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Zeichen von Verwesung. Es war, als seien sie eben erst mitten in der Arbeit vom Schlage getroffen worden. Ja, es mußte in der That so sein; noch vor einer Minute konnte der Matrose, der jetzt kalt und starr neben dem Steuerrade lag, dieses fest in der Hand gehalten haben, denn das Schiff war ja bisher vor den Wind gesteuert worden und wurde erst in dem Augenblicke, als die beiden Unglücksgefährten es betraten, plötzlich steuerlos und kam aus dem Wind, sodaß die Segel klatschend gegen die Rahen schlugen. Doch nicht dieser Umstand allein versetzte die Seeleute in Schrecken, auch der Anzug, den die Männer trugen, übte eine unheimliche Wirkung auf sie aus. Lebte man denn im Mittelalter? War dieses Schiff etwa nicht ein moderner Schoner, erbaut am Ende des neunzehnten Jahrhunderts? Wie kam es, daß alle diese Männer die Kleidung eines viel früheren Jahrhunderts trugen, lange Schoßröcke mit Gürteln und blanken Knöpfen, kurze Kniehosen aus Samt, Wadenstrümpfe und Schnallenschuhe? Weshalb hatten sie das lange Haar in der Mitte gescheitelt und die Bärte wegrasiert?

„Das ist der fliegende Holländer,“ flüsterte endlich Gustav, fast mit geisterhafter Stimme, „am Tage sind die Männer hier tot, erst bei Nacht werden sie wieder lebendig.“

Obgleich Richard selbst von jenem Grausen befallen worden war, das ein so schauerliches Rätsel auf jeden ausüben mußte, sprang er doch, sich ermannend, sofort an das sich planlos drehende Steuerrad, brachte den Schoner wieder vor den Wind und band die Speichen fest.

Dann wandte er sich an den ihm zunächst liegenden Matrosen, der das Steuerrad geführt hatte – vorausgesetzt, daß dieser auch wirklich ein Matrose gewesen war, denn er glich in seinem sauberen Kostüm aus einem sehr feinen, Richard ganz unbekannten Stoffe und mit den seidenen Strümpfen eher einem reichen Mynheer aus dem zehnten Jahrhundert – und nun begann er, seine Furcht bezwingend, ihn näher zu untersuchen. Der Mann war thatsächlich tot, kalt und

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Robert Kraft: Der König der Zauberer. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_K%C3%B6nig_der_Zauberer.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)