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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

„Aha,“ lachte der Rottmeister, „dann ist der Geldkasten wohl schon aufgepackt, den auf des Burghauptmanns Befehl das patzige Bürgervolk in Lüneburg endlich gefüllt. Nun dann seid Ihr willkommen, denn der Magnus verlangt sehnlich nach Geld und wartet schon längst auf Botschaft von daher.“

„Ich bringe wohl mehr, als der Herzog, unser gnädigster Herr glaubt,“ bemerkte Becker mit geheimnißvoller Wichtigkeit in Blick und Stimme. „Aber“ – fuhr er in einem vertraulichen Tone übergehend fort – „erst Kamerad laßt mich mein armes Roß sicher unterbringen, was wacker hat ausgreifen müssen, um mich so schnell als möglich bis hierher zu tragen, dann will ich Euch länger Rede stehen.“

„So ist’s recht, ein braver Reiter sorgt erst für sein Roß, dann für sich,“ lächelte beifällig der Rottmeister, als Becker dem Stallbuben folgte, während die übrigen Kriegsleute sich gleichgültig von ihm abgewendet, da sie in ihm nichts mehr als einen Eilboten sahen, deren von den Verbündeten des Herzogs in der neuern Zeit so viele in Celle eingetroffen waren.

„Willst du dir einen Goldgulden verdienen?“ – frug Becker den Stallbuben, dessen offenes ehrliches Gesicht ihm gefiel, als er mit diesem allein im Stalle war und sich nun überzeugte, daß sein Roß in guter Pflege sei.

„Einen Goldgulden!“ rief staunend der Stallbube. „Heiliger Ambrosius, einen Goldgulden – und womit denn?“

„Durch einen ganz leichten Dienst,“ fuhr Becker fort. – „Sieh! Du scheinst mir ein wackerer Junge und weißt, wie viel ein gutes Roß dem Reiter werth. Nun aber hat mein Ungarhengst hier scharf herhalten müssen und damit er mir nicht erlahmt durch halbstündige Ruhe, so sollst du ihn, sobald er richtig abgefüttert, aus dem Stalle ziehen und mir ihn bis vielleicht zum äußern Hofthore hin langsam auf- und abführen, so daß, wenn ich schnell wieder auf Herzogs Befehl zurück muß, was sicher geschehen wird, ich ihn auch sogleich wieder zum Fortritt besteigen kann. Versprichst du mir das?“

„Gewiß, Herr Ritter! verlaßt Euch darauf, Euer Roß soll gut verpflegt werden und Ihr sollt es gesattelt und gezäumt finden, noch ehe Ihr die Stufen wieder hinabsteigt, die zu des Herzogs Gemache führen,“ entgegnete treuherzig der Stallbube und ging an die Fütterung des Pferdes, während der lüneburgische Kriegshauptmann mit hochklopfendem Herzen den Hallen der Hofburg zueilte und dort von einem herzoglichen Diener geleitet durch einen langen gewölbten Gang eine breite Treppe hinauf nach einer Art Vorzimmer geführt wurde, in welchem zwei Trabanten des Herzogs, lautlos auf und nieder schreitend und ohne den Ankommenden einer besondern Aufmerksamkeit zu würdigen, Wache hielten. –

In dem Gemache, vor welchem die Trabanten Wache hielten, saß Herzog Magnus Torquatus völlig gerüstet, über dem stark vergoldeten Brustharnisch die schwere silberne Kette tragend, mit welcher ihn als Jüngling des Vaters Zorn gefesselt, umgeben von seinen vertrautesten Räthen und Kriegsobristen, um eine große eichene Tafel, auf welcher eine Anzahl riesiger Humpen paradirten, welche der Mundschenk des Herzogs von Zeit zu Zeit füllte, da der Wein bei den Berathungen dieses Kriegsfürsten mit seinen Getreuen nie fehlen durfte. Zur Seite des Herzogs saß der Kanzler von Sprök, der Einzige, welcher an der großen Berathungstafel mit Schreibmaterial versehen war, vielleicht auch der Einzige, welcher die Schreibekunst wirklich verstand und neben diesem nahmen die Grafen von Hoya, Hallermund und Homburg Platz, während die übrigen Würdenträger des herzoglichen Hofes und die unter den Befehlen der genannten Grafen stehenden Kriegshauptleute in Gruppen vertheilt die Tafel umgaben. –

Die Berathung, welche mit der achten Stunde des Morgens begonnen und bereits drei Stunden gewährt, mochte dem Herzog eben nicht viel Erfreuliches gebracht haben, denn schon zeigten sich auf der vom Wein und Ingrimm gerötheten Stirn des Fürsten finstere Falten, die sichern Vorboten eines bald ausbrechenden Jähzorns, und man schien es der nächsten Umgebung des Herzogs anzumerken, daß bei so böser Laune, wie sie dem Welfenherzog bald zu überfallen drohete, keiner der rauhen bärtigen Kriegsmänner gern in seiner Nähe verweilte.

„Zum Teufel mit all’ diesen Verbündeten!“ – rief nach einer kurzen Pause unheimlichen Schweigens der Herzog plötzlich heftig und schlug so gewaltig mit der Faust auf den Tisch, daß der Kanzler von Sprök erschreckt zusammenfuhr, während die Grafen von Hoya und Hallermund sich ebenfalls erhoben und nur der Graf von Homburg sitzen blieb. – „Zum Teufel mit all’ den Verbündeten!“ wiederholte der Herzog. „Will der Erzbischof Albert von Magdeburg etwa dasselbe Spiel treiben, wie sein Vorfahr, der Erzbischof Dittrich bei Dünkeler[1] und den Feinden leichtes Spiel machen, wo wir vereint ihn für immer zu Boden halten würden. Warum stößt er mit seinem Kriegsvolke nicht zu uns, da bereits acht Tage verflossen, seit er versprochen mit 5000 Mann Fußvolk und 500 adeligen Reitern hier einzutreffen. Just so ging es damals auch und das Zögern brachte uns um Land und Freiheit, während das reiche Hildesheim mit all’ seinem Gold und Silber unser werden mußte und der Bischof Gerhard statt mit unserem Golde sein Domdach zu decken, froh sein durfte, wenn wir ihn nicht in den Hungerthurm gesperrt. Wahrlich des Kaisers Majestät hätte nicht gewagt uns die Achtserklärung zukommen zu lassen, wie er’s dann gethan, als wir von allen Seiten uns verrathen sahen. Aber Geduld! ich will diesen Glatzköpfen für ihr Zaudern und Heucheln eine Fackel aufstecken, die dem Kaiser von Aachen bis Goslar leuchten soll.“ –

„Und wird Adolph von Holstein nicht eben so wortbrüchig handeln wie Eure Pfaffen?“ frug trocken der Graf von Homburg seinen Platz verlassend und sich an die Ecke eines Bogenfensters lehnend.

„Holstein wortbrüchig?!“ fuhr Magnus auf. „Ha! dann dürfte ich mir selbst nicht trauen. Warum befürchtet Ihr dies?“

„Ich befürchte es nicht, aber ich vertraue auch Niemand als mir selbst,“ entgegnete Graf v. Homburg, einer der bedeutendsten Parteiführer der damaligen Zeit, über


  1. Durch zu spätes Eintreffen der erzbischöflichen Hülfsvölker verlor Magnus Torquatus die Schlacht bei Dünkeler d. 3. Sept. 1367 gegen Bischof Gerhard von Hildesheim.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_210.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)