Seite:Die Gartenlaube (1854) 245.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Fette durchzogen. Daß wie bei den Säugethieren auch bei den Vögeln die Art der Fütterung und die Kastration Einfluß auf die Beschaffenheit des Fleisches haben, sieht man deutlich an gemästeten Gänsen und Hühnern, an Kapaunen und Poularden. Gewöhnlich ist bei Vögeln das Fleisch, welches vorherrschend thäthig sein muß, fester und zäher, also bei Vögeln, welche vorherrschend fliegen, das Fleisch der Brust und Flügel, bei solchen dagegen, die mehr laufen, das Fleisch der Beine. – Das Fleisch der Amphibien (Schildkröten, Krokodile, Frösche) ist weiß, wässrig, zart und leicht verdaulich, aber weniger nahrhaft als das Fleisch der Säugethiere und Vögel. – Das Fisch-Fleisch ist weiß, blutarm und in der Regel bei weitem wasserreicher als das Fleisch der Säugethiere und Vögel, sowie die Menge seiner Fleischfasern verhältnißmäßig gering; dagegen ist Eiweiß reichlich darin vorhanden. Die verschiedenen Arten der Fische unterscheiden sich hauptsächlich durch den größern oder geringern Fettgehalt von einander und werden dadurch mehr oder weniger gut verdaulich. Uebrigens ist das Fleisch derselben auch nach der Art der Fische, den Körperstellen, der Zeit des Einfangens (vor dem Laichen), dem Geschlechte und sogar nach der Kastration in Etwas verschieden. – Das Fleisch der Krustenthiere (Krebse, Garnele) ist weiß und fest, nicht sehr nahrhaft und schwerer verdaulich. – Das Fleisch der Austern besteht fast nur aus Eiweiß und ist deshalb weder so nahrhaft, noch so verdaulich als man gewöhnlich glaubt.

Die Zubereitung des Fleisches ist ebensowohl in Bezug auf die Nahrhaftigkeit wie Verdaulichkeit desselben von großer Wichtigkeit. Am nahrhaftesten und verdaulichsten ist das Fleisch, wenn alle seine nahrhaften Bestandtheile darin zurückgehalten werden und dies läßt sich nur durch das Braten erreichen, weil sich hier durch die Hitze am schnellsten im Umfange des Fleisches (unterstützt durch Begießen mit Fett) eine Kruste bildet, welche das Herausdringen des Fleischsaftes verhindert. Da nun flüssiges Eiweiß durch die Hitze fest wird (gerinnt) und geronnenes Eiweiß weit schwerer verdaulich ist als flüssiges, die Fleischfasern durch starke und länger einwirkende Hitze (wie beim Rösten und Backen) trockner und härter werden, so darf das Braten, wenigstens kleinerer Fleischstücke, nicht zu lange fortgesetzt werden und in nicht zu hoch gesteigerter Hitze geschehen, wenn das Fleisch leichter verdaulich bleiben soll. Kleine Stücke können eigentlich nur durch rasches und kurzes Eintauchen in sehr heißes Fett saftig gebraten werden (Beefsteaks). Bei großen Fleischstücken dringt die Hitze nach dem angewandten Temperaturgrade mehr oder minder tief und vollständig ein und veranlaßt so einen verschiedenen Grad von Gerinnung des Eiweißes und Blutes, weshalb der Braten nach Innen zu stets saftiger und röther (blutiger) gefunden wird. Die Bratenbrühe (Sauce) besteht aus durch die Hitze braun gewordenem Fleischsafte und brenzlich-aromatischen Stoffen, die sich, theils aus Materien des Fleischsaftes, theils aus dem Fettübergusse bildeten. Ein richtiger Braten darf gar keine Sauce geben. – Durch das Kochen (wobei die Fleischfasern stets etwas härter werden) läßt sich nur dann ein saftigen, nahrhaften Fleisch herstellen, wenn man wie beim Braten im Umfange desselben eine Rinde zu bilden sucht, welche das Herausdringen des Fleischsaftes verhindert. Dies ist aber dadurch möglich zu machen, daß man Fleisch (in größeren Stücken) sogleich in siedenden Wasser und in starke Hitze (volles Feuer) bringt, damit das Eiweiß des Fleischsaftes unter der Oberfläche des Fleischstückes gerinnt und jene Rinde bildet, durch welche die Hitze wohl noch eindringt und das Fleisch gahr macht, die aber den Fleischsaft nicht heraus läßt. Die dabei entstehende Fleischbrühe ist freilich äußerst arm an Fleischbestandtheilen, enthält jedoch immer noch etwas Fleischsaft. Es ist aber auch ganz unmöglich, beim Kochen aus dem Fleischstücke ebensowohl ein saftiges Fleisch wie eine kräftige Fleischbrühe zu gewinnen, hier heißt es: entweder – oder; entweder gutes Fleisch und schlechte Brühe oder gute Brühe und schlechtes Fleisch. Eine kräftige Fleischbrühe läßt sich nämlich nur dadurch herstellen, daß man allen Fleischsaft aus dem Fleische auszuziehen sucht, so daß endlich nur noch die trockenen Fasern übrig bleiben. Dies ist dadurch zu erreichen, daß das Fleisch (in kleineren Stücken) in kaltes Wasser und ganz allmälig zum Kochen gebracht wird. Hier dringt das Wasser in das Fleisch ein und laugt dasselbe aus. Beim Kochen gerinnt dann das ausgezogene Eiweiß und wird theilweise abgeschäumt; dafür löst sich aber auch noch ein Theil der Muskelfasern auf und das Zellgewebe verwandelt sich zu Leim (Gallerte), so enthält dann die Fleischbrühe alle die organischen und unorganischen, schmackhaften und nährenden Bestandtheile des Fleisches; das übrig gebliebene ausgelaugte Fleisch stellt aber eine fade, unverdauliche, fast geschmacklose faserige Masse dar, in welcher nur die phosphorsauren Erden zum Theil noch verbleiben. Eine auf diese Weise mit wenig Wasser bereitete Fleischbrühe (Kraftbrühe) ist äußerst nahrhaft, wie auch sehr leicht verdaulich und deshalb bei schwacher Verdauung dem besten Fleische vorzuziehen. Die Bouillontafeln, welche sehr oft zur Bereitung von Fleischbrühe benutzt werden, bestehen dagegen hauptsächlich aus Leim (Gallerte), sind sonach von dem wahren Fleischextracte wesentlich verschieden und keineswegs geeignet, dasselbe zu ersetzen. Der Wohlgeschmack der Fleischbrühe wird übrigens durch Zusatz von Säuren (Milch- und Citronensäure), sowie von Kochsalz merklich entwickelt und pikanter. – Das Dämpfen des Fleisches (in einem verschlossenen Gefäße mit wenig Wasser auf dem Boden) ist ein Mittelweg zwischen Braten und Sieden, indem dabei das Weich- und Gahrwerden desselben durch die Einwirkung des Dampfes erfolgt, von dem das Fleisch umgeben ist, ohne daß es aber bedeutenden Verlust an Saft erleidet. Gedämpftes Fleisch ist deshalb nahrhafter und saftiger und verdaulicher, als gekochtes, steht aber dem gebratenen Fleische etwas nach. Wird beim Dämpfen zugleich Butter, Schmalz, fettes Oel u. dgl. angewendet, das Fleisch also geschmort, so wird ebenfalls das Fleisch saftig erhalten. – Durch Einsalzen (Einpökeln), verliert dasselbe stets an Nahrhaftigkeit, weil in die Salzlacke, besonders wenn dieselbe oft erneuert wird, ein großer Theil des Fleischsaftes übergeht. Auch die Verdaulichkeit des Fleisches leidet dabei, weil seine Fasern trockner und härter werden. – Geräuchertes Fleisch ist zwar nahrhaft, da es alle seine guten Bestandtheile behalten hat, jedoch weit unverdaulicher als frisches Fleisch, weil seine Fasern hart und trocken geworden sind.

