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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Waarenpostpferd angestellt worden. Er hatte einen hübschen Garten vor seiner Thür und rühmte sich, auch Weißbierbrauer zu sein, was ihm besonders viel einbrächte. Er setzte mir denn auch wirklich ein Getränk vor, das wie Weißbier schmeckte, sogar noch viel saurer. Es war Frucht-Most, der gährend sich vom Schaum geläutert, zum Trank geworden, der Geist und Sinn erheitert. Für einen solchen Weißbierbrauer und Kuhhauttreiber war die Frau zu schön. Sie hatte etwas Rührendes in ihren Bewegungen, besonders wenn sie jedesmal, nachdem sie etwas zum Essen oder Trinken angeboten, die Arme kreuzweise über die Brust legte, ihre braunen Augen aufschlug, senkte und sich selbst dazu. So eine Verbeugung könnte in den feinsten Salons Furore machen, wenn sie so natürlich gelänge. Mann und Frau lebten seit etwa sechs Wochen zusammen in der größten Glückseligkeit, ohne daß sie mit einander sprechen konnten. Sie lachte jedesmal, wenn sie Berliner Deutsch nachsprechen sollte und es nicht über die Zunge bringen konnte, und er verwechselte die vielen Vokale ihrer Sprache so oft und verwirrend, daß sie aus dem Lachen nicht herauskam, wobei sie sich öfter zu seinen Füßen warf und ihm ihre schneeweißen Zähne und dunkeln, braunen Augen mit einem solchen glücklichen Uebermuthe zeigte, daß er Mulacksgasse und ganz Berlin und ganz Europa vergaß und es immer noch für einen Traum hielt, mit einer indianischen Schönheit, die mit ihm gar nicht sprechen konnte, so überglücklich zu sein.

Wir blieben zwei Tage bei ihm, auf dem Rückwege noch länger. In Nicaragua verlebte ich bei den republikanischen Chocoladen-Fabrikanten aus Hannover, Baiern u. s. w. auch recht glückliche Tage. Jeden Morgen ging es zu Pferde nach dem etwa ein Stündchen entfernten großen See, wo die Natur alle ihre Schönheit an Bäumen, Blumen, Thieren und Menschen enthüllte, wie in Granada. Doch eine dunkle (wenigstens Dir noch nicht bekannte) Sehnsucht trieb mich bald wieder nach Granada zurück durch böse Affen, bunte Vögel und besonders graziöse, neugierige Giraffen hindurch, die mich mit ihren kleinen Köpfen hoch von Oben beguckten, wenn ich zu Pferde an ihnen vorbei sauste. Es ging schnell; nämlich Du mußt wissen, daß ich verheirathet hin. Ich kam dazu, ich wußte selbst kaum wie, will Dir’s aber erzählen. Eines Morgens war mir das Planschen und Plätschern um mich herum vor Granada etwas zu bunt und dicht. So schwamm ich weit hinaus nach einer der 6 kleinen paradiesischen Inseln, die sich 1/2 bis 3 Stunden weit Granada gegenüber im Nicaraguasee wie große Blumen-Bouquets erheben. Kaum hatte ich die nächste Insel erreicht, so trat eine etwas in’s Bräunliche spielende, ganz lebendige medicäische Venus hervor und bat mich, wenn ich zurückgeschwommen, ihren Vater zu bitten, daß er einen Kahn herübersende; sie getraue sich nicht, wieder hinüber zu kommen, da sie wiederholt einen Krampf in den Fuß bekommen habe. Ich bot ihr an, ihr nachzuschwimmen und sie im Falle der Noth bei den Haaren über Wasser zu halten und so mit hinüber zu bugsiren. Der Einfall gefiel ihr. Sogleich löste sie ihr schönes Haar als den Rettungsanker im Falle der Noth, sprang von dem grünen Hügel hinunter in das blaue, tückische Wasser und ich ihr nach. Sie schwamm wie ein Fisch, so daß ich trotz aller Anstrengung weit zurückblieb. Endlich schrie sie auf und sank, ehe ich sie erreichen konnte, doch beim Auftauchen faßte ich sie, freilich nicht beim Haar, und in ihrer Besinnungslosigkeit klammerte sie sich an meine Füße an, daß ich unfehlbar mit ihr gesunken, wenn nicht vom Ufer her uns ein Mann zu Hülfe gesprungen wäre, der mich ganz kunstgerecht in gehöriger Entfernung bei den Haaren zu halten wußte. Die Geschichte war bald erzählt und der Schreck überwunden, so daß der Vater meiner Unglücksgenossin scherzhaft äußerte, ich müsse seine Tochter nun der Landessitte gemäß heirathen. Die Sitte verbietet nämlich jede Berührung beim Baden und wird ohne alle Polizei freiwillig unverletzt gehalten. Absichtliche Berührung gilt als Entehrung, die nur durch eine eheliche Verbindung gesühnt werden kann, selbst wenn auch in derselben Stunde die Scheidung wieder erfolgen sollte.) Dieser Scherz veranlaßte mich, seine Tochter etwas näher anzusehen. Auch folgte ich seiner Einladung, ihn in seinem Hause zu besuchen. So sah ich denn in Lyda bald eins der liebenswürdigsten Stückchen Erbsünde und erkannte in ihr zugleich den heitersten, gutmüthigsten Charakter. So standen wir eines Tages vor einer Art von Magistratsbeamten, dem wir unsere Absicht mittheilten. Er nahm seine Cigarre aus dem Munde, sagte, es sei gut und werde es heute noch in’s Buch eintragen. Mit diesem einfachen Processe war unsere Ehe geschlossen. Damit es aber nicht ganz an Feierlichkeit fehle, sagte der Vater der Stadt: „Mein hijo (Sohn), ich hoffe, Sie werden sie glücklich machen. Guten Tag, Usted!“ (Herr!) Wir bezogen unser eigenes Häuschen mit zwei Hängematten, einem Tische und ringsherum bankartig aufgeschichteten Teppichen (die sehr gut Stühle und Sopha’s vertreten) und einem treuen Indianermädchen, die Herrin des Hauses in der Wirthschaft des süßesten Nichtsthuns zu unterstützen. Außer der Ehe habe ich einen kleinen Handel mit Häuten und Gewürzen angefangen, mit gelegentlichem Uebersetzen für die Republik.




Blätter und Blüthen.

Ein Sturm in der Sandwüste. In den ausgedehnten Ebenen des nordwestlichen Asiens, wo sich weder Baum noch Strauch findet und nur selten eine geringe Erhöhung dem in die unendliche Ferne sich verlierenden Blick einen Ruhepunkt bietet, so wie in den dortigen Sandwüsten werden die Reisenden oft von Stürmen heimgesucht, die, besonders im Herbst und Winter, bisweilen eine so furchtbare Gewalt erlangen, daß sie Menschen und Thiere niederwerfen und sie unaufhaltsam über

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_391.jpg&oldid=- (Version vom 13.4.2020)