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hat, und die er in dem großartig angelegten Werke gleichen Titels dargestellt hat … Minkowski ist es zu danken, daß nach Hermites Tode die Führerrolle in der Zahlentheorie wieder in deutsche Hände zurückfiel und, wenn man überhaupt bei einer solchen Wissenschaft, wie es die Arithmetik ist, die Beteiligung der Nationen an den Fortschritten und Errungenschaften abwägen will: wesentlich durch Minkowskis Wirken ist es gekommen, daß heute im Reiche der Zahlen die bedingungslose und unbestrittene deutsche Vorherrschaft statthat. Die Überzeugung von der tiefen Bedeutung des Begriffes eines konvexen Körpers, dessen Verwendung in der Zahlentheorie so erfolgreich gewesen war, hatte sich bei Minkowski immer mehr befestigt, und dieser Begriff bildet denn auch das Bindeglied zwischen denjenigen Arbeiten Minkowskis, die wesentlich zahlentheoretische Ziele im Auge haben, und seinen rein geometrischen Untersuchungen“ (Hilbert, Gedächtnisrede auf Minkowski).

Zahlentheoretische Arbeiten von Hensel.

In dem ersten (einzig erschienenen) Bande der Vorlesungen Kroneckers über Zahlentheorie hat K. Hensel den Gedanken Kroneckers zur Ausführung gebracht, die von Dirichlet stammenden analytischen Methoden der Zahlentheorie dort auseinanderzusetzen, wo sie begrifflich hingehören, nämlich schon am Anfange der Darstellung. Außer diesem Werke hat Hensel soeben ein größeres Buch über seine Theorie der p-adischen Zahlen veröffentlicht, d. h. solcher Zahlen, bei denen statt der Basis 10 der gebräuchlichen Zahlen die Basis p gesetzt ist. Diese Theorie „läßt den engen Zusammenhang zwischen den arithmetischen und den algebraischen Eigenschaften dieser Zahlen deutlich erkennen“, ein Ziel, dem sich der Verfasser durch langjährige Untersuchungen zu nähern gesucht hat. Die Ergebnisse solcher Forschung hat er in seiner „Theorie der algebraischen Zahlen“ (1908) niedergelegt.

Invariantentheorie.

Der Zahlentheorie nahe steht die Algebra. Die formale Algebra hatte seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Invariantentheorie der Forschung ein ergiebiges Feld zur Ausbeute geliefert. Aronhold, Clebsch, Gordan, die in Deutschland mit frischer Kraft auf diesem Gebiete schöne Erfolge zu verzeichnen hatten, lenkten eine Schar begeisterter Nachfolger auf diese sehr mühsamen Untersuchungen. Da die Resultate der vielen Arbeiten allmählich sich ins Unübersehbare vermehrten, so veranlaßte die Deutsche Mathematiker-Vereinigung gleich nach ihrer Gründung W. Fr. Meyer zu einem ausführlichen Referate über das Gebiet; dieses erschien im ersten Bande des Jahresberichtes der Vereinigung (1894) unter dem Titel: „Bericht über die Fortschritte der projektiven Invariantentheorie“ und bildet einen starken Band, dessen Wert durch eine französische Übersetzung (1897) und eine italienische (1899) anerkannt wurde. Von den auf die Invariantentheorie innerhalb der neunziger Jahre erschienenen Arbeiten sind besonders die von “Hilbert“ hervorzuheben, weil sie die Fragen unter einem höheren Gesichtspunkte, nämlich dem der Funktionstheorie behandelten. Zu einer seiner Hauptabhandlungen über die Theorie der algebraischen Formen bemerkt W. Fr. Meyer

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/96&oldid=- (Version vom 20.8.2021)