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aber hat es dennoch auch dort drüben nicht an Leuten gefehlt, die offen auf diese Erscheinung hingewiesen haben, und sie damit zu erklären suchten, daß der deutsche Seemann nicht nur in allen Stücken dem britischen ebenbürtig, sondern auch zuverlässiger, weil nüchterner, sei als jener. Und da der Deutsche bekanntlich von alter Zeit her stets bereit gewesen ist, für fremde Herren Landsknechtsdienste zu tun, was sein Tatendrang und seine Abenteuerlust erklären, so hat es auch besonders in früheren Jahren der englischen Seefahrt an deutschen Kräften nie gefehlt. Heute hat Deutschland selbst eine große Marine, viele Kolonien und so ausgedehnte überseeische Verbindungen, daß der Dienst auf den Schiffen jener fremden Macht unsern jungen Seeleuten nicht mehr so verlockend erscheint.

Anders war’s noch zu meiner Jugendzeit. Die Romantik des Seelebens blühte dazumal für uns Deutsche fast nur in englischen Diensten, und kein Seemann galt bei uns für voll, der nicht auf englischen Schiffen gefahren hatte.

Im fünften und sechsten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts hatten die Bestrebungen Englands, dem an der Westküste Afrikas in unerhörtem Maße betriebenen Sklavenhandel eine Ende zu machen, eine große Anzahl abenteuerlustiger Seefahrer aller Nationen zum Eintritte in das Geschwader bewogen, das zur Ausübung dieses sogenannten Präventivdienstes im Atlantischen Ozean, zwischen Westindien und Afrika, zu kreuzen hatte. Daß die Deutschen hierbei nicht fehlen konnten, liegt auf der Hand. Sie waren zeitweise, und namentlich nach der Auflösung der Reichsmarine so stark vertreten, daß einzelne Fahrzeuge des Geschwaders eine fast durchweg deutsche Besatzung hatten.

Commodore Brommy, der eine Zuneigung zu mir gefaßt hatte, gab mir, als ich mich von ihm verabschiedete, ein in warmen Worten abgefaßtes Empfehlungsschreiben an einen einflußreichen Mann in Portsmouth und ebnete mir so den Weg zu meiner neuen Laufbahn. Ich habe den edlen Mann nicht wieder gesehen: er starb am 9. Januar 1860. Es war ihm nicht vergönnt gewesen, das Morgenrot besserer Tage anbrechen,

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)