„Hm – – Gefühl allein war’s nicht … Ich glaubte im Finstern einen Schatten nach dem Fenster gleiten zu sehen …“
„Von wo aus …“
„Dort vom Ofen her …“
Und Sie hielten diesen Schatten für Einbildung?“
„Ja … Es war also wirklich jemand im Zimmer, Herr Harst?“
„Natürlich, Fräulein Gulber … – Wissen Sie, daß dieses Zimmer dasjenige ist, das der vielbesprochene rätselhafte Gast stets innehatte?“
„Nein, – – keine Ahnung …“
„Dieser rätselhafte Gast war, wie nun feststeht, eine junge Engländerin namens Lydia Salnavoor … War – – denn sie ist tot …“
„Oh – – ermordet?!“
„Nein, verunglückt durch einen Dampfer … Dieser Engländerin wegen hat sich jemand hier in Ihr Zimmer eingeschlichen … Er vermutete, daß Miß Salnavoor hier vielleicht etwas versteckt haben könnte … Deshalb wagte er’s, nachdem ihm der Zugang durch den offenen Fensterflügel erleichtert war …“
„Entsetzlich …!! Der Kerl hätte mich abschlachten können …!!“
„Er würde sich gehütet haben …! – Gestatten Sie nun, daß Schraut und ich uns hier einmal umsehen?“
Harald wandte sich dann an mich … „Eigentlich wäre es höflicher, wenn du Fräulein Gulber unterhieltest, mein Alter … Ich besorge hier das Nötige auch allein …“ – Und er zwinkerte mir verstohlen zu … Ich verstand: ich sollte Fräulein Gulbers Aufmerksamkeit ablenken!!
Nun – das war nicht schwer …
Charlotte Gulber war wie eine Sprechmaschine. Man brauchte nur ein ihr genehmes Thema antippen, und schon schnurrte der Apparat ohne Pause …
Dieses Thema, das ich ihr mundgerecht machte, war ihre Krankheit …
Max Schraut: Der rätselhafte Gast. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_r%C3%A4tselhafte_Gast.pdf/44&oldid=- (Version vom 31.7.2018)