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Symptomen eine natürliche Erklärung und Behandlung zuteil werden läßt, kann sich auch die Volksanschauung den Tatsachen nicht verschließen, daß gewisse natürliche Zustände wirklich Vorbedingung für das Wirken der Dämonen im Menschen werden. Der Volksglaube weiß nun für diese Tatsache eine Erklärung, die an kühner Konsequenz nichts zu wünschen übrig läßt, aber bei einem Vergleich mit der damaligen ärztlichen Auffassung des Problems nicht ernstlich in Frage kommen kann. Weil der Genuß von Wein oder von Bohnen und schwerverdaulichen Speisen Blähungen und unruhige Träume, d. h. nach dem Volksglauben dämonische Wirkungen hervorbringt, deshalb müssen in gewissen Früchten Dämonen sich aufhalten. Plinius berichtet, daß sich nach alter Vorstellung in den Bohnen die Seelen der Abgeschiedenen, d. h. schlimme Dämonen befänden. Bohnenbrei sei nach altem Ritus den Göttern heilig, weil er die Sinne schlaff mache und Träume errege.[1] Klemens von Alexandrien führt das pythagoreische Verbot des Bohnengenusses auf jene physiologischen Wirkungen zurürck.[2] Die ausführlichste Begründung für den Volksglauben gibt Porphyrius: „Auch die Leiber wahrlich sind von ihnen (den Dämonen) angefüllt. Sie freuen sich ja vor allem auf gewisse Speisen. Wenn wir nämlich speisen, kommen sie heran und vereinigen sich mit dem Körper. Deswegen nimmt man auch die Reinigungen vor, nicht so sehr der Götter wegen, sondern um jene zu entfernen. Vor allem verlangen sie nach Blut und Unreinigkeiten und genießen dieselben, indem sie mit in die Speisenden eindringen. Denn kurz gesagt, das Verweilen unserer Lust bei etwas und der Drang des Geistes zur Begierde könnte anderswoher nicht so mächtig sein, als wegen ihrer Anwesenheit. Sie nötigen auch den Menschen undeutliche Töne und Blähungen auf, indem sie gemeinsam mit ihnen genießen. Denn wo der Druck eines ausgedehnteren Pneumas ist, sei es nun, daß der Magen durch Wohlleben angefüllt, oder die Stimmung durch Zuwachs an Freude gestiegen ist und sehr nach außen drängt, da wird die Anwesenheit solcher Pneumata offenbar.“[3] Aber auch für die Tatsache, daß man mit Arzneimitteln die dämonischen Einflüsse beseitigen kann, weiß der Volksglaube seine Erklärung. Die Dämonen sind es nämlich, welche der Mixtur die Heilkraft geben. Tatian, der christliche Apologet, kennt auch die Tendenzen der Dämonen, wenn sie mit natürlichen Mitteln aus Wurzeln, Sehnen, Knochen und anderen Zusätzen Heilkraft verbinden. Sie wollen dadurch die Kranken vom Gottvertrauen ablenken und durch die Darbietung natürlicher Mittel in ihren Sklavendienst bringen.[4] So spricht er denn in seinem Eifer gegen die Dämonen das Wort aus: „Die Arzneikunst und alle ihre Zubehör ist ein und derselbe Trug.“[5]

Wir begnügen uns mit dieser Gegenüberstellung der ärztlichen Ätiologie


  1. Plinius, Nat. hist. 18, 118 (B. Teubn. III 175).
  2. Clem. Alex. Strom. 3, 435 D (Sylb.) ἀπαγορεύουσι κυάμῳ χρῆσθαι ὅτι πνευματο ποιὸν καὶ δύσπεπτον καὶ τοὺς ὀνείρους τεταραγμένους ποιεῖ τὸ ὄσπριον (Roscher, Ephialtes 27).
  3. Porphyrius, De philosophia ex oraculis haurienda ed. Wolff pg. 147 sq. (Tamb. 22 sq.).
  4. Tatian. Orat. c. 17 pg. 18.
  5. Tatian. Orat. c. 18: φαρμακεία δὲ καὶ πᾶν τὸ ἐν αὐτῇ εἶδος τῆς αὐτῆς ἐστιν ἐπιτεχνήσεως. – Makarius der Ägypter tadelt es an den Einsiedlern, wenn sie in Krankheitsfällen von Heilkräutern und Ärzten statt vom glaubensstarken Gebet Hilfe erwarten (hom. 48, 6).
Empfohlene Zitierweise:
Joseph Stoffels: Die Angriffe der Dämonen auf den Einsiedler Antonius. Ferdiand Schöningh, Paderborn 1910, Seite 819. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Angriffe_der_D%C3%A4monen_auf_den_Einsiedler_Antonius_819.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)