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eines Felsens sammelt sich die Sage dauernder, als um den Ruhm selbst der edelsten Geschlechter. Ueber das Verhältniß der Geschichte zur Sage haben wir uns bereits im allgemeinen erklärt, so gut es, ohne in die noch vorbehaltene Untersuchung und Ausführung des Einzelnen einzugehen, geschehen konnte. In Bezug auf das Eigenthümliche der gegenwärtigen, die man Stamm- und Geschlechtssagen nennen könnte, läßt sich hinzufügen, daß sie wenig wirkliche und urkundliche Begebenheiten enthalten mögen. Man kann der gewöhnlichen Behandlung unserer Geschichte zwei, und auf den ersten Schein sich widersprechende Vorwürfe machen: daß sie zu viel und zu wenig von der Sage gehalten habe. Während gewisse Umstände, die dem reinen Elemente der letzteren angehören, in die Reihe wirklicher Ereignisse eingelassen wurden, pflegte man andere ganz gleichartige schnöde zu verwerfen, als fade Mönchserdichtungen und Gespinnste müßiger Leute. Man verkannte also die eigenen Gesetze der Sage; indem man ihr bald eine irdische Wahrheit gab, die sie nicht hat, bald die geistige Wahrheit, worin ihr Wesen bestehe, ableugnete, und sich, gleich jenen Herulern, als sie durch blaublühenden Lein schwimmen wollten, etwas zu widerlegen anschickte, was in ganz verschiedenen Sinn behauptet werden mußte. Denn die Sage geht mit andern Schritten, und

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite IV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_004.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)