis jetzt noch nichts Bestimmtes sagen, ich werde aber in wenig Tagen an ihn schreiben, und ihn darauf aufmerksam machen.

Indem ich Ihnen nochmals danke für das herrliche Geschenk, bitte ich zugleich mir zu befehlen; wo ich Ihnen hier in etwas dienen kann, thue ich’s von Herzen gern. Meine Ihnen hier geschilderte Lage lege ich Ihnen nochmals an ihr menschenfreundliches Herz, und indem ich alles Schöne und Gute wünsche, empfehle ich mich Ihnen bestens.

Hochachtungsvoll
Ihr Beethoven.

Wien. den 8. Februar 1827.

Stumpff an Beethoven.
London, 1. März 1827

Sehr verehrter Herr und Freund!

Wie sehr mich die Nachricht durchbebt und mit Schmerz durchdrungen, daß Sie an einer langwierigen Krankheit leiden, die Sie mir nun selbst mittheilen, kann ich mit Worten nicht ausdrücken. Schon seit der ersten Nachricht davon, die ich durch meinen Freund Streicher erhielt, vergingen wenige Tage, wo ich nicht mit dem größten Antheil an meinen kranken Freund in Wien gedacht. Oft stehe ich im Geiste in der Stube an des leidenden Freundes Krankenbette und frage ängstlich den Arzt, wie es mit dessen Besserung stehe, und möchte ihm so gern die Versicherung abnöthigen, daß die Krankheit nicht gefährlich sei und daß der Kranke bald wieder hergestellt sein werde.

Ja, mein innigst verehrter Freund, könnten herzliche und heiße Wünsche eines Freundes Ihre Genesung bewirken, es würden die Herzen ihrer Freunde und Verehrer bald einer neuen Symphonie sich

  1. Der Sohn seines Bruders, den Beethoven sehr liebte und erzog.
  2. 100 Gulden Wiener Währung sind nicht volle 27 Thaler!!
  3. Englischer Komponist.
  4. Dieser Komponist und Pianofortespieler hielt sich damals auf einer großen Kunstreise in London auf.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 456. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_456.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)