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Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492

Der Doppelgänger


Kriminalroman von Walther Kabel


(Nachdruck verboten)

(5. Fortsetzung)

Daher habe er auch diesen Herrn von Berg nur sehr undeutlich beim zweiten Male gesehen, da dieser sowohl sehr eilig das Privatkontor betreten als auch verlassen habe. Ob der Baron zuletzt irgend ein Paket mitgenommen, wisse er nicht. Jedenfalls habe er den Besucher für denselben Herrn gehalten, der schon um 10 dagewesen sei.

Mit Recht machte Richter, nachdem der Laufbursche entlassen war, den Staatsanwalt darauf aufmerksam, daß der Baron oder sein geheimnisvoller Doppelgänger bei seinem zweiten Besuche sich doch eigentlich ganz anders benommen habe als beim ersten.

„Er schickt seine Karte hinein, bleibt im Vorraum stehen, während der Junge ihn anmeldet und …“

„Zufall, weiter nichts – ganz belanglos meiner Ansicht nach!“ unterbrach ihn Hübner. „Für mich steht es jetzt trotzdem fest: Der Baron war zum zweiten Male nicht hier – aber wer war’s … wer?“ –

Auf die Vernehmung der anderen Angestellten konnte verzichtet werden, da sie wohl kaum etwas auszusagen wußten, handelte es sich doch nur um das Kontorpersonal, das von den Vorgängen nicht früher etwas erfahren hatte, bis der Prokurist ihnen die Nachricht von dem Morde überbrachte. – Der Staatsanwalt hatte sich in seinen Sessel zurückgelehnt und studierte seine Aufzeichnungen; der junge Referendar beschaute seine Fingernägel und langweilte sich scheinbar, Richter ging auf und ab und Werres stand an der Tür, hatte die Arme wieder verschränkt und schaute vor sich hin, wobei sich bisweilen blitzschnell etwas wie ein Lächeln um seine Lippen stahl, bald wieder verschwand und dann einem beinahe drohenden Ausdruck Platz machte … Plötzlich blieb der Kommissar vor Werres stehen.

„Hören Sie, Doktor, tun Sie mir einen Gefallen und reden Sie! Man sieht Ihnen ja an, daß Sie bis oben mit Vermutungen vollgepfropft[1] sind, auch wohl mit … Theorien – lassen Sie uns doch auch von Ihrer Gedankenarbeit etwas zukommen!“

Werres blickte nicht auf und sagte nur ziemlich abweisend: „Bei unserem Berufe ist es das beste, Herr Kommissar, wenn jeder seinen eigenen Weg geht. Es wäre doch für diese Untersuchung wahrlich kein Glück“ – das klang wieder so ironisch – „wenn ich mich nun auch so ausschließlich für den Baron interessieren würde wie Sie … Im Grunde tue ich’s ja, nur daß ich dem Doppelgänger, dem falschen Herrn von Berg, nachspüre …“

Hübner hatte sich erhoben. „Unsere Arbeit wäre hier dann zu Ende, meine Herren. Nachmittags wird wohl der Untersuchungsrichter nochmals eine Lokalbesichtigung vornehmen. Jedenfalls werde ich diese Zimmer abschließen, und den Schlüssel nehmen Sie dann wohl an sich, Herr Kommissar.“ – Werres öffnete die Tür zu dem Privatkontor und betrat das Zimmer, um seinen Hut und Paletot zu holen, den er vorher über einen Stuhl am Fenster gelegt hatte. Er blieb vor der Leiche stehen und schaute sich dann wie suchend im Zimmer um. Aber ihm

  1. Vorlage: vollgepropft
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Doppelgänger. In: Zeit im Bild, Jahrgang 1908, S. 59, 82–84, 106–108, 130–132, 154–156, 178–180, 202–204, 226–228, 250–252, 274–276, 298–300, 322–324, 346–348, 370–372, 394–396, 418–420, 442–444, 466–468, 490–492. Berliner Central-Verlag, Berlin 1908, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Doppelg%C3%A4nger.pdf/17&oldid=- (Version vom 31.7.2018)