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verschiedene: Die Gartenlaube (1854)

Glanze und zeigten so auf zwiefach malerische Weise ihre wunderbar zerrissenen Formen. Auf der Hochebene selbst lag noch ein halbdunkler Schimmer gebreitet, der aber immer lichtgrauer und lichtgrauer ward und immer mehr einen freien Ueberblick gestattete.

Plötzlich schlängelte sich in ziemlicher Entfernung eine hellstrahlende Rakete an dem noch grauen Himmel empor, der gleich darauf eine zweite und dritte nachfolgten. Ein freudiges „Enfin“ von den Lippen des Commandanten begrüßte das schon lange von demselben erwartete Signal zum Gefecht. Jetzt zuckte ein mächtiger Flammenschein am Ende der Hochebene auf, seine rothe Gluth mit der Morgendämmerung mischend. Ein Donar (Zeltdorf) der Kabylen war es, was, von den Spahis in Brand gesteckt, aufflammte. Ein wildes Kampfgetöse, Schießen, Stechen, einzelne Commandowörter oder Trompetensignale, doch Alles so miteinander vermischt, daß man die einzelnen Töne nicht gut unterscheiden konnte, erscholl nun bald von der Flammenstätte her. Mit welch freudiger Ungeduld lauschten die Chasseurs diesen Tönen, wie gerne wären sie im raschen Lauf an den Ort des Gefechtes hingeeilt, um an demselben mit Antheil nehmen zu können, wenn nicht die strengste Disciplin sie in Reih und Glied gefesselt hätte. Doch nur wenige Minuten vergingen noch, dann sollten auch ihre Büchsen bald blutige Arbeit finden. In wilder Eile kam ein großer Trupp fliehender Kabylen über die Ebene dahergelaufen, womöglich hier einen Ausweg vor den sie verfolgenden Spahis zu finden. Ungefähr an 300 bewaffnete Männer, dann auch mehrere Weiber und Kinder, konnte man in der jetzt schon ziemlich hellen Morgendämmerung erkennen. Vergebens war das Bemühen der Fliehenden, hier einen Durchbruch zu gewinnen, nur die Büchsen der Chasseurs starrten ihnen entgegen. An zweihundert Schritt mochte der regellose Haufe der Kabylen wohl schon herangekommen sein, da erscholl der Befehl des Commandanten, die Salve zu geben und sogleich krachten die Büchsen des ersten Gliedes in den feindlichen Schwarm hinein. Gar mancher Kabyle stürzte todt zusammen, oder wälzte sich schwer getroffen in seinem Blute, während der Rest, als ihm ein so verderblicher Empfang hier geworden, nach allen Seiten auseinanderstäubte, um wo möglich anderweitig die Rettung zu versuchen. Doch wie die Geister der Rache, saßen ihnen jetzt die kleinen dunkelen Gestalten der Chasseurs auf den Fersen. „Les Tirailleurs en avant“ hieß das Kommando und sogleich eilten im gewohnten Schnellschritt die Tirailleurszüge der Chasseurs vorwärts, um die einzelnen Feinde zu verfolgen und aufzureiben.

Welche Kampfeslust und Rachsucht beseelte die französischen Soldaten, wie war jetzt, wo es endlich zu dem so heiß ersehnten Gefecht mit den Feinden kam, auch die letzte Spur von Müdigkeit verschwunden. „Ecrasez ces chiens noirs - pas de quartier ces assassins“ rief es laut in den Gliedern derselben und so stürmten die Tirailleurs fort. Von allen Seiten umzingelt, hinter sich die Säbel der Spahis, die unbarmherzig Alles, was sie erreichen konnten, niederhieben, vor sich die ebenso verderblichen Büchsen der Chasseurs, blieb den Kabylen nichts Anderes mehr übrig, wie in wüthendem Vernichtungskampf doch noch Rettung zu versuchen, oder wenigstens ihr Leben so theuer als nur möglich zu verkaufen. Ueberall konnte man nun auf der Ebene die einzelnen Gruppen der Fechtenden erblicken, überall knallten Schüsse, blitzten Säbel, ertönten grimmige Flüche und Verwünschungen in arabischer oder französischer Sprache, schmetterten die Trompeten der Chasseurs die Signale. Die Kabylen sind starke, gewandte und sehr muskulöse Leute, und jetzt, wo die Verzweiflung ihre Kräfte noch verdoppelte, gaben sie wahrlich nicht zu verachtende Gegner für die französischen Truppen ab. Gar mancher Chasseur hatte genug zu thun, daß er sich mit dem Haubayonnet vorn auf seiner Büchse gegen den Yatagan des wie eine Katze so behenden Gegners hinreichend vertheidigte, und auch die langen Flinten der Kabylen streckten noch manchen Sohn der Gascogne und Provence darnieder. Was half den Verfolgten aber ihre auch noch so muthige Gegenwehr gegen die Uebermacht der von allen Seiten sie umringenden Feinde, immer spärlicher ward das Häuflein der Kämpfenden, immer größer die Zahl der als Leichen den Boden schon Bedeckenden. Aber immer noch ertönte das grimmige „Allein allek, allein allek“ der Kabylen, das „pas de quartier - poignardez - ces coquins - ces assassins“ der Franzosen. Besonders auch die Spahis hauten wüthend auf die Feinde ein und ihre krummen Säbel blitzten förmlich in dem Schein der jetzt schon ganz hell aufgegangenen Morgensonne.

