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Goldgülden gleich gewesen, woraus derselbige Thurn wieder hergestellt und mit Blei gedeckt worden.


127.
Die Müllerin.
Mündlich, aus Oestreich und nach einem fliegenden Blatt.

Zwischen Ems und Wels in Oestreich auf einer einsamen Mühle lebte ein Müller, der war an einem Sonntag Morgen, nach üblicher Weise, mit allen seinen Knechten in die Kirche gegangen und nur seine Frau, die ihre Niederkunft bald erwartete, daheim geblieben. Als die Müllerin so allein saß, kam die Hebamme, gleichsam zum Besuch, zu sehen, wie es mit ihr stehe. Die Müllerin war ihr freundlich, trug etwas auf und sie setzten sich zusammen an den Tisch. Während sie aßen, ließ die Hebamme das Messer fallen und sprach: „hebt mir einmal das Messer auf!“ „Ei! antwortete die Müllerin, ihr redet wunderlich, ihr wißt doch, daß mir das Bücken saurer wird, als euch,“ doch ließ sie’s hingehen, hob das Messer auf, reichte es ihr, und wie sie es reichte, noch im Bücken, faßte die Hebamme das Messer in die Faust, zückte und sprach: „nun gebt mir euer Geld, das baar bei euch liegt, oder ich stech euch die kalte Klinge in die Brust!“ Die Müllerin erschrack, faßte sich aber und sagte: „kommt mit mir hinüber in die Kammer, da liegt im Schrank, was wir haben, und nehmts.“ Die

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_229.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)