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Anonym: Edda

Hräswelg heißt,   der an Himmels Ende sitzt,
In Adlerskleid ein Jote.
Mit seinen Fittichen   facht er den Wind
Über alle Völker.


19. Da fragte Gangleri: Wie kommt es, daß der Sommer heiß ist und der Winter kalt? Har antwortete: Nicht soll ein kluger Mann also fragen, denn hievon weiß ein Jeder Kunde zu geben. Wenn du aber allein so unwißend bist, daß du dieß nie gehört hast, so will ich dir lieber zulaßen, daß du einmal unweise fragst als daß du länger dessen unkundig bleibst was ein Jeder wißen sollte. Swasudr heißt der Vater des Sommers; der ist so wonnig, daß nach seinem Namen alles süß (svasligt) heißt was milde ist. Aber der Vater des Winters heißt bald Windloni (Windbringer), bald Windswalr (Windkühl), und dieß Geschlecht ist grimmig und kaltherzig und der Winter artet ihm nach.

20. Da fragte Gangleri: Welches sind die Asen, an welche die Menschen glauben sollen? Har antwortete: Es giebt zwölf göttliche Asen. Da sprach Jafnhar: Die Asinnen sind nicht minder heilig und ihre Macht nicht geringer. Da sprach Thridi: Odhin ist der vornehmste und älteste der Asen. Er waltet aller Dinge, und obwohl auch andere Götter Macht haben, so dienen ihm doch alle wie Kinder ihrem Vater. Seine Frau ist Frigg; sie weiß aller Menschen Geschick, obgleich sie es Keinem vorhersagt. So wird berichtet, daß Odhin selbst zu dem Asen sagte, der Loki heißt:


Irr bist du, Loki,   daß du selber anführst
Die schnöden Schandthaten.
Wohl weiß Frigg   Alles was sich begiebt
Ob sie schon es nicht sagt.


Odhin heißt Allvater, weil er aller Götter Vater ist, und Walvater, weil alle seine Wunschsöhne sind, die auf dem Walplatz fallen. Sie werden in Walhall und Wingolf aufgenommen und heißen da Einherier. Er heißt auch Hangagott oder Haptagott, Farmagott und nannte sich noch mit vielen Namen als er zu König Geirröd kam:


Ich heiße Grimur   und Gangleri,
Herian, Hialmberi,
Theckr, Thridi,   Thudr, Udr,
Helblindi und Har.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/270&oldid=- (Version vom 31.7.2018)