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von einem Satyr, der in einem äthiopischen Dorf unweit der Nilkatarakte eine Frau zu vergewaltigen suchte, nachdem das Gespenst schon zehn Monate lang es auf die dortigen Frauen abgesehen und zwei, die es besonders liebte, ermordet haben sollte.[1] In Träumen von Männern treten analoge Sensationen auf. Ob wir in der erwähnten Stelle der vita Antonii eine Hindeutung auf einen derartigen Vorgang sehen müssen, mag ich nicht entscheiden. Es würde sich in einem solchen Falle um eine Gefühlshalluzination handeln. Zwar ist im Zusammenhang dieser Stelle auch von der Erregung sexueller Gefühle durch den Teufel die Rede (c. 5). Aber es ist nach dem Wortlaut immerhin möglich, daß bloß eine Gesichtshalluzination vorliegt. Andere Täuschungen des Tastsinnes aber lassen sich unzweifelhaft aus Antonius’ Munde feststellen. Hierin gehören die Schläge, welche er von den Dämonen zu leiden hatte, und die einmal wenigstens eine lange Ohnmacht mit sich brachten. „Wie oft, so erzählt er selbst (c. 40), haben sie mich mit Schlägen traktiert! Ich aber sprach: Nichts wird mich von der Liebe Christi scheiden (Rom. 8, 39). Dann schlugen sie vielmehr sich selber nieder. Jedoch nicht ich gebot ihnen Einhalt oder nahm ihnen die Kraft, etwas auszurichten. Das hat der Herr getan, welcher gesprochen hat: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Luk. 10, 18). Die Selbstvernichtung der Dämonen ist das äußere Merkmal für das Abklingen der „Sensation“ (Täuschung des Tastsinnes). Sie steht als solches in einer Reihe mit dem Verenden des dämonischen Untiers oder mit der Auflösung Satans in Rauch. „Sensationen“ setzen gewöhnlich ernstere nervöse Störungen voraus. Hier sind sie durch die ungewöhnliche Erregung motiviert, welche mit dem Vordringen des Einsiedlers in die Domäne der Dämonen verbunden war. Störungen der Hautsensibilität treten bei der Neurasthenie in ganz hervorragendem Maße auf.[2] „Die Cariben fühlen den Schmerz, den ihnen die Schläge des Dämons Maboya im Traum verursachen, am Morgen noch.“[3]

     Es könnten schließlich Bedenken darüber aufsteigen, ob solche Vorgänge, in denen der Satan den Heiligen besucht und mit ihm sich in Wechselrede auseinandersetzt, bis er schließlich verschwindet, als einheitlich kombinierte Sinnestäuschungen überhaupt möglich seien. Ein Beispiel mag diese Bedenken heben. Koch berichtet über einen Herrn, der allerdings periodischen Störungen unterworfen war, folgendes Beispiel auffallender Sinnestäuschung: „Einmal sah er, wie er mir erzählte, in Stuttgart ein altertümlich und prächtig gekleidetes vornehmes Frauenzimmer dahinschreiten. Er vermutete, dies werde wohl eine Halluzination sein [denn er hatte früher die Erfahrung gemacht, daß die halluzinierten Menschen auffallende, bunte und altertümliche Kleider trugen], ging darauf zu und bat um die Erlaubnis, die Dame begleiten zu dürfen. Darauf erwiderte sie etwa: ‚Aber das paßt sich nicht, daß man ein unbekanntes Fräulein anspricht und begleitet.‘ Nun war er seiner Sache ziemlich sicher und meinte: „Ach was, bei uns beiden geht das schon.“ Er begleitete sie eine Straße hinab und unterhielt sich mit ihr. „Da haben Sie schöne Federn auf ihrem Hute“, sagte er unter anderem, „da könnten Sie mir wohl eine davon abtreten“, und trotz ihres Widerspruchs nahm er ihr ein kleines Federchen vom Hute und steckte es unter seinen Siegelring, zwischen


  1. Vita Apollonii VI 27 (B. Teubn. I 241 sq.).
  2. J. Beßmer S. I., Die Grundlagen der Seelenstörungen, Freiburg 1906, S. 103.
  3. Radestock S. 126.
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Stoffels: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ferdiand Schöningh, Paderborn 1910, Seite 826. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Angriffe_der_D%C3%A4monen_auf_den_Einsiedler_Antonius_826.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)