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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 4. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter für 10 Ngr. vierteljährlich zu beziehen.

Eine Nacht des Entsetzens.

(Selbsterlebtes.)

Diesen Monat werden es gerade dreizehn Jahre, daß ich an einem Abende, mit mir und der ganzen Welt unzufrieden, allein in meinem Zimmer saß. In Brüssel war es, wo ich den Winter zu verbringen gedachte, nachdem ich am Rhein, in Wien, in Neapel, in Genf, in Dresden und Paris eine Zeit lang gelebt hatte, ohne zu finden, was ich suchte – das Glück der Zufriedenheit.

Da klopfte es an meine Thür. Schon einmal war es mir gewesen, als höre ich etwas der Art, da ich aber keine Tritte die Stufen herauf kommen gehört, hatte ich mir eingeredet, ich habe mich geirrt. Hastig griff ich nach meiner Lampe auf dem Tische, um sie anzuzünden; während ich aber die Kohlen im Kamine zu einer Flamme anzublasen versuchte, wurde das Klopfen stärker wiederholt und so ging ich an die Thür, um im Finstern zu öffnen.

„Wer da?“ fragte ich, denn ich sah Niemand.

„Ich bin’s,“ antwortete eine Stimme. „Sie werden mich schwerlich erwartet haben.“

„Falk?“ sagte ich, denn ich erkannte die Stimme.

Der Mann, der mich so unerwartet besuchte, war mir immer unangenehm gewesen. Vor einigen Monaten hatte ich mich in Verdruß von ihm getrennt und ihn seitdem nicht wieder gesehen. Besucht hatte er mich niemals, und so konnte ich mir durchaus nicht denken, was ihn jetzt zu mir führte.

„Sie haben mir etwas zu sagen?“ fuhr ich fort.

„Machen Sie Licht und ich werde mich erklären,“ antwortete er.

Ich machte Licht und setzte die Lampe auf den Tisch. Falk warf sich auf einen Stuhl und schob seinen Mantel zurück, der vom Regen durchnäßt war. Er hatte sich seit der Zeit, daß ich ihn nicht gesehen, so merkwürdig verändert, daß ich ihn dem Aussehen nach gewiß nicht erkannt haben würde. Sein Gesicht war eingefallen und blaß; seine Augen lagen tief in den Höhlen; er hatte einen großen Theil seines Haares verloren und das noch übrige war ganz kurz abgeschnitten.

„Auf der Straße würden Sie mich nicht erkannt haben,“ sagte er.

„Wahrscheinlich nicht,“ gab ich zur Antwort.

Er strich mit der Hand über die Stirn, als wisse er nicht, wie er fortfahren solle. Plötzlich sagte er dann:

„Wir schieden in Unfrieden.“

„Allerdings.“

„Denken wir nicht mehr daran. Ich habe den Muth nicht, alte Streitigkeiten wieder aufzustören. Ich bitte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_033.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)