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„Vor ungefähr hundert Jahren beschloß Erasmus, sich wieder mit Menschen zu umgeben, und als er im Geiste eine Insel im polynesischen Archipel erblickte, die ihm wohlgefiel, versetzte er sich darauf, machte sie, um von der Welt abgeschlossen zu bleiben, unsichtbar und umzog sie mit einer Grenze, die niemand lebendig überschreiten darf. Jenseits dieser Grenze vermag also niemand die Insel zu sehen, wie Du wohl schon selbst gehört haben wirst. Will man sie aber lebendig überschreiten und die Insel schauen, muß man erst von dem Lebenselixir trinken. Unser Gebieter brauchte natürlich auch Menschen, um das, was er vorhatte, ausführen zu können, und die Menschen kamen von selbst. Oft genug verirrt sich ein Schiff hierher, beim Passieren der Grenze fällt die Mannschaft in Todesschlaf; der erhabene Greis weckt sie dann wieder und macht sie zu seinen Unterthanen, indem er die Brauchbaren immer weiter ausbildet, die Unbrauchbaren aber des zweiten Todes sterben läßt, von welchem es kein Erwachen giebt. Viele Schiffe, die man mit der ganzen Mannschaft für im stillen Ocean untergegangen hält, sind auf diese Weise verschwunden. So wächst die Bevölkerung der Insel beständig, außerdem giebt es hier ja auch Frauen. Was willst Du?“

„Mir kommt eine Sache wieder sehr ungereimt vor,“ sagte Richard. „Wenn dieser Mann wirklich so allmächtig wäre, wozu braucht er da Arbeiter, um seine Pläne ausführen zu lassen? Erstens könnte er sich ja Menschen auf seinen Befehl erschaffen, noch einfacher aber wäre es, wenn er nur zu wollen brauchte, damit im Augenblick alles entsteht, was er sich wünscht.“

„Deine Ansicht verrät wenig Scharfsinn,“ entgegnete Scipio. „Doch sie ist Deinem Alter entsprechend. Gar viele haben dasselbe ausgesprochen, als sie hierherkamen, auch ich that es erst. Aber schließlich zeugt es doch wieder von selbständigem Denken, wenn man solch eine Frage aufstellt. – Gott ist allmächtig, allwissend und allgütig. Warum läßt er das Leben der Wesen, die er geschaffen hat, und die er schon darum lieben muß, in einem ununterbrochenen Kampfe sein?

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Robert Kraft: Der König der Zauberer. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_K%C3%B6nig_der_Zauberer.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)