Nahrhaftigkeit und Verdaulichkeit des Fleisches. Der Nahrungswerth des Fleisches ist doch nicht so groß, als man der Menge seiner ernährenden Bestandtheile nach meinen sollte und zwar deshalb, weil der größte Theil derselben in den Fasern enthalten ist, die immer nur theilweise verdaut werden. Was sonach die Fleischfasern löslicher macht, erhöht die Nahrhaftigkeit des Fleisches (s. oben); sonach die Maceration in Essig, das Aushängen an die frische Luft, sowie das längere Liegen in höchst verdünnter Natronlauge (1 Th. in 8500 Th. Wasser); auch das Zerschneiden des Fleisches in sehr kleine Stücken beim Essen und das vollkommene Zerkauen desselben unterstützt die Löslichkeit der Fasern innerhalb des Magens. Sodann wird aber auch diejenige Zubereitungsweise, durch welche der wenigste Fleischsaft verloren geht und die Fasern lockerer in ihrer Verbindung werden, dem Fleische seine Nahrhaftigkeit am besten erhalten können; deshalb ist das Braten und Dämpfen dem Kochen vorzuziehen und letzteres sollte nur so geschehen, daß das Fleisch sogleich in siedendes Wasser und starkes Feuer, aber nicht lange, gebracht wird. – Was die Verdaulichkeit des Fleisches betrifft, so hängt diese, wie schon gesagt wurde, ebenfalls von der Beschaffenheit und Zubereitung desselben ab. Gebratenes, gedämpftes und gut gekochtes Fleisch ist verdaulicher, als rohes, eingepökeltes und geräuchertes. Das Fleisch junger Thiere wird schneller verdaut, als das älterer; Wildpret ist verdaulicher als das Fleisch der Hausthiere. Mit zu viel Fett durchdrungenes Fleisch ist weniger gut verdaulich, als mageres, weil durch das Fett das Eindringen des Magensaftes zwischen und in die Fasern erschwert wird. Was die Fleischarten betrifft, so folgen dieselben in Bezug auf Verdaulichkeit so aufeinander: Fleisch der Vögel, Säugethiere, Fische, Amphibien, Krebse und Austern. – Auch die Art des Schlachtens der Thiere ist auf die Beschaffenheit des Fleisches nicht ohne Einfluß; je mehr Blut dabei im Fleische bleibt und je lockerer die Fasern dadurch werden, desto nahrhafter und verdaulicher ist das Fleisch, wie sich beim Abstechen, Schlagen, Jagen u. s. w. deutlich zeigt.

NB. Daß civilisirte Menschen das Fleisch der Pferde, Kaninchen, Katzen, Hunde, Ratten u. s. w. so wenig zu ihrer Nahrung anwenden, und zwar nur eines dummen anerzogenen Ekels wegen, und dafür lieber bei Kartoffeln langsam verhungern, zeigt von keiner großen Civilisation.

(Bock.) 
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_245.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)