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die sich im Wirtschaftsleben aller Völker geltend gemacht hat und sich im Handel und in der Industrie in verschiedenen Formen zeigt. Freilich ist diese Konzentrationsbewegung wohl nirgends mit der Intensität und Schnelligkeit aufgetreten wie im deutschen Bankwesen, und sie hat der Entwicklung geradezu die charakteristische Note gegeben, zumal ohne diese Konzentration die deutschen Banken wohl kaum in der Lage gewesen wären, den Anforderungen eines völlig veränderten Erwerbslebens gerecht zu werden. Die Ursachen, die zu dieser Konzentration führten und die Wege, die sie einschlug, waren in den verschiedenen Ländern verschieden; die Wirkung war überall gleich. Durch die gewaltigen Bevölkerungsverschiebungen und die Zusammendrängung der Massen in den Städten werden enorme Kapitalien für die Unterbringung und Ernährung dieser Massen erforderlich; das Prinzip der Konzentration macht sich aus wirtschaftlichen und technischen Notwendigkeiten heraus überall geltend und führt zu einer Verbesserung der Technik, der technischen Methoden und zu einer Vereinheitlichung der Betriebe. Im Bankwesen speziell erforderten die so unendlich gesteigerten Ansprüche eine ganz wesentliche Vermehrung der Kapitalien; der im regelmäßigen Verlauf der Dinge gesteigerte Umlauf der Barmittel genügte nicht, und es mußten sich zur Finanzierung der gewaltigen Unternehmungen die bis dahin getrennt marschierenden Kapitalkräfte zusammenschließen. Erleichtert wurde diese Konzentration durch das wirtschaftliche Institut der Aktie, die eine Zusammenfassung getrennter Kapitalien ohnehin wesentlich erleichtert und in vielen Fällen erst ermöglicht. Zunächst schritt man überall zu einer Erhöhung der eigenen Mittel, die man sich durch Vermehrung des Aktienkapitals zu verschaffen bemüht war; aber diese Art der Geldbeschaffung findet ihre natürliche Grenze an den Kursen; überhaupt lassen Rücksichten auf Rentabilität und Höhe der Dividende eine Vermehrung des Aktienkapitals immer nur bis zu einem bestimmten Grade zu. Hier setzte die Konzentrationsbewegung ein, indem, abgesehen von einzelnen Zusammenschlüssen, jedes Institut bemüht war, fremdes Kapital zu seinen wachsenden geschäftlichen Zwecken heranzuziehen. Man begann die Tätigkeit der Bank durch Schaffung von Depositenkassen und Filialen intensiver zu machen und suchte andrerseits die Fähigkeit, die emittierten Werte dauernd bei der Kundschaft unterzubringen, gerade durch die Ausdehnung dieser Klientel zu stärken. So wuchs wiederum mit der Vermehrung der Emissionstätigkeit das Konzentrationsbedürfnis der Banken. Am allermeisten mußte sich diese Bewegung in der Reichshauptstadt bewähren, wo eine besonders starke Börse die Voraussetzung erfolgreicher Emissionstätigkeit war; und das hatte wiederum die Folge, daß die großen internationalen Emissionen mit Vorliebe den Berliner Markt aufsuchten, weil die dortigen Emissionsbanken ihren Ruf als solche schon genügend bewährt hatten. Es lag in der Natur der Sache, daß auch das sonstige laufende Geschäft der Banken, sowohl der Akzeptverkehr wie das Wechselgeschäft mit dieser Konzentration in engem Zusammenhang stand, da das Wechselgeschäft sich wesentlich auf kommerzielle Beziehungen der Bank stützt. Auch die verfeinerten Methoden des Kreditwesens, die verbesserte Technik im Scheck-Abrechnungs- und Giroverkehr mußte die Konzentrationsbewegung fördern, je umfangreicher die Geschäftsbeziehungen und je zahlreicher die Klientel der Bank wurde. Besonders unterstützt

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/303&oldid=- (Version vom 20.8.2021)