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gemacht hatte, hielt er vor der Loge des Gouverneurs, ein Matador bat um die Erlaubniß, das Gefecht zu beginnen, worauf jener ihm den Schlüssel zu dem Stierzwinger in die Arena warf. Der Matador hob ihn auf und überreichte ihn Einem im Gefolge, der den Stall öffnete, während die Kämpfer sich hinter Schirmen versteckten. Der Stier sprang unbefangen in den Circus, drehte sich aber sogleich um und wäre wahrscheinlich durch die Thür zurück geflohen, wäre sie nicht geschlossen gewesen. Das war den Zuschauern ein Zeichen, daß es ein schlechter Kampfstier war, ohne Muth und Wuth, weshalb sie mit lautem Geschrei verlangten, daß dem Thiere ein rasches Ende gemacht und ein anderes herbeigeschafft werde. Jetzt umringten die Bursche den Stier und stießen ihm Stäbe in den Nacken, an welchen Raketen befestigt waren, so daß er vor Schmerz und Schreck laut aufbrüllte und in weiten Sätzen auf dem Kampfplatz herum rannte. Vor den Reitern floh er, aber einer der Matadores stellte sich ihm gegenüber, indem er das Schwert unter dem Mantel verbarg. Der Stier stürzte mit gesenktem Kopfe auf ihn zu, während der Fechter dem tödtlichen Stoße durch einen raschen Seitensprung auswich, worauf das Thier wieder zu entfliehen suchte. Aber die Knaben und Reiter verfolgten ihn mit Raketen und rothen Fähnchen, um ihn dem Matador wieder nahe zu bringen, und als dies endlich gelungen war, versetzte der Fechter ihm einen Stoß in’s Herz, wovon er unter dumpfem Brüllen und Röcheln zu Boden stürzte. Jubelgeschrei begrüßte den Sieger, der sich gegen den Gouverneur verneigte. Ich hatte genug der Grausamkeit gesehen und begab mich allein in’s Hotel zurück, wogegen Herr und Madame D. auf ihren Plätzen ausharrten.

Hier moquirten sich einige Engländer über diesen Gebrauch und rühmten zugleich den hohen Grad von Menschlichkeit und Religiosität, welcher das englische Volk in dieser Beziehung vor den Spaniern auszeichne. Ich erzählte ihnen dagegen, daß ich drei Jahre zuvor einem Stierrennen in Stamford zufällig beigewohnt hatte, welches dann alljährlich dort gehalten wurde und wobei der Stier durch die Straßen der Stadt gehetzt, schließlich getödtet ward. Sie versicherten, daß dieser Brauch seitdem abgeschafft sei.

„Und Ihre Hahnenkämpfe, welche noch von Zeit zu Zeit angekündigt werden, sind diese wohl etwas anderes als Barbarismus?“ fragte ich.