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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Blätter und Blüthen.

Ein Stück Australien. Das „glückliche Australien,“ wie der Port-Philipp-Distrikt von Neu-Süd-Wales mit der Hauptstadt Melbourne genannt ward, war 1827, als die Auswanderung dahin langsam begann, noch unbekannt. Major Mitschell, damals Gouverneur von Australien, theilte am 24. Oct. 1836 den ersten Bericht über die erste Entdeckung dieses Theiles mit: „der bereit liegt für den Pflug, wie ganz besonders von dem Schöpfer vorbereitet für die industrielle Hand des Engländers.“ Und was ist jetzt daraus geworden? Im Jahre 1852 hatte er 200,000 Bewohner, welche für 130,000,000 Thlr. Güter aus- und für 28,000,000 Thlr. einführten, so daß etwa auf jeden Bewohner für 150 Thaler eingeführte Gegenstände, also Luxusartikel kommen. Welche Familie von fünf Personen kann in Deutschland für etwa 800 Thaler Colonialwaaren und Luxusgegenstände consumiren? Etwa die, wo Papa 400 Thaler Gehalt oder Thaler Einkünfte erarbeiten kann? Im Jahre 1853 wurde in Victoria (wie jetzt dieses glückliche Australien heißt) für 140,000,000 Thaler Gold gewonnen. Der Werth der eingeführten Waaren betrug 106,000,000 Thaler (im Jahre vorher 28,000,000). Die 200.000 Einwohner von 1852 stiegen bis Ende Juni dieses Jahres auf mehr als 600,000. Im Jahre 1788 landeten die ersten Europäer unter Capitain Philipp in Neu-Süd-Wales. Der erste Auswanderer, welcher hier Land von der englischen Regierung (die ganz Australien durch ein Bischen Trommelschlag in einer Ecke und durch Erklärung, daß es nun England gehöre, erobert hatte) erhielt, war ein Deutscher, der von der Regierung zu weiterer Nachforschung des Landes ausgesandt war. Es bestand aus etwa 120 Morgen, die er für ein Spottgeld wieder verkaufte. Zwanzig Jahre später waren die 120 Morgen etwa 800,000 Thaler werth. Der erste Forscher in das Innere hinein war ebenfalls ein Deutscher, Dr. Leichardt, der von seiner letzten Expedition nicht wiederkehrte, so daß er als umgekommen betrachtet wird. Die erste sichere Kunde von den fruchtbaren Gegenden im tiefsten Innern, jenseits der Wüsten, verdanken die Engländer ebenfalls Deutschen, besonders dem jüngeren Dr. Schomburgk in Buchsfelde, bei Adelaide, wohin er 1848 mit einer wohlhabenden geschlossenen Gesellschaft berliner Familien auswanderte. Durch Tausende meteorologischer (Wetter- und Wind-) Beobachtungen und deren Feuchtigkeitsgehalt stellte sich’s wissenschaftlich fest, daß im Innern fruchtbare Gegenden sein mußten. Durch wissenschaftliche Beobachtungen an Flußmündungen und der Züge von Papageien, die nur fruchtbare Stellen wählen, von Engländern rings um das Land angestellt und durch wissenschaftliche Combination beider Beobachtungsreihen rechnete A. Petermann in London (jetzt in Gotha) die Lage und Ausdehnung dieser fruchtbaren Züge genau geographisch heraus. Und es war ebenfalls ein Deutscher, der ehemalige General Haugh, welcher diese Entdeckungen der Wissenschaft charakteristisch durch eine Expedition weiter verfolgen wollte, wozu er von der englischen Regierung schon eine hübsche Summe Geldes angewiesen bekommen hatte, als die londoner „geographische Gesellschaft“ unter dem Pantoffel eines heimtückischen Dänen, der die Deutschen grimmig haßt, die Expedition zu vereiteln wußte, unter dem Vorwande, daß die Regierung sie selbst machen lassen werde. Aber bisher hat sich die englische Regierung, wie jede andere, wenn sie mit der deutschen Wissenschaft concurriren wollte, als machtlos erwiesen. Sie hat noch nicht an die Expedition gedacht und wenn sie von Regierungsbeamten wirklich noch ausgeführt werden sollte, wird sie viel Geld kosten, aber der Wissenschaft schmale Bissen bieten.




