jungen Chlotars Vormund, erhob sich das Heer, und
zog in einen Wald; Landerich griff ein Beil, und
hieb sich einen Baumast; drauf nahm er Schellen und
hing sie an des Pferdes Hals, auf dem er ritt.
Dasselbe zu thun ermahnte er alle seine Krieger; jeder
mit Baumzweigen in der Hand und klingenden Schellen
auf ihren Pferden, rückten sie in früher Morgenstunde
dem feindlichen Lager näher. Die Königin,
den jungen Chlotar in den Armen haltend, ging voraus:
damit Erbarmen über das Kind die Krieger entzünden
möchte, welches gefangen genommen werden
mußte, wo sie unterlägen. Als nun einer der feindlichen
Wächter in der Dämmerung ausschaute, rief er
seinem Gesellen: „was ist das für ein Wald, den
ich dort stehen sehe, wo gestern Abend nicht ein Mal
kleines Gebüsch war?“ „Du bist noch weintrunken und
hast alles vergessen – sprach der andere Wächter;
unsere Leute haben im nahen Wald Futter und Weide
für ihre Pferde gefunden. Hörst du nicht, wie die
Schellen klingen am Halse der weidenden Rosse?“
(Denn es war von alten Zeiten her Sitte der Franken,
und zumal der östlichen, daß sie ihren grasenden
Pferden Schellen anhingen; damit, wenn sie sich verirrten,
das Läuten sie wieder finden ließe.) Während
dessen die Wächter solche Reden unter einander
führten, ließen die Franken die Laubzweige fallen,
und der Wald stand da leer an Blättern, aber dicht
von den Stämmen schimmernder Spieße. Da überfiel
Verwirrung die Feinde und jäher Schrecken; aus
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_112.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)