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carfreitag gen Lusnien kommen ins schloß und daselbs in der nacht drei mals umbs haus und iren thurn, darin sie gewonnt, fliegen und ain jemmerlichs geschrai haben. Vil sein, die vermainen, sie möcht noch zu erlesen sein, und

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sagt man, sie wone sampt ander verfluchten mentschen in großer anzal in ainem holen berg, da essen und trinken sie, thuen auch all ander mentschlichen handlungen; darzu werde inen von besen[1] gaister gedienet und wil man glaublich sagen, bemelte Melusina soll, das sie nit erlösst, biß

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an jüngsten tag in sollichem wesen bleiben. Sie hab auch guten friden und ruhe, ußerhalb am sambstag, da werde sie von den hellischen gaister geplagt. Im seie nur in sollichem, wie im welle, so wissen wir doch, das in Frankreich kain abenteurlicher provinz oder landsart oder die mer aventuros

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seien, als das Poictu, darin auch das schloß Lusingen ligt. Sie haben auch vor vil jaren in selbiger landsart wunderbarlich gebreuch gehapt, wider den sitten anderer lender und wider allen mentschlichen und nattürlichen verstandt, als nemlich, zu sommers zeiten und da es am wermesten,

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mit vil klaider sich zu beklaiden, dargegen aber, da es winter und kalt, hielten sie sich mit irer klaidung nit anders, als ob es ganz warm gewesen, und das noch mer war, sie hetten ain gesellschaft, wann ainer under inen dem ander zu haus kam, war er verheurt, so mußt er dem gast weichen

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und dorft nit ehe wider kommen, biß der ander schimpfs genug mit der frawen geüebt; also thet dann der ander auch mit ander frawen, da er hinkam. Es war auch ain große unehr denen, die solche manier nit hielten, warden auch zu zeiten derhalben ußer irer gesellschaft gestoßen.

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Das ist lange jar unter inen also gehalten [word]en[2]. Es thut neben ander der ritter vom Turn uß Frankreich deren besen gebreuch meldung in seinen hindergelassnen geschriften[3][4] und das solch vor seinen zeiten also im Poictu, wie oblaut, sei gebraucht worden. Derselbig ritter hat

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ungefärlich bei zwaihundert jaren gelept, umb die jar 1360, und ich glaub, das ußer sollicher dorhait der schimpflich


  1. besen] hs. beser.
  2. word]en] word fehlt in der hs.
  3. geschriften] s. Le livre du Chevalier de La Tour Landry . . . par Anatole de Montaiglon, Paris 1854; The Book of the Knigth of La Tour-Landry, . . . Translated by Thomas Wright. London 1868 (Early English Text Society).
  4. die deutschen ausgaben s. bei Gödeke, Grundriß s. 120; s. ferner Stälin a. a. o. III, 765; Graesse, Trésor IV, 120.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band IV. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1882, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_4_147.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)