Glücklich wie ein König! Mag diese Redensart in andern Ländern mit Recht ihre Anwendung finden, so wird man dies doch in Beziehung auf Frankreich nicht behaupten können, wenn man – ganz abgesehen von den Gräueln, die in den frühesten Zeiten des Reiches den Thron befleckten – sich in das Gedächtniß zurückruft, wie viele, ja beinahe die meisten Könige der neueren Dynastien starben: Karl VI. wahnsinnig; – Karl VII. ließ sich verhungern, aus Furcht, von seinem Sohne vergiftet zu werden; – Ludwig XI. starb in seinem freiwilligen Gefängnisse zu Plessis-les Tours, umgeben von seinen Opfern, gemartert von Reue und Gewissensbissen; – Karl VIII. wurde in seinem zwanzigsten Jahre vergiftet; – Franz I. starb an den Folgen seiner Ausschweifungen; – Heinrich II. an einem, in einem Turniere empfangenen Lanzenstoße; – Franz I. wurde durch seine Mutter vergiftet; – Karl IX. ebenfalls, und starb unter gräßlichen Qualen und blutiger Reue über die Pariser Bluthochzeit; – Heinrich III. wurde durch einen Dominikaner und Heinrich IV. durch einen Jesuiten ermordet; – Ludwig XIV. wurde unter dem dumpfen, vorwurfsvollen Schweigen – Ludwig XV. unter den lauten Verwünschungen des Volkes begraben; – Ludwig XVI. endete auf dem Blutgerüste; – Ludwig XVII. unbekannt, vielleicht im Elend; – Ludwig XVIII. starb nach einer Verbannung von zwanzig Jahren und einer zweiten von hundert Tagen; – Napoleon I., Karl X. und Ludwig Philipp starben in der Verbannung!!!




Spanisches Leben. Insofern es nicht politisch ist, gehört das spanische Leben nicht zu den schlechtesten Arten, die süße Gewohnheit des Daseins zu genießen. Die Familie steht früh oder auch spät auf, nimmt etwas Kaffee oder Chokolade und einen Mund voll Brot, worauf Jeder bis 10 oder 11 Uhr macht, was er will. Jetzt wird substantiell gefrühstückt und dann von der Anstrengung ausgeruht, was man „Siesta“ nennt, welche verschiedene Ausdehnungen hat. Wer sich den Spanier zum Freunde erhalten will, darf sich nie einfallen lassen, ihn während der „Siesta“ zu stören. Wer ihn während dieser Zeit beunruhigt, ist sein ärgster Feind. Der Spanier wird dann ein Wilder. Abends bis Mitternacht ist er ein Menschenfreund, während der Siesta ein Tiger. Wecke ihn und er zerreißt Dich! Mittagsessen giebt’s nicht. Jeder ißt nach Belieben, wenn er ausgeschlafen hat. Um 8 bis 9 Uhr Abends erst kommt das gemeinschaftliche, feierliche, freudige Mahl. Die Familie versammelt sich, Freunde gucken herein und essen mit, die Mädchen bringen ihre Guitarren und es wird bis Mitternacht gesungen und getanzt. Das ist die Zeit, wo man eine spanische Familie sehen muß. Von neun Uhr bis Mitternacht ist Alles Lust, Freude und Gemüthlichkeit. Wer einmal bekannt, einmal eingeführt ist, kann während dieser Zeit kommen und gehen, wie er will und Fremde mitbringen. Ist er bekannter, steht ihm Haus und Herd und Speisekammer, jeder Theil des Hauses zu jeder Zeit zur Verfügung. Er kann überall herumlaufen, wie ein Liedlingshund. Frauen und Mädchen laufen im tiefsten Negligé nicht von ihm, sondern plaudern mit ihm. Der Bekannte im Hause wird nie angemeldet. Er wird vom Diener eingelassen und macht dann, was er Lust hat, ohne daß es Jemandem einfällt, etwas zu Familiäres darin zu finden, wenn er in der Speisekammer (wo freilich Vorräthe nicht Mode sind) sich selbst bedient oder zusieht, wie sich die Dame des Hauses das Haar kämmt oder die Strumpfbänder zubindet.




