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Seite. Da sprach die Fraue: „deß bin ich ungewohnt, warum seyd ihr schon wieder gekommen?“ Er schlug ihr einen Faustschlag, und sagte: „weh mir, daß dich meine Augen je gesehen, und ich meine Ehre durch dich verloren habe; das soll dir ans Leben gehen.“ Die Königin erschrak, und erweinte: „schonet eure Worte, und haltet auf eurer Ehre! Ich sehe, daß ich verlogen worden bin; ist es aber durch meine Schuld, so will ich den Leib verloren haben.“ Carl zwang seinen Zorn, und antwortete: „Du pflegest unrechter Minne, wie möchtest du länger dem Reiche zur Königin taugen!“ Sie sprach: „ich will auf Gottes Urtheil dingen, daß ich es nimmermehr gethan habe, und vertraue, seine Gnade wird mir beistehen.“

Die Fraue sandte nach vier Bischöfen, die mußten ihre Beichte hören, und immer bey ihr seyn; sie betete und fastete bis der Gerichtstag kam. Bischöfe, Herzoge und eine große Volksmenge hatten sich versammelt, die Königin bereitete sich zu der schweren Arbeit. Als die edeln Herren sich dazwischen legen wollten, sprach sie: „das wolle Gott nicht, daß man solche Reden von mir höre, und ich länger die Krone trage.“ Da jammerte es allen Fürsten.

Die Fraue mit auferhabenen Augen, und unter manchem guten Segen schloss in ein Hemde, das darzu gemacht war. Gebete wurden gesungen und gelesen, und an vier Ecken zu Fußen und Händen, zündete man ihr Hemde an. In kurzer Stunde brann es von ihr ab, das Wachs floß auf das Steinpflaster

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_166.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)