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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

auf den Menschen wirkt, wie die Unendlichkeit des Großen, der Meere und Berge, der Sterne und Sonnen, mag Jeder an sich selbst erfahren. Es ihm vorher beweisen zu wollen, ist deshalb nicht gerathen, weil sich auf den noch nicht erweckten Sinn nicht mit nachhaltigem Erfolg einwirken lassen soll.

Noch ein Wort über das Mikroskop in technischer Beziehung. Im Allgemeinen kennt es wohl Jeder. Holland und Italien streiten sich um dessen Erfindung. Allerdings hatte man schon im 13. Jahrhundert einfache Vergrößerungsgläser in Italien, und Roger Bacon soll Dinge darin gesehen haben, die das Volk blos dem Teufel zuschreiben konnte. Aber das eigentliche zusammengesetzte Mikroskop und dessen wissenschaftlicher Gebrauch läßt sich blos bis auf’s 17. Jahrhundert zurückführen, wo der Holländer Leuwenhoek berühmte physiologische Entdeckungen durch dasselbe begründete. In neuester Zeit hat es mit den Fortschritten in der Lehre vom Lichte einen Grad von Vollendung erreicht, die jeden Laien, der zum ersten Male hindurchsieht, in Erstaunen setzen wird.

Man kann bereits bis 7000mal vergrößern, so daß das dünnste Haar die Gestalt des dicksten Balkens annimmt und sein ganzes inneres Getriebe enthüllt. Das Mikroskop besteht aus wenigstens zwei Gläsern, dem Objectglas, das ein vergrößertes Bild des dicht unter ihm befindlichen Gegenstandes entweder direkt oder besser durch mehrere vergrößernde konvexe Gläser (Linsen) auf das Augenglas wirft, an welches sich das forschende möglichst dicht anschließen muß. Schlechte Mikroskope bestehen natürlich aus schlechten, d. h. unregelmäßig geschliffenen und Farben gebenden Gläsern. Ein gutes Mikroskop erkennt man besonders an achromatischen Gläsern, d. h. solchen, die blos klar vergrößern, ohne Farben zu erzeugen. Wer sich ein gutes Mikroskop verschaffen will, kaufe sich ein wohlfeiles, d. h. ein theures. Das wohlfeile taucht nämlich nichts, muß also weggeworfen und durch ein gutes ersetzt werden. Aeußerlich besteht das Mikroskop aus dem Ständer, der Objekt-Tafel, dem Leucht-Apparate und der Röhre mit den Gläsern. Der Ständer hält die Gläserröhre so, daß sie dem Gegenstande, der vergrößert werden soll, beliebig näher gebracht werden können. Die richtige Entfernung für die klarste Vergrößerung muß man sich suchen. Die Object-Tafel besteht am Einfachsten aus einem dunkeln Metallringe unter dem Objectglase, um den Gegenstand, den man untersuchen will, davon oder dazwischen zu befestigen. Der Leuchtapparat ist verschieden für dunkele und durchsichtige Körper. Für letztere besteht er aus einem concaven Spiegel, der sich in beliebige Winkel zu dem Objectglase stellen läßt und sein gesammeltes Licht in die Röhre werfen muß. Für durchsichtige Gegenstände wird statt des Spiegels eine Collectivlinse (convex) gebraucht, die so am Ständer befestigt ist, daß sie sich beliebig drehen läßt. Für den Gebrauch des Mikroskops nur noch einige Andeutungen. Man kann bei Sonnen- und künstlichem Lichte beobachten. Ersteres ist am Besten, wenn die Sonne klar am Himmel oder einer weißen Wolke gegenübersteht. Man hüte sich, das Sonnenlicht direct in den Leuchtapparat fallen zu lassen, weil dies ein colorirtes Bild giebt und die Augen verdirbt. Das beste künstliche Licht ist eine Flamme von reinem Oel. Der Tisch, auf dem das Mikroskop steht, darf nicht mit einer hellen Decke versehen und nicht polirt sein, weil dies viel Licht zerstreut und verbraucht. Die Gläser müssen natürlich (mit einem Stückchen alter Leinwand) rein gehalten und zuweilen erst mit einem Kameelhaarpinsel und dann mit Alkohol von der dünnen Haut, die sich aus der Atmosphäre mit der Zeit ansetzt, befreit werden. Da Augengläser oft mit Canada-Balsam überstrichen sind, muß man den Alkohol nur sehr vorsichtig anwenden und ein Leinenläppchen nur ein wenig damit anfeuchten. Mikroskope, die etwa 400mal ganz klar vergrößern, sind im Durchschnitt die besten.

