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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Unsersgleichen. Das ist er nicht, und ich wette, daß er ein ganz verdorbenes Herz hat und nur seine Residenz-Künste hier aufführen will. Er drückt sich viel zu lange hier im Dorfe herum. Wär’ es ihm Ernst um Euere Tochter, er müßte doch in die Residenz eilen, um alles zu Euerem Empfange vorzubereiten. Er lungert aber statt dessen immer hier herum und macht gar keine Anstalten, so bald wie möglich von hier fortzukommen. Ihr solltet dafür sorgen, Claus, da er’s nicht freiwillig thut. Es ist das eine Pflicht, die Ihr dem guten Rufe Katharina’s schuldig seid.“ –

Mit Verlaub, Herr Junker, was Ihr da gesagt, ist Alles nicht wahr und unnütz. Der Herr Elmer hat es nicht nöthig, Zeugen für seine Bravheit aufzustellen; das Herz sitzt ihm in seinen blauen Augen. Er ist zu mir gekommen und hat um meine Kathrine angehalten, wie Brauch und Sitte ist; das erste Aufgebot ist gewesen, er wird mein Schwiegersohn. Einen bessern wünsch’ ich mir gar nicht. Es fällt ihm nicht ein, sich wie Euresgleichen zu geberden, er ist fleißig und bescheiden. Er lungert und tagediebt auch nicht herum, dazu hat er keine Zeit. Er hat mir schriftlich bewiesen, daß er sich ein kleines Vermögen zusammengespart und ein gutes Auskommen hat. Seine Aeltern sind von der Heirath unterrichtet, sie wollen, wenn’s so weit ist, herüberkommen, sind demnach brave Leute. Es ist nichts gegen den Maler einzuwenden. Den Henker! ich möcht’ es Keinem aus dem Dorfe rathen, so zu mir zu reden, wie Ihr es eben gethan. Wenn ich Euch aber nun um etwas bitten darf, Herr Junker, so schwenzelt nicht so viel um mein Mädel herum. Ich hab’ es wohl bemerkt und kenn’ Euch zu gut, um nicht zu wissen, woher der Wind bläst. Nehmt Euch in Acht Ich dulde das nicht, daß man mein Kind hintergehen will. Mit Eueren glatten Worten könnt’ Ihr meinetwegen bereden, wen Ihr wollt, nur verschont mir mein Haus. Katharina ist dem Jungen, dem Rudolf, gut; legt keine Zwietracht dazwischen, sonst regnet’s derbe Unannehmlichkeiten. Ich bin kein Freund von vielem Federlesen, ich greife und packe zu, wo mir was ungelegen ist. Das alles sei Euch mit dem gehörigen Respect gesagt.“

„Hm! So weit ist es also schon gekommen?“ Der Junker scharrte mit dem Fuße im Sande, kreuzte die Arme und lehnte sich ganz an die Wand zurück.

„Ja, Herr Junker, gerade so weit, als nöthig war, ehrliche Kerle zu bleiben. Der Maler heirathet meine Tochter, damit basta!“ – Er blies im Zorn gewaltige Rauchwolken von sich und blieb sehr gleichgültig, als sich diese um das Gesicht des Junkers schlängelten.

Herr von Riedd bemerkte: „Ehrliche Kerle? Ist das so gar gewiß? Ihr werdet gehört haben, daß man ein Gewehr in den Klosterruinen gefunden hat? Es ist dasselbe, was ich an dem Tage trug, an dem ich eine meuchelmörderische Kugel in den Leib bekam. Wenn ich nun sagte, Ihr hättet das Gewehr in die Klosterruinen gebracht?“

Die Pfeife fiel dem alten Soldaten aus dem Munde; voller Verwunderung starrte er den Junker an. Endlich sagte er gefaßt, aber mit steigender Röthe im Gesicht: „Dann würdet Ihr lügen, Herr Junker. Ich sag’ Euch das gerade heraus, mögt Ihr’s gut oder übel nehmen. Was treibt Euch zu einem so bösen Ausspruch? Euer Gelüste, denn weiter ist es doch nichts, was Euch zu meiner Tochter zieht. Ich dächte, Ihr hättet des Denkzettels genug, um Euch dergleichen für immer vergehen zu lassen. Himmelsakrament! muß ich so etwas noch auf meine alten Tage erleben! Muß ich mich doch quälen und winden, um nur durch das elende Leben zu kommen, kein Mensch hilft mir, und dazu noch Schande! Es ist um zu bersten! Doch was, vielleicht toll’ ich umsonst, denn nimmer kann es Euch Ernst sein um eine falsche Anklage, die mich alten Mann früher in’s Grab brächte, als sich’s gebührt. Seid offen, Junker!“