Eine Engländerin im „freien“ Griechenland. Als die Engländer und Franzosen in Griechenland gelandet waren, fanden sie unter Sklavinnen, die im Felde hart arbeiteten, auch eine Engländerin. Zunächst wurde sie von einer englischen Soldatenfrau entdeckt, der sie erzählte, daß sie schon vier Jahre in griechischer Sklaverei lebe. Auf der Reise mit ihrem Vater habe sie Schiffbruch erlitten, als sie erst zwölf Jahr alt war und sei hierher verschlagen von einem Seeräuber überfallen und genöthigt worden, ihm seitdem stets als Sklavin zu dienen. Die Soldaten Englands, davon benachrichtigt, forschten ihre Landsmännin und deren Herren aus, machten fünf Personen, die Familie des Piraten, zu Gefangenen und befreiten zwanzig Sklavinnen, unter welchen aber die Engländerin nicht war. Jetzt machten sie Anstalten, die Piratenfamilie zu hängen, da sie sich weigerte, zu sagen, wo die Engländerin sei. Endlich, schon mit dem Stricke um den Hals, beichteten sie. Man fand die Engländerin in einem unterirdischen Gefängniß, schwer in Eisenkettcn, und einer schweren Kiste auf ihrer Brust. Man hatte sie aus Rache, daß sie sich zu erkennen gegeben, auf diese Weise umbringen wollen. Nun wurden zwar die Piraten nicht volksjustizlich gehangen, wohl aber hinterher kriegsgerichtlich erschossen.




Literarisches. Von Joseph Rank wird nächstens ein historisches Drama in 5 Akten: der Herzog von Athen erscheinen. Ist damit Ilm-Athen gemeint? Auch die Gräfin Hahn-Hahn, die fromme Büßerin, tritt wieder aus ihrer Einsamkeit in die literarische Oeffentlichkeit hinaus und wird binnen Kurzem einen Band frommer Gedichte unter dem Titel: „Ein Jahr der Kirche“ erscheinen lassen. – Wir erlauben uns bei dieser Gelegenheit diejenigen unserer Leser, welche an Literar-Kritik Gefallen finden, auf die „Blätter für literarische Unterhaltung“ aufmerksam zu machen. Seit Herrmann Marggraff die Redaktion derselben übernommen, hat das Blatt ungemein an Gehalt, Frische und Tüchtigkeit des Urtheils gewonnen. Besonders sind Marggraff’s eigene Beiträge eine Zierde des Blattes.


Im Verlage des Magazins für Literatur in Leipzig erschien so eben:

Australien bis zum Jahre 1854.
Eine Schilderung der dortigen Zustände.

Nach eigener Anschauung beschrieben
von
F. Neudörfer.
14 Bogen. Elegant broschirt. 22 Ngr.

Der Verfasser, ein deutscher Arzt, und erst vor wenigen Wochen aus Australien zurückgekehrt, giebt in diesem Buche eine Schilderung der dortigen Zustände, die er während eines dreijährigen Aufenthalts vielfache Gelegenheit hatte, kennen zu lernen. Es existirt weder in England noch in Deutschland ein Buch, welches so authentische und neue Mittheilungen über Australien brächte, wie das vorliegende.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_560.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2021)