Wohl eine Stunde oder noch etwas darüber mochte das Gefecht schon gedauert haben, als keine kämpfenden Kabylen mehr auf der Hochebene zu erblicken waren. Ungefähr die Hälfte derselben mochte sich einzeln durchgeschlagen und auf die hohen steilen Berge der Nähe, in denen eine Verfolgung unmöglich war, geflüchtet haben, der Rest, und unter diesen auch mehrere Frauen und Kinder, lag als Leichen auf dem Boden, dessen grüner Rasen an gar vielen Stellen mit Blut geröthet war. Pardon wird bei solchen Kämpfen gegenseitig fast nie gegeben, und besonders auch die Spahis in französischen Diensten zeichnen sich durch wilde Wuth aus und hauen ohne Weiteres Alles nieder, was ihnen vor die Klinge kommt, sei dies nun Weib oder Krieger, Greis oder Kind. Freilich wissen diese Spahis auch, daß, wenn sie das Unglück haben sollten, lebendig in die Hände ihrer Gegner zu fallen, sie nicht allein blos getödtet, sondern vorher auch noch auf die grausamste Weise gemartert werden, und es selbst die Frauen und Kinder nicht verschmähen, mit wilder Freude an dieser Quälerei Theil zu nehmen.

Da die Verfolgung der noch in die Felsenklüfte geflüchteten Kabylen doch zu nichts geführt und nur wahrscheinlich einzelnen Franzosen das Leben gekostet haben würde, so ließ der Commandant nun das Signal geben, daß die Tirailleurs, die theilweise weit bei der Verfolgung der einzelnen Feinde noch zerstreut waren, zurückkommen und sich wieder sammeln sollten.

Gleich gierigen Raben waren unterdeß die Spahis schon beschäftigt gewesen, die Leichen der Kabylen zu plündern, nachdem sie denselben ihrer Gewohnheit nach die Köpfe mit ihren Yatagans abgeschnitten und solche auf einen Haufen zusammengetragen hatten. An 187 feindliche Köpfe waren es, die hier auf solche Weise aufgeschichtet wurden.

Als die Chasseurs, von denen Einzelne Wunden und andere Spuren des Kampfes zeigten, nach und nach Alle zurückgekommen waren, wurde ein Appell abgehalten, um die Zahl der Fehlenden zu erfahren. Nicht ganz geringe war der Verlust, denn sieben Chasseurs waren todt und einige zwanzig mehr oder minder so verwundet, daß sie den Händen des Chirurgien-Majors übergeben und dann auf Tragbahren von ihren Kameraden in die nächste Ambulance getragen werden mußten. Auch von den Spahis waren mehrere geblieben und verwundet. Die Leichen der Kabylen überließ man als willkommene Beute den zahllosen Schakals, die bald damit fertig wurden. Die der Chasseurs und Spahis aber wurden zusammen in eine weite Grube gelegt und auf die schon vorhin beschriebene Weise begraben und mit dreimaligen Salven auf militärische Weise geehrt.

Während aber noch der größte Theil der Soldaten mit diesen Vorrichtungen beschäftigt war, hatten Andere einige der Hammel, die man im Donar der Kabylen erbeutete, geschlachtet, abgezogen und in großen Stücken an den schnell angezündeten Feuern gebraten. Das gab denn ein gar treffliches Frühstück nach den schmalen Bissen und der großen Anstrengung der letzten Tage, denn so viel er nur irgendwie essen mochte und wollte, konnte jeder Soldat von dem schönen, saftigen Hammelbraten sich mit dem Messer herabschneiden und sogleich aus freier Hand verzehren. So geht es nun einmal im afrikanischen Kriege, Mangel und Ueberfluß wechseln oft gar scharf miteinander ab. Viele Tage lang muß der Soldat oft hungern, daß ihm die Schwarte krachen und er den Leibriemen immer enger und enger schnallen muß, dann hat er wieder den fettesten Braten oder die köstlichsten Südfrüchte im größten Ueberfluß und vergeudet viel mehr wie er zu verzehren vermag.

Nach der Mahlzeit erfolgte ein mehrstündiger Schlaf, der den ermüdeten Chasseurs sehr erquicklich dünkte, dann wurde wieder angetreten und mit munteren Gesängen zu dem zurückgebliebenen Theil des Bataillons der Rückmarsch angetreten. War doch der Hauptzweck der Expedition jetzt glücklich erreicht und ein gefährlicher feindlicher Stamm so hart gezüchtigt worden, daß er auf lange Zeit gewiß nicht wieder die Waffen zu erheben wagte, natürlich also, daß die Chasseurs guter Dinge waren und alle eben erlittenen Strapatzen und Verluste gar leicht verschmerzten.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1854). Ernst Keil, Leipzig 1854, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1854)_221.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2018)