„Was ist da offen zu sein? Ich werde thun, wie ich gesagt, wenn Ihr Euch nicht besser wegen Katharina besinnt. Nur ihretwegen hab’ ich bis jetzt geschwiegen. Als man mich hierher gebracht, verwundet, in Euere elende Baracke, da gefiel sie mir, und später, als wir öfter zusammengekommen, fing’ ich an, sie zu lieben. Jetzt kann ich nicht mehr von ihr lassen, und ich glaube, daß auch sie es nicht mehr kann. Mit dem Maler das ist nur Narrethei; aber ich bin dem Jungen gram, er ist jetzt genug verliebt, um mit wundem Herzen durchzugehen, und so mag’s geschehen. Katharina wird mein, Ihr habt ein gutes Leben, und die Sache ist abgethan! Wo nicht, so sprech’ ich, was ich Euch gesagt. Ich bin kein Lügner, denn, Claus, wie steht es denn um den Blutfleck, den Ihr an Euerem Kittel hattet? Es war das an demselben Tage, an welchem man mich zu Euch getragen.“

Der Alte hielt sich den Kopf mit beiden Händen, es tanzte Alles um ihn herum. Fast stotternd rief er: „Herr des Himmels, auch davon wißt Ihr? Von dem Blutfleck an meinem Rocke? Wer hat Euch das gesagt?“

„Katharina!“

„Meine Tochter?“ – Der Alte stand auf, seine Kniee zitterten, aber mit Riesenkraft nahm er sich zusammen, er eilte an die Thüre und schrie hinein: „Katharina, Dirne! Heraus vor Deinen Vater!“

Sie erschien, ruhig und arglos.

„Ist’s wahr,“ rief ihr der Vater zu, indem er sie an beiden Händen faßte und vorzog, „ist’s wahr, daß Du dem Junker von dem Blutfleck gesagt, den Du an meinem Rocke gesehen? Sprich! Es war an dem Tage, wo man ihn herbeigeschleppt, wo das arge Unwetter tobte. Sprich, sprich!“

„Ich hab’s gesagt, Vater!“

„Du hast’s gesagt?“ – Er schwankte und drohte rückwärts niederzusinken. Katharina unterstützte ihn rasch. Keinen Blick warf sie dabei auf den Junker, der ein triumphirendes Lächeln nicht verbergen konnte. Mit Mühe nur konnte sie verhindern, daß der Vater, als er sich etwas erholt hatte, sie nicht von sich stieß. Sie trat einige Schritte zurück, sah ihm in’s Gesicht und sagte: „Du mußt aber auch hören, Vater, wie ich’s gesagt habe. Es war zwischen mir und dem Junker die Rede von der traurigen Geschichte. Ich sagt’ ihm, daß Euch an dem Tag auch etwas Absonderliches passirt sein müßt’, denn Ihr wäret blutbefleckt nach Hause gekommen; was, wüßt’ ich freilich nicht. Ihr habt mir ein für allemal verboten, nach Dingen zu fragen, die mich nichts angingen, wie Ihr Euch ausdrückt. Nun aber hattet Ihr den Fleck gar nicht ausgewaschen, ich sah nichts Schlimmes drin und könnt’s wohl erzählen. Der Junker hatte auch gegen diese Rede nichts einzuwenden, und er muß doch gewiß alles wissen, wie sich’s zugetragen. Umsonst und wieder Nichts kriegt man keinen Schuß in den Leib. Wenn Ihr nun die Geschichten durcheinandermischt, Vater, so ist das nicht meine Schuld, und von Eurer Seite eine Uebereilung.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Besuch in Reinhardtsbrunn.

Es war an einem hellen Herbsttage, als ich mit meinem Skizzenbuch durch die alte Baumallee dem Schlosse Reinhardtsbrunn, der Sommerwohnung des Herzog Ernst von Gotha-Koburg, zuzog. Für das Auge eines Malers waren die Formen eines deutschen Baustyls in ihrer eleganten Anwendung mit der reichen Blumendecoration in dem üppigen Grün der Thallandschaft ein vortrefflicher Anblick. – Ich wurde in ein einfach, aber würdig decorirtes Empfangszimmer geführt. An der Wand hing unter andern guten Stücken ein großes Bild von dem Javanesen Raden-Saleh[WS 1], dessen persönliche Bekanntschaft ich einst in Dresden gemacht hatte. Es war wohl nicht das beste Bild, das er gemalt hat, aber in Farbe und Sujet sehr charakteristisch für ihn. Später erfuhr ich, daß Saleh längere Zeit die Gastfreundschaft des Herzogs genossen hatte und bei ihm und seiner Gemahlin in freundlicher Erinnerung stand.

Nach wenigen Augenblicken trat der Herzog selbst ein. Eine stattliche Gestalt von mehr als mittlerer Größe, kräftig gebaut, von hübschen männlichen Formen. Kopf und Figur erinnerten auffallend an die alten Portrait-Statuen seines Geschlechts, welche ich wenige Wochen zuvor auf einem fürstlichen Grabmal in der St. Moritzkirche zu Koburg gesehen hatte. Es war derselbe eigenthümliche Schnitt des echt deutschen Gesichts, kräftige Conturen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Raden Saleh; Vorlage: Japanesen Rhaden-Saleh
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_264.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2020)