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im Lauf der Zeiten bekannt geworden, saßen die meisten freilich, wie seit Jahren, so auch jetzt alle Sonntagmorgen in stammgasthafter Selbstverständlichkeit da, aber manche Veränderung gewahrte Großmama doch auch an ihnen, plötzlich gealterte Eltern, deren kaum erwachsene Söhne, frisch in Feldgrau gekleidet, noch ein letztes Mal hier neben ihnen standen; junge Menschenpaare, die sich, in dieser Zeit der kurzen Lebensläufe schnell gefunden, und denen man die Kriegstrauung sofort ansah; und vor allem Trauernde aller Art und aller Stände. Frauen, die in unnahbarer Erstarrung, stolz mit erhobenem Schleier standen, andere, die tief verhüllt sich hinter den Pfeilern zusammenkauerten, als ob Schmerz Schande sei. Und neben diesen Einzelnen drängten sich jetzt Scharen Anderer, Neuer, denen man anmerkte, daß sie wohl lange nicht in Kirchen gewesen, und die mit Liturgie und Gesangbuch nicht recht Bescheid wußten, deren krampfhaft gefaltete Hände und hungrig suchende Augen aber eine so vernehmliche Sprache redeten von dem heißen Verlangen nach etwas ganz Starkem, ganz Sicherm, das eine Erklärung böte für all das Grausam-Schaurige, das so plötzlich die unbedachte Sorglosigkeit bisherigen Lebens zerstört hatte und einen Halt gewahrte, wo alle gewohnten Begriffe von selbstverständlicher Geborgenheit hinter menschlichen Rechtsschranken ins Wanken geraten waren. Ganz ebenso wie die Vertriebenen aus Ostpreußen und dem Elsaß, wie die Auslandsdeutschen, die aus vielen Ländern nach Berlin geflutet kamen, waren auch diese neuen Kirchenbesucher recht eigentlich

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Elisabeth von Heyking: Zwei Erzählungen. Philipp Reclam jun., Leipzig [1918], Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Erz%C3%A4hlungen_Heyking_Elisabeth_von.djvu/49&oldid=- (Version vom 31.7.2018)