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verschiedene: Die Gartenlaube (1856)

im Tanze oder das Pulver in den Taschen des nächsten Nachbars auf einmal abbrennend, Schwerter schwingend und wahnsinnig dazu in Sprüngen laufend und sich drehend, so daß die hellfarbigen Lumpen lustig im Winde flattern, mit ihren ungeheuren Speeren stoßend und fuchtelnd, so daß die Straußfedern daran zum Theil abfliegen, oder sie hoch in die Luft werfend, ohne darnach zu fragen, wo und wie sie herunter fallen – und zwischen all diesem bunten Gewimmel und Getöse hier und da ein wankendes, zusammenknickendes, zerlumptes Menschenbild, leise betend und mit hohlen Augen umherblickend nach einem ruhigen Winkel, um darin – auf heiligem Boden – dem letzten und höchsten Ziele seiner Wünsche – gläubig und selig zu sterben. –

Wir sehen, der Muhamedanismus hat dort noch seinen Kultus, sein Volksleben, seinen Fanatismus, seine eifrige Orthodoxie, seine Heiligthümer, deren Entweihung durch das Betreten Ungläubiger sofort mit Tode bestraft wird. Auf die Vernunft und den Sinn der Sache – in unserm Sinne – kommt es nicht an, sondern auf die Kraft der Existenz, des Glaubens, der Breite, Tiefe und Energie dieser religiösen und socialen Gebilde. Von alledem hat Burton ausführlich und genau Zeugniß gegeben. Mitten in dem Jubel der Karavanen von Damaskus verließ er in Gesellschaft seiner Mitpilger Medina, um auch Mecca zu besuchen. Er erreichte es sicher und kam sicher wieder heraus, so daß wir seinem Berichte darüber entgegen sehen können.

Der muhamedanische Kultus hat klimatisch seine Lebenskraft in Arabien, auf und um Wüsten mit sternenfunkelnden Nächten und öder, erhabener Einsamkeit. In Europa wird er unter- und sein Gebiet übergehen. Die Alliirten werden wahrscheinlich die ihnen obliegende und zugetraute Absicht, dieses Gebiet der Freiheit zu retten, auf immer verscherzt und vereitelt haben.




Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre.
Das Nervenfieber oder der Typhus.

Die Krankheit ist nervös geworden, pflegt man zu sagen, wenn ein fiebernder Patient phantasirt (irre redet) und überhaupt Störungen seiner Hirnthätigkeit (besonders des Bewußtseins und der willkürlichen Bewegungen) zeigt. Es kann nun aber eine große Menge der verschiedenartigsten Krankheiten in ihrem Verlaufe nervös werden, aber zum Nervenfieber werden sie deshalb durchaus nicht, denn das ist eine ganz bestimmte Krankheit, die von ihrem Anfange an Nervenfieber ist und sogar ohne nervöse Erscheinungen, bisweilen blos mit Verdauungsstörungen neben großer Abmattung (als gastrisches oder Schleimf1eber), vorkommt. In den meisten Fällen treten allerdings beim Nervenfieber wie bei vielen andern Krankheiten sogenannte nervöse Erscheinungen (wie: Kopfschmerz, Eingenommenheit des Kopfes, große Unruhe und Aufregbarkeit, Schlaflosigkeit, Sinnestäuschungen, Irrereden, Schlaftaumel bei offenen Augen, Krampfzustände, Zittern und Umsichgreifen, Sehnenhüpfen und Flockenlesen, Lallen, Schlafsucht und Betäubung mit schnarchendem oder rasselndem Athem, unwillkürliche Harn- und Stuhlentleerung etc.) ein und deshalb hat dieses Fieber auch den Namen des Nervenfiebers erhalten. Es wird dasselbe auch noch nervöses Schleim- oder Unterleibsfieber, gastrisch-nervöses Fieber, Typhus, genannt und in seinem Beginne sehr oft für ein katarrhalisches, gastrisches (Schleim-) oder rheumatisches Fieber gehalten.

