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Wissenschaft machen könnte, – zu der Wissenschaft der sozialen Physiologie.

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Wenn diese Wissenschaft einmal die Produktion, wie sie gegenwärtig bei den zivilisierten Nationen, in der Kommune der Hindus oder bei den Wilden in Blüte steht, behandeln würde, dann würde sie gewiß, wie die Oekonomisten, bei einer bloßen Bestätigung der Tatsachen stehen bleiben und nur eine beschreibende Abhandlung, analog den beschreibenden Kapiteln der Zoologie und der Botanik, liefern. Aber sogar diese Beschreibung, wenn sie vorn Standpunkt der Oekonomie der Kräfte der Bedürfnisbefriedigung geschrieben würde, könnte dadurch nur an Uebersichtlichkeit und wissenschaftlichem Wert gewinnen. Sie würde zur Evidenz beweisen, welche erschreckende Verschwendung mit den menschlichen Kräften im gegenwärtigen System getrieben wird, und man würde mit uns zu dem Schlusse kommen, daß, so lange dies währen wird, auch die Bedürfnisse der Menschheit niemals befriedigt werden können.

Das Bild würde aber, wie man sieht, ein total verändertes. Hinter dem Webstuhl, welcher so viele Meter Leinewand webt, hinter der Maschine, welche so viele Stahlplatten durchbohrt, und hinter dem Geldspind, in das so viele Millionen fließen, würde man den Menschen[WS 1], den Schöpfer der Produktion erblicken, der von dem Bankett, welches er für andere zugerichtet hat, bisher immer ausgeschlossen ist. Man würde auch begreifen, daß die vermeintlichen Wert- und Tauschgesetze nur der Ausdruck (häufig der sehr falsche Ausdruck, weil der Ausgangspunkt ein falscher war) der gegenwärtigen ökonomischen Verhältnisse sind, die sich aber ganz anders gestalten könnten und würden, sobald die Produktion zu dem Zwecke organisiert würde, allen Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht zu werden.

II.

Es gibt nicht einen einzigen Grundsatz der politischen Oekonomie, der nicht total verändert erscheinen würde, wenn man ihn von unserem Gesichtspunkte aus betrachtet.

Beschäftigen wir uns z. B. mit der Ueberproduktion. Es ist dies ein Wort, welches wir täglich hören. Gibt es in der Tat einen einzigen Oekonomisten, Akademiker oder solchen, der es werden will, der nicht Thesen aufgestellt hätte, um die ökonomischen Krisen als aus der Ueberproduktion resultierend hinzustellen, der nicht gesagt hätte, daß man in einem gegebenen Moment mehr Baumwollenstoffe, Tuche, Uhren, produziert, als man bedarf? Hat er nicht auch bisweilen die Kapitalisten, welche stets über den möglichen Verbrauch hinaus produzieren wollten, beschuldigt?

Nun, ein solches Raisonnement erweist sich als falsch, wenn man der Frage wirklich auf den Grund geht. Nennt uns einmal wirklich eine Ware, welche in allgemeinem Gebrauch ist, und von der man wirklich mehr produziert, als man bedarf. Prüfet alle jene Artikel, einen nach

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Menchen
Empfohlene Zitierweise:
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin, Bernhard Kampffmeyer (Übersetzer): Die Eroberung des Brotes. Der Syndikalist, Berlin 1919, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Eroberung_des_Brotes.pdf/157&oldid=- (Version vom 27.8.2018)