Ueber eine 400fache Vergrößerung hinaus geben nur noch die genauesten (und deshalb sehr theuern) Instrumente noch klare Bilder. Alles Uebrige wird man von jedem guten Optiker, von dem man das Instrument kauft, erfahren, der auch die interessantesten Gegenstände, die sich besonders für das Mikroskop eignen, für unmittelbaren Gebrauch vorbereitet halten wird. Zubereitung kleiner Gegenstände für das Mikroskop ist Sache eigenen Witzes, eines zarten, scharfen Messers, einer feinen Scheere, von ein Paar Nähnädeln (an kleinen Schrauben befestigt), einer feinen Zange u. s. w. Einen Wassertropfen wird jeder an einer Spitze unter das Mikroskop bringen lernen, um zu sehen, wie sich darin eine Menge wunderliche Wesen ihres kurzen Lebens freuen, bis sie mit ihrer ganzen Erde im warmen Sonnenlichte vergehen, wie ein Hauch, um im nächsten Tropfen oder als ein Theil des Menschen, eines Thieres oder einer Pflanze wieder aufzuleben. Will man die todte Natur wirthschaften sehen, verdunste man unter dem Mikroskope einen Tropfen Salzwasser durch ein Spiritusflämmchen; man sieht, wie die Krystalle sich hitzig beeilen, zusammenzuschießen, um stark durch Vereinigung dem Spiritus des Todes zu trotzen.




Colt’s Drehpistolen-Fabrik in Milbank.


Eine der neuern Waffen, welche bestimmt ist, eine große Rolle zu spielen und auch schon zum Theil gespielt hat, sind die von dem nordamerikanischen Obersten Colt in Hartfort (Connecticut) erfundenen Revolvers oder Drehpistolen. In dem letzten Kriege der Vereinigten Staaten gegen Mexiko haben sich die Revolvers als so zweckmäßig bewährt, daß sie zur Lieblingswaffe der Yankees geworden sind, zugleich aber auch die Aufmerksamkeit der Militärs aller Länder erregten, und daher schließlich den Erfinder Colt veranlaßten, von Amerika herüber zu kommen und in Milbank bei London eine große Fabrik zu gründen. Hier, wo neben zweihundert Maschinen an vierhundert Arbeiter beschäftigt sind, sowie in Colt’s noch bedeutendern Fabriken jenseits des Oceans, konnten, dem Weltfrieden zum Trotz, schon seit geraumer Zeit die einlaufenden Bestellungen nicht befriedigt werden.

Der Leser begleite uns auf einem Besuche nach Milbank. Eine Tafel setzt uns in Kenntniß, daß der Eintritt nur in Geschäftsangelegenheiten oder auf besondere Erlaubniß gestattet ist. Letztere ertheilt uns der Oberaufseher; wir treten in das Comptoir und finden hier den Oberst Colt selbst. Man fühlt gleich, daß man sich keinem Manne gewöhnlichen Schlags gegenüber befindet, doch vereinigt der Oberst die ausgesuchteste Höflichkeit mit dem liebenswürdigsten Sich-Gehen-Lassen, und bietet sich uns sofort selbst zum Cicerone in seinem weitläufigen Etablissement an, wohin wir ihm voller gespannter Erwartung folgen.

Ehe eine Drehpistole fertig wird, unterliegt sie zweihundert verschiedenen Operationen, welche ungefähr einen Zeitraum von sechs Monaten erfordern. Der Anfertigung vom Beginn bis zum Ende zu folgen, wäre daher eine Aufgabe, für welche in der Gartenlaube der Raum mangelt, und die ohne zahlreiche erläuternde Zeichnungen dem Leser auch nur unverständlich bleiben würde. Wir beschränken uns daher auf die Erzählung des Wesentlichsten, was wir bei unserm Besuche zu sehen bekommen.

Das drei Stock hohe Fabrikgebäude ist ungefähr 300 Füß lang. Die zur Fabrikation der Revolvers nothwendigen Maschinen und Werkzeuge werden im untersten Stocke verfertigt, wo sich eine das Ganze treibende Dampfmaschine von 32 Pferdekraft befindet. Hier auch ist die große Schmiede gelegen, wo zuerst die Pistolenläufe hergestellt werden. Eine Vorrichtung, die in ihrem Baue Aehnlichkeit mit einer Guillotine hat, und wo ein an einer Kette befestigter Hammer mit voller Wucht von Oben herabfällt, giebt hierauf dem Sitze des Schlosses am Laufe mit einem einzigen Schlage die gewünschte Form. Wenn die zu diesem Zwecke glühend gemachten Läufe wieder erkaltet sind, kommen sie in die Bohrmaschine, worauf die Außenseite geglättet wird, während eine andere Maschine in die Innenwand Fugen einschneidet. Hieran schließt sich das schraubenmutterartige Ausbohren der Läufe, wonach eine Justirmaschine den gezogenen Lauf fertig herstellt. Hält man einen Pistolenlauf in diesem Zustande gegen das Licht, so ist man nicht wenig über die prachtvolle Schneckenform des Zugs erstaunt, welche wie bekannt, eine nothwendige Bedingung für die Sicherheit des Schusses ist. Außerdem hat dieses Verfahren den Vortheil, daß, indem es die Oberfläche dem vollen Lichtstrahle aussetzt, der kleinste Fehler im Metalle wahrzunehmen ist.

Der Bau des aus mehreren sich drehenden Abtheilungen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_223.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)