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Ein gesunder und kräftiger Körper und Geist wird wohl selten seine gewohnte Beschäftigungsweise auf die Dauer entbehren können, ohne in Apathie zu verfallen (wenigstens bilde ich mir dies ein), weshalb ich auch den gestärkten Lebensimpuls mit Freuden als ein neues Pfund in dem Haushalte des Herrn zu verwerthen suchte.

Die Lust der Ortsveränderung, welche in mir begreiflicher Weise im Laufe der Jahre Wurzel geschlagen hatte, kämpfte einen kurzen aber harten Kampf mit der Heimathsliebe, bis endlich die erstere durch ein lockendes Anerbieten, was mir gestellt wurde, die letztere betäubte, und ich das Engagement des Grafen * in Posen annahm.

„Du Land der süßen Wonne,
O Heimath lebe wohl!“

Ostern 1853 verließ ich D*** bei rauhem, stürmischem Wetter, fuhr per Eisenbahn bis Glogau und mußte von da an die Post zur Weiterreise nach Lissa benutzen.

Wie es bei Postreisen in der Regel zu gehen pflegt, daß man entweder durch Kasten und Schachteln oder wenigstens durch corpulente Passagiere incommodirt wird, so auch diesmal, nur mit dem Unterschiede, daß beides zusammenwirken mußte, um mir diese lange Fahrt zur Hölle zu machen. Denn mein Gegenüber erschien in Gestalt einer dicken Frau, versehen mit einem ganzen Gefolge von Schachteln, die der Postconducteur rücksichtslos in den Wagen hereinstopfte. „Ich bitte mich auf den Vordersitz zu lassen, sonst muß ich speien,“ lautete die holdselige Ansprache, deren Zauber ich keinen Augenblick Widerstand zu leisten vermochte, so daß ich meinen Vordersitz mit dem Rücksitze schleunigst eintauschte.

Daß ich in Lissa mehrere Stunden Nachts auf den Postwagen nach Posen frierend warten mußte und durch schlechtes Fuhrwerk und schlechte Straßen viel erduldete, sind Unannehmlichkeiten, die Jedermann kennt, der per Post fuhr, und die nicht aufhören werden, so lange es Postpassagiere giebt.

Obschon Posen unzweifelhaft zu den respectableren Städten Polens gezählt werden muß, so bietet es doch für einen Deutschen sowohl innerlich als äußerlich nichts Erfreuliches, und das Oede seiner Lage wird durch die starren Festungswerke, welche es umgürten, beträchtlich erhöht.

Meine Adresse führte mich an ein Haus, dessen Façade auf nichts weniger als herrschaftliche Bewohner deutete; auch war sein Eingang durch ekelhafte Schmutzhaufen versperrt. Nachdem ich eine schmale hölzerne