den Harz von Riesen bewohnt, die Heiden und Zauberer
waren, Raub, Mord und Gewaltthat übten.
Sechzigjährige Eichen rissen sie sammt den Wurzeln
aus und fochten damit. Was sich entgegenstellte
wurde mit Keulen medergeschlagen und die Weiber in
Gefangenschaft fortgeschleppt, wo sie Tag und Nacht
dienen mußten. In dem Boheimer Walde hauste dazumal
ein Riese, Bodo genannt. Alles war ihm unterthan,
nur Emma, die Königstochter vom Riesengebirge,
die konnte er nicht zu seiner Liebe zwingen.
Stärke noch List halfen ihm nichts, denn sie stand mit
einem mächtigen Geiste im Bund. Einst aber ersah sie
Bodo jagend auf der Schneekoppe und sattelte sogleich
seinen Zelter, der meilenlange Fluren im Augenblick,
übersprang, er schwur, Emma zu sahen oder zu sterben.
Fast hätt er sie erreicht, als sie ihn aber zwei
Meilen weit von sich erblickte und an den Thorflügeln
eines zerstörten Städtleins, welche er im Schild führte,
erkannte, da schwenkte sie schnell das Roß. Und
von ihren Spornen getrieben flog es über Berge,
Klippen und Wälder durch Thüringen in die Gebirge
des Harzes. Oft hörte sie einige Meilen hinter sich
das schnaubende Roß Bodos und jagte dann den nimmermüden
Zelter zu neuen Sprüngen auf. Jetzt stand
ihr Roß verschnaufend auf dem furchtbaren Fels, der
Teufels Tanzplatz heißt. Angstvoll blickte Emma in
die Tiefe, denn mehr als tausend Fuß ging senkrecht
die Felsenmauer herab zum Abgrund. Tief rauschte
der Strom unten und kreiste in furchtbaren Wirbeln.
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_449.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)