Als nun Ida, Helias Tochter, vierzehn Jahre
alt geworden war, vermählte sie Kaiser Otto mit Eustachias,
einem Grafen von Bonn. Ida lag auf eine
Zeit im Traum, da däuchte ihr: als wenn drei Kinder
an ihrer Brust lägen, jedes mit einer Krone auf
dem Haupt; aber dem dritten zerbrach die Krone, und
sie hörte eine Stimme, die sprach „sie würde drei
Söhne gebären, von denen der Christenheit viel Frommen
erwachsen solle; nur müsse sie verhüten, daß sie
keine andere Milch sögen, als ihre eigne.“ Innerhalb
drei Jahren brachte auch die Gräfin drei Söhne zur
Welt; der älteste hieß Gottfried, der zweite Baldewin,
der dritte Eustachias; alle aber zog sie
sorgfältig mit ihrer Milch groß. Da begab sich, daß
auf einen Pfingsttag die Gräfin in der Kirche war,
und etwas lange von ihrem Säugling Eustachias blieb;
da weinte das Kind so, daß eine andere Frau ihm
zu säugen gab. Als die Gräfin zurückkehrte, und ihren
Sohn an der Frauen Brust fand, sprach sie: „ach
Frau, was habt ihr gethan? Nun wird mein Kind seine
Würdigkeit verlieren.“ Die Frau sagte: ich meinte
wohl zu thun, weil es so weinte, und dachte es zu
stillen. Die Gräfin aber war betrübt, aß und trank
den ganzen Tag nicht, und grüßte die Leute nicht,
die ihr vorgestellt wurden.
Die Herzogin, ihre Mutter, hätte unterdessen gar zu gern Kundschaft von ihrem Gemahl gehabt, wohin er gekommen wäre; und sie sandte Pilger aus, die ihn suchen sollten in allen Landen. Nun kam endlich
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_323.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)