Seite:De Zimmerische Chronik 3 315.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Das ich aber widerum uf graf Gotfridt Wernhern kom, so ist nit wenig, man hat dem gueten herren, und nit unbillich, umb sein ungepürlichs unwesen übel geredt; iedoch, wie man sprücht: »Dat veniam corvis, vexat censura

5

columbas[1],« so sicht man etwas und schülts an dem ainen, aber dem andern get es hin, dem lacht man, und ist auch dem einen dötlichen, dem andern deglich sündt; das war aldo auch. Was groser verachtung und feindtschaft es bei den fründen und verwandten angericht, das befindt sich

10

noch heutigs tags an mehr, dann einem ort. Aber den andern, die auch in ainem gleichförmigem spital und villeucht etwas herber krank lagen, denen solt es nit schaden, ward nur für ain schimpf geachtet. Die grafen von Werdenberg heten ain wunderbarlichs abwechseln mit eim sollichen

15

palmessel, und wichen die brüeder einandern. Das war ein grose courtosia. Die eheweiber muesten das sehen, dem beiwonen und darzu schweigen, solt es inen gleich haben das herz abgestoßen, und wie man sagt, hat es den grafen baiden ir leben gekost, darvon anderswa. Ich hab wol von

20

den alten gehört, das uf ein zeit graf Gotfridt Wernher zu Sigmaringen gewesen, und als graf Christof von Werdenberg und er ohne geferde in ein gemach gangen, darinen graf Friderich von Fürstenberg und graf Jos Niclas von Zollern, iren baider dochtermannen, in ainem ernstlichen

25

gesprech gesessen, hab graf Christof ir gesprech wissen wellen. Soll graf Friderrich gesagt haben: »So irs ie wissen wellen, soll es euch nit verborgen bleiben; wir haben ainandern erinneret, das wir so verhurt schweher, als sie im ganzen landt mögten [807] sein zu finden.« User solcher

30

redt ist wol domals ein groß gelechter worden und in einem schimpf verstanden und angenommen. Aber wie die baid döchtermenner hernach in sollichem fahl bewisen, darvon wurt baldt volgen. Gar nahe, wie mit den graven von Werdenberg, also was es schier in gleichem stat mit graf

35

Eitelfriderrichen von Zollern dem jünger. Derselbig entpfürte ein junge[2] closterfraw zu Hailigcreuztal, hieß Barbara von Friedingen, fürwar ain schöns mentsch und ein solichs, das der traurig Aeacus oder Radamantus[3] zu gleich dem alten apt von Bozen solt gesagt haben: »Wer möcht aber


  1. columbas] s. Juvenalis Satira II, 63.
  2. junge] hs. jungen.
  3. Radamantus] hs. Radamentus.
Empfohlene Zitierweise:
Froben Christoph von Zimmern: Zimmerische Chronik. Band III. Herausgegeben von Karl August Barack. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, Freiburg, Tübingen 1881, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zimmerische_Chronik_3_315.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2018)