Die Wissenschaft unterscheidet ein Unterleibs-Nervenfieber (typhus abdominalis, enterische Form des Typhus, Darmtyphus) und ein Ausschlags-Nervenfieber (exanthematische Form des Typhus, typhus exanthematicus); das erstere geht mit Erkrankung mehrerer Unterleibsorgane (besonders des Darmes, der Gekrösdrüsen und der Milz) einher, das letztere, welches sich durch sein rascheres Auftreten und Verlaufen vor dem ersteren auszeichnet, führt keine solche Darm- und Gekrösdrüsen-Affection wie das erstere mit sich, wohl aber einen Hautausschlag, der theils in zahlreichen rothen, masernähnlichen Fleckchen, theils in flohstichähnlichen bläulichrothen Pünktchen (Petechien) besteht. Der Ausschlagstyphus ist es, welcher vorzugsweise ansteckend und epidemisch werden kann, und zu ihm gehört der Garnisons-, Kriegs-, Lazareth-, Kerker-, Schiffs-, Auswanderer- und Hunger- (oberschlesischer) Typhus; auch wird er bisweilen als ansteckendes Nervenfieber und bösartiges Faulfieber bezeichnet. Der Unterleibstyphus scheint nur bisweilen, wenn viele Patienten beisammen liegen, ansteckend zu werden. Ob nun diese beiden Nervenfieber aus denselben Ursachen und aus derselben Entartung des Blutes entstehen, ob der Ansteckungsstoff (Contagium) des exanthematischen und Darmtyphus derselbe sei, ist noch unausgemacht; als Entartungen des Blutes (acute Blutkrankheiten) sieht man aber zur Zeit beide Krankheiten an, obschon die Art der Veränderung des Blutes dabei auch noch nicht gekannt ist. Ebenso sind die Ursachen, welche den Typhus hervorrufen können, nur und auch blos zum Theil Vermuthungssache und selbst mit nur einiger Sicherheit nicht anzugeben. Uebrigens ist der Typhus eine der am häufigsten vorkommenden Krankheiten, denn er kommt in allen Theilen der Welt (besonders aber in der gemäßigten Zone) und in allen Lebensaltern (am häufigsten aber bei robusten Subjekten in den Jünglings- und Mannesjahren) vor. Als Ursachen desselben werden hauptsächlich angegeben: schlechte, besonders durch thierische Ausdünstungs- und Zersetzungsstoffe verdorbene Luft, dürftige und unpassende Nahrung, niederdrückende Gemüthsstimmungen (Gram, Sorge, Noth, Furcht) und übermäßige Geistesanstrengungen, bedeutende Strapazen u. s. w. Merkwürdig ist, daß der Typhus solche Kranke, die vom Nervenfieber schon einmal befallen waren, sowie diejenigen, welche an einem chronischen Uebel (wie: Lungen- oder Herzfehler, Krebs, Geisteskrankheit) leiden, äußerst selten befällt; auch Schwangere, Wöchnerinnen und Stillende sind ziemlich sicher vor dem Typhus.

Die Krankheitserscheinungen beim Typhus zeigen eine so große Verschiedenheit in ihrer Art und ihrem Grade, daß es oft äußerst schwierig für den Arzt ist, diese Krankheit mit Sicherheit, zumal bei ihrem Entstehen, zu erkennen. Die constantesten Merkmale sind: anhaltendes und heftiges Fieber (bedeutende Vermehrung der Pulsschläge, bis auf 150 und darüber, besonders beim Aufrichten des Kranken, und gesteigerte Körperwärme, bis zu 34° R.), große Hinfälligkeit, Anschwellung der Milz (welche der Arzt nur durch Beklopfen der Milzgegend zu erkennen im Stande ist) und ein Hautausschlag, welcher sich aber bei den beiden Typhusarten verschieden zeigt. Bei dem Darmtyphus tritt nämlich der Ausschlag nur sehr sparsam und oft unentwickelt, gewöhnlich nur in der Herzgrube auf und zwar in Gestalt von lichtrothen, kleinen, hirse- bis hanfkorngroßen, kreisrunden, härtlichen Stipchen oder Knötchen (roseola papulata), die zerstreut herumstehen, etwa am 9. Tage der Krankheit erscheinen und gewöhnlich schon nach einigen Tagen wieder verschwinden. Dagegen stellt der Ausschlag beim exanthematischen Typhus, welcher meistens schon zwischen dem 3. und 5. Tage der Krankheit erscheint, zahlreiche lichtrothe, kleine, unregelmäßige und dicht gedrängt bei einander stehende, oft masernähnliche Flecke (roseola maculata) dar, die sich von der Magengrube aus ziemlich rasch über den ganzen Rumpf und sogar über den ganzen Körper ausbreiten. Was die oben angegebenen nervösen Symptome betrifft, so kommen dieselben beim Ausschlagsnervenfieber constanter und gewöhnlich in heftigerm Grade vor, als beim Darmtyphus, wo sie sogar ganz fehlen können. Sie hängen wahrscheinlich von einer feindlichen Einwirkung des entarteten Blutes auf die Hirnsubstanz ab, denn bis jetzt hat man noch keine solche krankhafte Veränderung des Gehirns aufgefunden, welche jene Störungen der Hirnthätigkeit erklären könnte. Als ganz unbeständige Erscheinungen beim Typhus sind anzusehen: herumziehende (gewöhnlich für rheumatische erklärte) Gliederschmerzen, katarrhalische Symptome (mit Nasenbluten) und Verdauungsstörungen (bei belegter trockner Zunge mit rothen Rändern und rother Spitze); nur beim Unterleibsnervenfieber, wo sich im Darmkanal in der Regel Geschwüre bilden, sind Durchfälle oder Verstopfung bedeutungsvolle und wohl zu berücksichtigende Erscheinungen. – Der Verlauf des Typhus dauert ungefähr 3 bis 6 Wochen, doch häufig auch darüber, äußerst selten darunter. Ueber den glücklichen oder unglücklichen Ausgang dieser Krankheit läßt sich niemals etwas Bestimmtes sagen, denn auch bei den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_132.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2021)