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Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte.

sagte er: „Da ich Ihnen nun doch einmal Alles gebeichtet habe, sollen Sie auch Das erfahren. Ich hatte ihn mir gekauft, um mich daran im Hôtel aus dem Fenster zu lassen, wenn ich, wie voraussichtlich, meine Wirthshausrechnung nicht bezahlen konnte.”

Der Fremde richtete sich bei den Worten im Nu in die Höhe und dem jungen Mann die Hand hinüberreichend, sagte er freundlich:

„Herr Lerche, ich kann Sie meiner vollen Hochachtung versichern. Sie haben unbestreitbar Talent, denn daran hätte ich selber nicht gleich gedacht. – Ich müßte mich auch sehr irren, oder Ihre Zukunft ist gesichert. Erlauben Sie mir jetzt nur noch eine Frage, und glauben Sie nicht, daß ich sie indiscret thue; aber ich muß es zu Ihrem eigenen Besten wissen. – Wie viel Schulden haben Sie, und vor allen Dingen, wem schulden Sie?”

Herr Lerche schwieg, aber nicht aus Zurückhaltung, denn allerlei Gedanken kreuzten ihm das Hirn. Der großmüthige Fremde wollte jedenfalls seine Schulden bezahlen und er machte sich nun im Geist einen Ueberschlag, wie viel er angeben solle, ohne dabei etwas zu vergessen. Endlich schien er damit im Reinen und sagte:

„Meinem Schneider schulde ich dreißig Thaler –“

„Selbstverständlich!” lautete die Antwort.

„Meinem Schuhmacher fünfzehn, sind fünfundvierzig. – Meinem Wirth für Essen und Wohnung hundertundsechzig, macht zweihundertundfünf, dem Buchhändler acht Thaler, sind zweihundertunddreizehn – im Frühstückskeller zweiundvierzig Thaler etwa, macht zweihundertfünfundfünfzig. – Meiner Wäscherin elf Thaler – gleich zweihundertsechsundsechzig, und dann – habe ich noch zweihundertfünfzig Thaler baar Geld aufgenommen.“

„Von wem?“ frug der Fremde rasch.

„Von der ersten Liebhaberin unseres Theaters.”

„In der That? Eine Herzensneigung?“

„Nein.“

„Auf Wechsel?”

„Nein.“

„Also auf Ehrenwort?”

„Ja“, sagte Herr Lerche zögernd, während der Fremde einen Blick nach dem Baum hinüberwarf, an dem der Strick noch hing. „Was sich also mit meiner Schuld hier in Ems auf etwas über 500 Thaler belaufen würde.“

„Also einem Wucherer sind Sie nichts schuldig?“

„Nein – fünfhundert Thaler könnten mich retten.”

„Was nennen Sie retten?” sagte der Fremde verächtlich. „Wenn Sie die fünfhundert Thaler bekämen und Ihre Schulden wirklich damit bezahlten, so wären nur Ihre Gläubiger besser daran, Sie selber aber genau auf dem alten Fleck wie vorher. Nur in dem Fall, daß Sie dieselben nicht bezahlten“, setzte er langsamer hinzu – „wären Sie gebessert, aber auch nur für eine kurze Zeit, denn das alte Elend würde

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Friedrich Gerstäcker: Der Herr von der Hölle. Eine zweifelhafte Geschichte. A. H. Payne, Leipzig 1870, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Herr_von_der_Hoelle-Gerstaecker-1870.djvu/11&oldid=- (Version vom 14.2.2021)