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vita Antonii besinnen sich auf ihr eigentliches Interesse, die ethischen Versuchungen nicht. Ja noch mehr, sie übernehmen begierig die denkbar ungereimteste, unwürdigste und törichteste Rolle. Die stolzen Dämonen treten als gehorsame Diener der furchterregten Phantasie des Mönches auf. Seine Vorstellungsbilder reproduzieren sie getreu, und wenn sie selbst eine ganze Rotte bewaffneter Soldaten oder eine Horde wilder Tiere in Scheingebilden darstellen müssen. Sie machen sich diese Mühe auch da, wo bei der seelischen Verfassung des Heiligen ihr Gebaren ihn nur nach mehr zur Vervollkommnung anspornen muß. Anderseits verschwinden sie, wenn auch zähneknirschend, sobald eine seelische Reaktion des Einsiedlers gegen seine Zwangsvorstellungen erfolgt. – Aber was erreichen sie mit ihrem Verwandlungsapparat und sklavischen Gehorsam? Der Schluß der Szene ist ja immer derselbe: der Einsiedler erneuert seinen Mut, lacht sie aus, verhöhnt sie, daß sie seit Christi Ankunft kraftlos seien, und sie verschwinden voll Wut und Scham, daß sie nicht den Heiligen, sondern sich selbst genarrt haben. Man sollte glauben, wenn es sich um jene gefallenen Geister handelte, denen die Theologie doch immer noch eine dem Menschen überlegene geistige Kraft zuschreibt, sie würden nach einigen solchen Erfahrungen gewitzigt von ihrer Selbstverhöhnung abgelassen haben. Indes diese Dämonen verdienen sich mit staunenswerter Ausdauer den Titel „Dumme Teufel“, den das Mittelalter, in der Auffassung des Antonius befangen, ihnen beigelegt hat. Ist es denkbar, daß die gefallenen Geister solch eine ungereimte, sklavische und törichte Rolle sich selbst freiwillig oder auch nur aus blinder, neiderfüllter Wut auserwählt hätten? Nein. Aber wird denn nicht Gott ihnen eine solche Aufgabe zur Strafe zugewiesen haben? Diese Aufgabe entspricht weder unserem Gottesbegriff noch findet sie in der vita Antonii irgend eine Stütze. So führt uns denn auch die theologische Betrachtungsweise zu der letzten und einzigen Möglichkeit, daß diese sklavisch gehorsamen und törichten Scheingestalten in Wahrheit Gespenster, Kreaturen der erregten Phantasie des Einsiedlers, Sklaven seiner überreizten Nerven sind. Die vita Antonii schildert also den langen schweren Kampf des Antonius mit seiner Furcht vor Gespenstern und Stimmen, die im Volksglauben sowohl als in seinen eigenen Sinnestäuschungen einen fruchtbaren Boden fand. Dieses gespenstische Treiben erscheint dem Einsiedler in religiöser Beleuchtung, weil er irrtümlich hinter seinen Halluzinationen jene Dämonen vermutete, von denen die neutestamentlichen Schriften sprechen. Ohne Zweifel haften indes seiner Dämonenvorstellung Elemente an, die in den heil. Schriften sich nicht finden, vielmehr aus einer heidnischen Unterströmung dämonischen Gespenster- und Verwandlungsspuks emporgestiegen sind.

     Meinem langen Verweilen bei dieser Einzelfrage wird man vielleicht mildernde Umstände zubilligen, wenn ich darauf hinweise, daß selbst neuste Literatur über mystische, insbesondere dämonologische Probleme den naturwissenschaftlichen und religionsgeschichtlichen Tatsachen noch nicht die nötige Beachtung schenkt. Auch Poulains Handbuch der Mystik bewegt sich viel zu sehr in den Bahnen überlieferter aprioristischer Konstruktionen. Es begnügt sich in unserer Frage mit folgender Erklärung: „Was die Natur der äußeren oder körperlichen Vision angeht (göttliche sowohl als teuflische), so können sie auf vierfache Weise entstehen. Die erste Art ist objektiv. Der Körper ist wirklich der jener Person, die uns erscheint. Seine Substanz wirkt auf unsere Augen ein. So können natürlich Engel und abgeschiedene Seelen sich

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Stoffels: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ferdiand Schöningh, Paderborn 1910, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Angriffe_der_D%C3%A4monen_auf_den_Einsiedler_Antonius_821.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)